Inzwischen sollte es zum Alltag gehören, dass Unternehmen, gleich welcher Größe, zumindest irgendwie im „sozialen Internet“ aktiv sind – sei es freiwillig oder unfreiwillig. Vom gezielten Auftritt zu Werbezwecken bis zum Mitarbeiter, der ungewolltes über das eigene Unternehmen verbreitet – die Problematik trifft inzwischen Unternehmen jeglicher Größe. Zum geflügelten Begriff haben sich hierbei die „Social Media Guidelines“ entwickelt, die teilweise wie ein Allheilmittel gepriesen werden. Tatsächlich sollte sich jedes Unternehmen überlegen, derartige Guidelines zu entwickeln, im Folgenden einige rechtliche Überlegungen zur Ausgestaltung.
Mehr dazu bei uns:
- Social Media Guidelines – Erläuterungen und Muster
- Strafrechtliche Folgen von Hasspostings
- Kündigung wegen Hasspostings
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- Kündigungsgrund Youtube-Video
- Kündigung wegen rassistischer Beleidigung
- Kündigung wegen Facebook-Posting
- Kündigung wegen Chat
- Rechtliche Hinweise rund um die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz
- Auswertung des Browserverlaufs durch den Arbeitgeber
- Zugriff des Arbeitgebers auf E-Mails des Arbeitnehmers
Vorab: Warum Guidelines?
Guidelines haben zum einen natürlich im Bereich des Marketing Bedeutung – die Einheitlichkeit der Aussenwirkung bleibt gewahrt, die Gefahr öffentlichkeitswirksamer peinlicher Fehltritte (durch Mitarbeiter) vermindert. Es gibt aber auch eine juristische Komponente. Unternehmen haften nämlich wettbewerbsrechtlich verschuldensunabhängig für Wettbewerbsverstöße Ihrer Mitarbeiter (§8 II UWG) – selbst wenn diese Mitarbeiter vermeintlich rein privat in ihren privaten Accounts agieren! Da kann jeder noch so kleine Fehltritt schnell zur teuren Abmahnung und gar Vertragsstrafe führen. Mehr zu dem Thema Haftung für Mitarbeiter im Wettbewerbsrecht finden Sie hier bei uns.
Zur Einleitung: Eine Faustformel zu Social Media Guidelines
Man könnte es einfach machen und eine Faustformel definieren zur Frage, was in Social Media Guidelines gehört – nämlich die Frage
„Wer darf was wann wie?“
Hiervon ausgehend erkennt man bereits den ersten Fehler: Nur an ein „dürfen“ zu denken greift zu kurz, nicht selten kann man als Unternehmen auch Problem durch aktives Arbeiten im Netz in den Griff bekommen. Man muss sich also nicht nur nach dem „dürfen“, sondern auch nach dem „sollen“ fragen. Die Faustformel wäre also klüger in der Form
„Wer darf und wer soll was wann wie?“
Auch dies aber geht noch präziser, denn auch wenn der Arbeitgeber ein Weisungsrecht (§106 GewO) gegenüber dem Arbeitnehmer hat, so hat er ihm dennoch nicht vorzuschreiben, wie er sich in seinem Privatleben zu verhalten hat. Man darf den Arbeitnehmer zwar abmahnen oder gar kündigen, wenn er sich entgegen seiner Treuepflicht in seinem Privatleben verhält (dazu sogleich), gleichwohl darf man ihm sein Privatleben nicht vorschreiben. Damit ergibt sich eine Wesentliche Einschränkung, die man berücksichtigen sollte:
„Wer darf und wer soll was wann wie während der Arbeitstätigkeit?“
Dies ist für mich, als Faustformel, ein brauchbarer Ausgangspunkt, in dem sich die wesentlichen Kernpunkte durchaus wiederfinden lassen.
Wie vereinbart man Social Media Guidelines?
