Kündigung wegen Privater Internetnutzung: Die private Nutzung des betriebseigenen Internetzugangs – etwa für Online-Spiele oder soziale Netzwerke – ist bis heute ein brisantes Thema, vor allem wegen seiner enormen Missbrauchsanfälligkeit. Hieran schließt sich unmittelbar die ebenso brisante Frage an: Unter welchen Voraussetzungen kann die Nutzung des betriebseigenen Internets eine verhaltensbedingte, ggf. auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen?
Grundsätzlich gilt, dass die private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz entgegen einem entsprechenden Verbot jedenfalls dann eine fristlose Kündigung rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer sowohl an mehreren Tagen durchgehend und als auch über Monate hinweg regelmäßig URL-Aufrufe und E-Mails zu privaten Zwecken getätigt hat. Wenn der Zeitabstand so kurz ist, dass Arbeitseinheiten schon denktheoretisch nicht möglich sind, gilt dies dann erst recht.
Im Folgenden wird zum einen die Rechtslage aufgezeigt, wie sie sich auf Grund der Rechtsprechung darstellt. Zum anderen gibt es Hinweise zur Regelung der privaten Internetnutzung im Betrieb.
Mehr dazu bei uns:
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- Rechtliche Hinweise rund um die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz
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Rechtsprechung zur Kündigung wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz
Bundesarbeitsgericht zur Kündigung wegen privater Internetnutzung
Das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 581/04) hat bereits vor Jahren festgestellt, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichen Umfang („ausschweifend“) nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.
Das BAG machte deutlich, dass es keine pauschale Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit einer Kündigung wegen „Surfens“ im Internet gebe. Ob die Kündigung in einem solchen Fall im Ergebnis wirksam sei, sei vielmehr auf Grund einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Zu einer solchen Abwägung wurde der vorliegende Rechtsstreit auch an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu dann einige (nicht abschliessende) Kriterien aufgestellt:
- wenn ein Arbeitnehmer entgegen einem ausdrücklichen Verbot oder nach einer einschlägigen Abmahnung das Internet für private Zwecke nutzt
- wenn eine Nutzung in einem solchen Ausmaß erfolgt, dass der Arbeitnehmer nicht annehmen kann, sie sei vom Einverständnis des Arbeitgebers noch gedeckt
- beim Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme („unbefugter download“), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des – betrieblichen – Betriebssystems verbunden sein können
- Herunterladen von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden
- wenn durch die private Internetnutzung dem Arbeitgeber – zusätzliche – Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel – unberechtigterweise – in Anspruch genommen hat;
- private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit (weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt)
Aber Vorsicht: Dies sind nur grundsätzliche Kriterien, die nicht absolut gelten. So hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen klar gestellt, dass alleine das Anschauen von pornographischen Filmen am Arbeitsplatz kein fristloser Kündigungsgrund ist (siehe dazu hier bei uns). Letztlich sind dies Kriterien als Ausgangspunkt, wobei im Einzelfall gewertet werden muss.
Sowohl die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten als auch die Verrichtung von Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des dienstlichen PCs als auch ausufernde Privattelefonate während der Arbeitszeit können an sich einen wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. BAG, 2 AZR 200/06 und 2 AZR 581/04). Bei einer privaten Internetnutzung ebenso wie Privattelefonaten oder der Verrichtung von Neben- und privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit, nämlich die Pflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung:
Private Telefonate und die private Internetnutzung während der Arbeitszeit dürfen die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06, Rz. 19, juris; BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05, Rz. 25; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rz. 27, NZA 2006, 98 ff.; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2018 – 7 Sa 406/17, Rn. 78, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15, Rn. 76, juris). Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit den Dienst-PC in erheblichem zeitlichen Umfang für private Angelegenheiten, kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Er muss vielmehr damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht (vgl. nur BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rz. 27, NZA 2006, 98 ff.; Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Juni 2016 – 16 Sa 1711/15, Rn. 84, juris).
Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 329/19
Diese Vorgaben konnte das Bundesarbeitsgericht dann 2007 nochmals konkretisieren, als es ausführte:
„Nur im Fall einer solchen exzessiven Nutzung des Mediums, die eine schwere Vertragspflichtverletzung darstellen würde, kann – ohne dass der Arbeitgeber vorher irgendwelche Beschränkungen angeordnet hat – davon ausgegangen werden, dass allein die Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten ohne Abmahnung zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann. Bei einer „schweren Pflichtverletzung“ ist nämlich regelmäßig dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handels ohne Weiteres genauso erkennbar, wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – BAGE 91, 30; 12. Januar 2006 – 2 AZR 179/05 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Nur deshalb kann von dem Erfordernis einer Abmahnung abgesehen werden. Vorliegend fehlen hierzu jedoch jegliche Feststellungen. Dies gilt umso mehr, als für zahlreiche Tage von der Beklagten in den Instanzen überhaupt nur eine „minutenweise“ unerlaubte Nutzung behauptet wurde.“ – BAG, 2 AZR 200/06
Fristlose Kündigung bei exzessiver privater Internetnutzung
Das OVG Lüneburg (18 LP 15/10) hat entschieden, dass die ausserordentliche, fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bei einer „exzessiven privaten Internetnutzung“ durchaus möglich sein kann. Im konkreten Fall allerdings wurde kein solcher Fall gesehen, da es Ungereimtheiten im Sachverhalt gab und die beanstandete Menge (Innerhalb von 1,5 Monaten an 12 Tagen je eine Stunde) generellen Bedenken begegnet, was eine „exzessive Nutzung“ angeht.
Keine Kündigung alleine wegen Verdachts des Filesharings am Arbeitsplatz
Beim Landesarbeitsgericht Hamm (13 Sa 596/13) ging es ausgerechnet um einen Mitarbeiter einer Kreispolizeibehörde und dessen Dienstrechner: Nachdem die Behörde eine Filesharing-Abmahnung erhalten hatte, hatte man intern ermittelt, wer als Täter in Frage kommt. Hierbei konnte über Uhrzeit und IP-Adresse der Kreis der Verdächtigen (Mitarbeiter) eingegrenzt werden. Die zugehörigen Dienstrechner wurden untersucht und es stellte sich am Ende heraus, dass der betreffende Download von einem Mitarbeiter-PC getätigt wurde. Diesem wurde dann später – auch wegen anderer Umstände – gekündigt, weil er als Täter in Betracht kommt, jedenfalls bestünde ein konkreter Verdacht seiner Täterschaft.
Die Entscheidung ist zwar einerseits nicht allein auf eine Kündigung wegen des Filesharings gestützt, letztlich bietet sie aber eine Vielzahl von Einzelfallbetrachtungen zu dem Thema. Diese passen zu weiteren Entscheidungen aus diesem Themenbereich, die mir vorliegen. Als Faustformel kann man sagen: (1) Auch nach illegalem Filesharing wird der Arbeitgeber eine Abmahnung vor der Kündigung aussprechen müssen und (2) der Nachweis dass es der konkrete Mitarbeiter war, wird nicht zu einfach gemacht.
Im vorliegenden Fall etwa konnte nachgewiesen werden, dass weitere Mitarbeiter Zugriff auf den Rechner hatten, der Mitarbeiter selbst häufig abwesend war während ein „tauschen“ statt fand und ausgerechnet in diesen Abwesenheitszeiten dann auch noch Kopien auf Wechseldatenträger vorgenommen wurden:
Die Tatsache, dass der Kläger sich etwa zur Hälfte aller streitgegenständlichen Zeitpunkte gar nicht vor Ort im Dienstgebäude in M2 aufhielt, spricht zwar namentlich bei sogenannten Torrent-Downloads nicht zwingend gegen seine Verantwortlichkeit. Insoweit hat er aber unwidersprochen darauf hingewiesen, dass bei den dokumentierten Sachverhalten die Anwesenheit einer Person vor Ort im Büro zwingend erforderlich gewesen sei, z.B. als ein USB-Stick mit dem Desktoprechner P2 verbunden worden sei oder Wechseldatenträger zum Einsatz gekommen seien.
Von einem sich aufdrängenden Verdacht, dass es der Mitarbeiter war, konnte somit keine Rede sein.