Es stünde einmal frei, im Arbeitsvertrag konkrete Regelungen zu treffen. Ich bezweifle aber, ob dies zeitgemäß und sinnvoll ist – während der Arbeitsvertrag relativ starr ist, sind gerade Verhaltensregeln im Netz regelmäßigen Änderungen unterworfen. Alleine im Sinne der Praktikabilität sollte man überlegen, ob im Arbeitsvertrag nicht kurzerhand auf die betrieblichen Social Media Guidelines verwiesen wird, die gesondert abgefasst sind. Daneben ist natürlich ohnehin immer das gegebene Weisungsrecht nach §106 GewO zu sehen.
Bei grösseren Unternehmen wird sich die Frage stellen, welche Rolle hier der Betriebsrat ausübt. Dabei bieten sich zwei Sichtweisen: Einmal kann man im Zuge einer Betriebsvereinbarung durch den Betriebsrat auf recht einfachem Wege allgemeinverbindliche Regelungen schaffen, ohne mit jedem Arbeitnehmer einzeln Rücksprache halten zu müssen. Spiegelbildlich dazu stellt sich die Frage, ab wann der Betriebsrat zustimmen muss – hier kann man unterscheiden, ob nur das Arbeitsverhalten betroffen ist (dann kein Mitbestimmungsrecht) oder auch das Verhalten gegenüber Kollegen in sozialen Netzwerken (dann Mitbestimmungsrecht, §87 I Nr.1 BetrVG). Letztlich ist dies m.E. eine akademische Diskussion, da einmal umfassende Guidelines auch immer die innerbetriebliche Ordnung betreffen und damit ein Mitbestimmungsrecht auslösen. Zum anderen muss faktisch gesehen werden, dass gerade bei Guidelines die Akzeptanz der Betroffenen eine enorm hohe Rolle spielt, wenn man möchte, dass diese eingehalten werden. Die Einbindung des Betriebsrats sei daher immer angeregt.
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Social Media Guidelines: Zu treffende Regelungen
I. Allgemeines
a) Einführung
Wenn man Social Media Guidelines nicht als starres Regelwerk, sondern als Arbeitshilfe versteht, sollte – nicht zu ausschweifend – geklärt werden, warum es solcher Verhaltensregeln überhaupt bedarf und wo Risiken liegen. Es geht darum, dem Arbeitnehmer eine Hilfe zum Verständnis an die Hand zu geben. Dazu gehört m.E. auch, dass man kurz aufzeigt, wie vielschichtig die betroffenen Rechtsgebiete sind (Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Persönlichkeits-/Äußerungsrecht, Datenschutzrecht etc.), alleine damit die Arbeitnehmer die Komplexität der Materie zumindest „erfühlen“ und dies nicht unterschätzen.
b) Unterschied: Privates Handeln und Handeln als Arbeitnehmer
Es klingt selbstverständlicher als es ist: Wann handelt der Arbeitnehmer, der von seinem Firmen-PC Facebook aufruft als Vertreter seiner Firma, wann als Privatperson? Nicht ganz zu Unrecht wird aus dem Bereich des Marketing an diesem Punkt darauf verwiesen, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens immer (irgendwie) für dieses Unternehmen handelt – gleichwohl ist dies rechtlich zu unterscheiden. Da man im privaten Bereich keine Vorgaben machen darf, wäre etwa zu überlegen, ob die private Nutzung vollständig untersagt wird, nicht selten wird man zumindest zeitliche Grenzen der Nutzung während der Arbeitszeit treffen.
c) Sicherheit
Sicherheitsrelevante Fragen sind anzusprechen: Welche Regeln zur Sicherheit gibt es? Was ist, wenn doch ein sicherheitsrelevanter Vorfall aufgetreten ist, wie ist dieser an wen zu melden? Hierzu gehört auch, dass es im Haus einen zentralen Ansprechpartner gibt, der den Betroffenen benannt wird.
d) Account-Daten
Wichtig und bewusst unter „Allgemein“ voran gestellt: Wie geht man mit Account-Daten um? Es erscheint mir unklug, wenn die Arbeitnehmer eigene Accounts erstellen und damit nach Gutdünken arbeiten, der Streit um die Account-Daten ist vorprogrammiert. Klüger wird es sein, wenn die Accounts betrieblich geführt werden, dies in den Guidelines geklärt ist und die ggfs. von den Beteiligten angepassten Login-Daten zwingend zu bestimmten Zeitpunkten (etwa spätestens beim Aussscheiden aus dem Betrieb) heraus zu geben sind.
e) Konsequenzen
Wie geht man damit um, wenn die Regeln nicht eingehalten werden? Es ist zum einen Geschmacksfrage, wie offen Sanktionen angedroht werden. Man kann eben auch auf mögliche Konsequenzen hinweisen und deutlich machen, dass die Regeln Teil des Arbeitsverhältnisses sind und nicht nur informelle „Tipps“.