Kündigung wegen Gefährdung des Betriebs durch private Internetnutzung
Das Landesarbeitsgericht Mainz (5 Sa 10/15) hatte dagegen den Fall zu entscheiden, dass nicht nur verboten privat das Internet genutzt wurde, sondern darüber hinaus trotz Warnung des Virenscanners eine Schadsoftware installiert wurde – das genügt zur fristlosen Kündigung:
Eine Abmahnung des Klägers war nach den Umständen des vorliegenden Falls entbehrlich.
Zwar gilt das durch § 314 Abs. 2 BGB konkretisierte Erfordernis einer Abmahnung grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Die Abmahnung ist aber, wie § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB zeigt, unter besonderen Umständen entbehrlich. Das ist ua. der Fall, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 15 mwN, NZA 2013, 319).
Danach war eine Abmahnung entbehrlich. Es bedurfte keiner Klarstellung der vertraglichen Pflichten. Der Kläger konnte keinesfalls damit rechnen, dass die Beklagte die Installation von Schadsoftware billigen oder ihr lediglich mit einer Abmahnung begegnen würde, zumal sie ihn in einem Jahr dreimal datenschutzrechtlich geschult hatte. Die private Nutzung des Internets war dem Kläger unstreitig verboten. Es kann ihn nicht entlasten, dass er einmal im Auftrag des Geschäftsführers der Beklagten ein Zubehörteil auf eBay bestellt hat. Auch das private Surfen im Internet, das – nach seinem Vortrag – von nahezu sämtlichen Mitarbeitern in der Mittagspause praktiziert worden sein soll, ist mit dem Fehlverhalten des Klägers nicht vergleichbar. Das Gefährdungsrisiko beim Installieren sog. Free- oder Shareware aus unbekannten Quellen ist wesentlich höher als das normale Surfen im Internet auf bekannten Seiten (zB. eBay). Im Übrigen hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger den Warnhinweis des Virenscanners ignoriert, dh. bewusst „weggedrückt“ haben muss, um die Software auf den Dienst-PC installieren zu können. Damit handelte er besonders verantwortungslos.
Private Internetnutzung durch Arbeitnehmer: Regelung im Betrieb
Die Kündigungsrelevanz privater Internetnutzung hängt wesentlich von der Regelungslage im Betrieb bzw. Unternehmen ab. So gibt es Unternehmen, in denen überhaupt keine Regelung hierzu vorhanden ist. In anderen Unternehmen gibt es ganz detaillierte Regelungen, die bis ins Einzelne gehende Handlungsanweisungen für Arbeitnehmer enthalten. Zwischen diesen beiden extremen Polen existieren Regelungen in allen möglichen Zwischenstufen, von eher allgemein-pauschal gehaltenen Vorgaben bis zu mehr oder weniger ausführlichen Handlungsanweisungen.
Private Internetnutzung: Inhalt der Internetnutzung
Neben der innerbetrieblichen Regelungslage kommt es für die arbeitsrechtliche Beurteilung privater Internetnutzung auf den Inhalt bzw. den Gegenstand der Nutzung an. So werden z.B. private E-Mails empfangen und/oder verschickt. Weitergehend können Dateien aus dem Internet heruntergeladen und vom Arbeitnehmer genutzt werden. Bei diesen Dateien kann es sich z.B. um Spiele handeln, mit denen sich Arbeitnehmer die (Arbeits-)Zeit vertreiben. Des weiteren kann es sich um Dateien mehr oder weniger pornografischen Inhalts handeln – der Blick in die tägliche Zeitungslektüre zeigt, dass auch solches Verhalten nicht selten Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen ist. Der Arbeitnehmer kann solche Dateien heimlich und „für sich“ nutzen; es sind aber auch Fälle bekannt geworden, in denen Arbeitnehmer anstößige Dateien entweder mit oder auch ohne Einwilligung Dritter an diese als elektronische Post versenden. Schließlich kann das betriebliche IT-Instrumentarium genutzt werden, um Angriffe von Arbeitnehmern auf den Arbeitgeber oder leitende Angestellte oder auch vom Arbeitgeber auf den Betriebsrat, die Gewerkschaft oder auch auf einzelne Arbeitnehmer zu verbreiten („Pranger-Wirkung“). Man sieht, die Bandbreite des Themas „private Internetnutzung im Betrieb“ ist weit gesteckt, eine pauschale Beurteilung deshalb weder sinnvoll noch möglich.
Abgrenzung private – betriebliche Nutzung
Gelegentlich kann schon die Abgrenzung der privaten von der betrieblichen Nutzung problematisch sein. Eine Nutzung zu betrieblichen Zwecken ist immer gegeben, wenn ein spezifischer Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Arbeitnehmers besteht. Sind solche Bezüge nicht ersichtlich, handelt es sich um private Nutzung. Einen Grenzbereich betreffen Fälle, in denen die Nutzung zwar einen privaten Charakter trägt, aber doch dienstlich veranlasst ist.
Beispiel: Der „Paradefall“ ist die Mitteilung an den Ehepartner per E-Mail, dass es wegen einer dienstlichen Angelegenheit „heute später werden wird“.
Arbeitsrechtliche Einordnung der privaten Internetnutzung
In einem ersten Schritt ist festzustellen, ob dem Arbeitnehmer (auch) die private Nutzung des Internets gestattet ist oder nicht. Ist dem Arbeitnehmer jede private Nutzung ausdrücklich verboten, ist eine Zuwiderhandlung stets kündigungsrelevant (zum Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung s.u.). Als grundsätzlich untersagt muss die Privatnutzung auch gelten, wenn keine Erlaubnis des Arbeitgebers vorliegt. Allerdings ist die private Nutzung nicht in jedem Falle verboten, in dem keine konkrete Erlaubnis des Arbeitgebers besteht.
Beispiel: Die private Nutzung kann auch konkludent gestattet werden, etwa wenn der Arbeitgeber weiß, dass das betriebliche Internet auch privat genutzt wird und hiergegen nicht einschreitet, oder wenn er sogar die private Nutzung dem Arbeitnehmer gleichsam stillschweigend in Rechnung stellt.
Hinweis: Eine erlaubte private Nutzung des Internets kann eine Kündigung niemals rechtfertigen – übrigens auch keine Abmahnung!
Eine erlaubte private Internetnutzung kann vertraglich festgeschrieben sein, sie kann aber auch durch „betriebliche Übung“ Vertragsbestandteil werden. Dies kann aber nur angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung über einen längeren Zeitraum hinweg kennt und duldet und – vor allem – der Arbeitnehmer dies auch hat erkennen können. Will der Arbeitgeber nicht Gefahr laufen, in eine zumindest quasi-vertragliche Bindung hinsichtlich der privaten Internetnutzung zu geraten, sollte er die Erlaubnis mit einem ausdrücklichen Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt versehen. Ansonsten kann eine vertragsfeste (oder vertragsfest gewordene) Nutzungserlaubnis nur durch eine Änderungsvereinbarung oder – wenn sich der Arbeitnehmer hierauf nicht einlässt – durch eine Änderungskündigung beseitigt werden.
Die begrenzte Nutzungserlaubnis
Besondere Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen Arbeitnehmer „grundsätzlich“ das Internet privat nutzen dürfen – aber nur nach bestimmten Vorgaben bzw. unter bestimmten Einschränkungen („Ja-aber-Regeln“):
- So kann die Nutzung z.B. nur außerhalb der betrieblichen Arbeitszeiten erlaubt sein (z.B. in den Arbeitspausen oder in der Freizeit). Dann ist jede Privatnutzung während der Arbeitszeit eine kündigungsrelevante Arbeitspflichtverletzung.
- Die Nutzung kann aber auch inhaltlich beschränkt werden. So kann z.B. das Versenden und Empfangen privater E-Mails erlaubt sein, das private „Surfen“ im Internet aber nicht. Auch können zeitliche oder kostenmäßige Grenzen gesetzt werden. Solche Grenzen sind auch ohne ausdrückliche Regelung zu beachten; jede Nutzung im Übermaß kann die Grenzen zulässiger Nutzung kündigungsrelevant überschreiten. Hier ist allerdings eine erhebliche Grauzone zwischen erlaubter und unerlaubter Nutzung festzustellen. Ob eine Kündigung gerechtfertigt wäre, lässt sich in diesem Bereich nur für den konkreten Einzelfall feststellen. Allenfalls allgemein kann man sagen, dass eine nicht mehr „sozialtypische“ oder „sozialadäquate“ Nutzung vertragswidrig wäre.