II. Konkrete Vorgaben
a) Wer?
Klar abstecken, ob es nur konkrete Zuständigkeiten gibt, also z.B. so, dass für das Unternehmen nur bestimmte Personen offiziell auftreten dürfen bzw. sollen.
b) Dürfen oder Sollen?
Gibt es Situationen, in denen (bestimmte) Mitarbeiter aktiv werden sollen oder gar müssen? Falls ja, sollte die Guidelines Hilfe an die Hand geben – wie hat man zu reagieren, wenn man etwa über eine Verunglimpfung des Unternehmens stolpert? Hierbei kann man dem konkreten Mitarbeiter (wenn er denn darf!) Verhaltenshinweise für die Situation geben oder ihn anhalten, einen bestimmten Ansprechpartner auf die Problematik hinzuweisen, der das weitere Vorgehen dann koordiniert.
c) Was?
Was ist erlaubt, gewünscht oder gar verlangt an Verhaltensweisen im sozialen Netzen durch die Arbeitnehmer? Gibt es bei Inhalten die verbeitet werden ein gewisses Prozedere, etwa eine Absprache-Prozedur zwischen mehreren Beteiligten/Abteilungen? Will man nur bestimmte Dienste zulassen bzw. die Arbeit hierauf konzentrieren? Dürfen fremde Inhalte („Re-Tweet“, „Teilen“ auf Facebook) geteilt werden, gibt es hier Ausschlusskriterien, etwa dass keine fremden Bilder geteilt werden dürfen wegen urheberrechtlicher Sorgen.
d) Wann?
Zwei Sichtweisen: Gibt es Situationen, in denen zwingend gehandelt werden muss? Und anders – gibt es eine Einschränkung, darf nur in bestimmten Zeitrahmen agiert werden, gibt es Beschränkungen hinsichtlich der zu investierenden Arbeitszeit?
e) Wie?
In welcher Form wird reagiert, müssen Inhalte Hausintern erst abgestimmt werden (siehe oben)? Anders herum: Wer zu viel Kontrolle einführt verhindert zeitnahe Reaktionen – soll es vielleicht einen zentralen Ansprechpartner geben, der im Einzelfall spontan reagieren kann?
III. Regelung von privater Nutzung
Wie ausgeführt sind zwingende Vorgaben im privaten Bereich nicht möglich, aber dennoch kann man Hinweise geben – oder etwa die private Nutzung der dienstlichen Accounts regeln!
a) Private Nutzung dienstlicher Accounts
Dürfen dienstliche Accounts privat genutzt werden, hierbei auch an die Mail-Adresse denken. Wenn Zugriff besteht und persönliche Mitteilungen der Mitarbeiter gewünscht sind: Wie stellen diese klar, dass es sich um eine eigene Mitteilung handelt (Namenskürzel in Klammern, „ich“ etc.).
b) Hinweise im Übrigen
Wenn man auch nichts vorschreiben kann, so gibt es dennoch Verhaltensweisen, die Probleme bereiten können: Der Mitarbeiter, der Kollegen und Arbeitgeber beleidigt kann mindestens Abgemahnt werden. Wenn über das noch geheime Marketingkonzept auf Facebook gelästert wird, ist auch dies eine Verletzung der Treuepflichten. Ohne Drohpotential sollten Arbeitnehmer auf das Problem hingewiesen werden um hier schlichtweg sensibilisiert zu sein.
4. Fazit zu Social Media Guidelines
Sich dem Thema zu widmen sei allgemein empfohlen. Im Buggisch-Blog habe ich zudem eine Auflistung vieler vorhandener Social Media Guidelines gefunden, was sicherlich auch eine Hilfe sein wird.
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