- Denkbar sind Fälle, in denen schon die Natur der Arbeitsleistung die private Nutzung des Internets verbietet, z.B. wenn die Arbeitsleistung absolute Konzentration auf die Arbeitsaufgabe verlangt. Dann ist ersichtlich kein Raum für Betätigungen, die diese Konzentration stören. Private Internetnutzung während der Arbeitszeit ist in solchen Fällen stets eine erhebliche Vertragsverletzung. Streitig könnte in solchen Fällen allenfalls sein, ob zumindest eine (einschlägige) Abmahnung erforderlich wäre, oder ob der Arbeitgeber sogleich (verhaltensbedingt) kündigen könnte.
- Praktisch sinnvoller als generelle oder rein formale Regeln der Privatnutzung des Internets erscheinen materielle Regelungen der Internetnutzung. So kann klargestellt werden, dass Dateien mit pornografischen, gewaltverherrlichenden, rassistischen oder kriminellen Inhalten generell nicht heruntergeladen werden dürfen. Auch eine zeitliche Beschränkung kann sinnvoll sein, wenn eine Überlastung des betrieblichen Internetzugangs zu bestimmten Zeiten droht oder eine zeitweilige volle Konzentration auf die betrieblichen Abläufe erforderlich ist. Auch kann ein Verbot des Downloads von Dateien mit extrem großen Datenmengen sinnvoll sein, weil diese zu viel Speicherkapazität in Anspruch nehmen können.
Zugriff auf EMails oder Browserverlauf durch den Arbeitgeber
Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitgeber auf EMails des Arbeitnehmers zugreifen möchte. Wenn keine private Nutzung erlaubt ist, wird dies grundsätzlich problemlos möglich sein. Bei einer erlaubten privaten Nutzung aber sollte von einem vorschnellen Zugriff abgesehen werden. Gleichwohl ist der Arbeitgeber nicht gehindert, irgendwie an die vorhandenen EMails zu gelangen:
- Wenn es einen „Notfall“ gibt, in dem der Arbeitnehmer etwa wegen Krankheit ausgefallen ist,
- und der Arbeitnehmer Gelegenheit hatte, vorhandene private Mails zu löschen oder aufgefordert wurde, geschäftliche Mails zur Verfügung zu stellen,
- ein eventuell vorhandener Datenschutzbeauftragter hinzugezogen wird sowie
- ein erkennbares Interesse des Arbeitgebers vorhanden ist.
Auch im Übrigen ist eine Kontrolle durch den Arbeitgeber nicht zwingend ausgeschlossen, etwa ist ein Zugriff auf den Browserverlauf unter Umständen möglich zur Kontrolle des Arbeitnehmers.
Private Internetnutzung: Abmahnung und Kündigung
Im Bereich unerlaubter Internetnutzung ist in aller Regel eine vorhergehende (einschlägige) Abmahnung erforderlich, bevor verhaltensbedingt gekündigt werden kann. Gerade weil hier in der Praxis eine erhebliche Grauzone zwischen erlaubter und unerlaubter Internetnutzung festzustellen ist, ist eine klare Grenzziehung durch die Hinweis- und Warnfunktion der Abmahnung im Einzelfall unerlässlich.
Das gilt im Regelfall auch, wenn der Arbeitgeber „an sich“ – im Arbeitsvertrag oder durch allgemeine Bekanntmachung – die private Internetnutzung klar geregelt hat. Die Internetnutzung hat sich als allgemeines, „sozialadäquates“, selbstverständliches Kommunikationsmittel durchgesetzt. Daher konnte der Arbeitnehmer „im Zweifel“ annehmen, über den vom Arbeitgeber gestatteten Rahmen hinaus zur privaten Nutzung des Internets berechtigt zu sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch der (zeitliche und/oder kostenmäßige) Nutzungsumfang: Je ausgedehnter dieser ist, umso weniger kann der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihn sanktionslos akzeptiert. Immerhin erbringt der Arbeitnehmer beim privaten Surfen während der Arbeitszeit notwendigerweise seine geschuldete Arbeitsleistung nicht.
Es gibt aber von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmen. Die wichtigste ist die oben bereits angesprochene exzessive Internetnutzung, die berechtigt daran zweifeln lässt, dass überhaupt noch ordnungsgemäß gearbeitet wurde.
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