Domain-Pfändung: Eine Internet-Domain kann von einem Gläubiger gepfändet werden. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass Internet-Domains einer Pfändung unterliegen können. Die wichtigsten Grundsätze dabei sind aus meiner Sicht inzwischen:
- Eine „Internet-Domain“ stellt als solche kein anderes Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO dar. Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO in eine „Internet-Domain“ ist vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen (BGH, VII ZB 5/05).
- Die Verwertung der gepfändeten Ansprüche des Domaininhabers gegen die Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag kann nach §§ 857 Abs. 1, 844 Abs. 1 ZPO durch Überweisung an Zahlungs Statt zu einem Schätzwert erfolgen (BGH, VII ZB 5/05).
- Die DENIC eG ist bei der Pfändung der Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche des Domaininhabers aus dem Registrierungsvertrag Drittschuldnerin, da die Pfändung dieser Rechte unmittelbar in das bestehende Vertragsverhältnis eingreift und somit die Rechtsstellung der DENIC eG betrifft (BGH, VII ZR 288/17).
- Mit Überweisung der gepfändeten Ansprüche an Zahlungs statt wird der Gläubiger der Inhaber der Domain und kann verlangen, als solcher von der Beklagten registriert zu werden, ohne dass gesonderte rechtsgeschäftliche Erklärungen zur Übertragung der Domain erforderlich sind; insbesondere bedarf es keiner gesonderten Kündigungserklärung nach Pfändung und sodann vorgenommener Registrierung durch den Gläubiger (BGH, VII ZR 288/17).
Gleichwohl gibt es Grenzen bei der Domain-Pfändung: Während im Privatrecht einer Pfändung in erster Linie entgegen gehalten kann, dass die Domain möglicherweise dem Erwerb dient, müssen Finanzämter ganz konkret im Auge haben, ob überhaupt ein Erlös im Raum steht, der im Verhältnis zur Steuerschuld steht!
Letztlich aber gilt, dass sämtliche grundsätzlich klärungsfähigen Fragen hinsichtlich der Drittschuldnerstellung der DeNIC durch die höchstrichterliche Rechtsprechung inzwischen weitgehend geklärt sind (so ausdrücklich BVerwG 9 B 13.19 unter Verweis auf obige BGH-Rechtsprechung).
Domain-Pfändung: BGH zur Pfändung einer Internet-Domain
Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß die Pfändung der Gläubigerin ins Leere gegangen sei, weil das Amtsgericht mit dem Pfändungsbeschluß nicht die Internet-Domains, sondern nur die Ansprüche des Schuldners aus den Registrierungsverträgen mit der DENIC gepfändet habe. Letztere stellen ein pfändbares „anderes Vermögensrecht“ im Sinne von § 857 Abs. 1 ZPO dar, auf das die Gläubigerin in rechtlich zulässiger und wirtschaftlich sinnvoller Weise im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen konnte.
Als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbar sind Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, daß die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 857 Rdn. 2). Ob eine „Internet-Domain“ als ein derartiges pfändbares Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. (…) Nach (…) richtiger Auffassung stellen die schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der DENIC oder einer anderen Vergabestelle zustehen, ein Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO dar (…)
Eine Internet-Domain als solche ist kein „anderes Vermögensrecht“ i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO. Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent-, Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese Rechte zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihrem Inhaber einen Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain ist lediglich eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche Stellung, die darauf beruht, daß von der DENIC eine Internet-Domain nur einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein faktische Ausschließlichkeit be- gründet kein absolutes Recht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO (…).
Die Inhaberschaft an einer „Internet-Domain“ gründet sich auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen (…). Diese Ansprüche sind Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO (…) Der Antrag der Gläubigerin ist daher darauf gerichtet, diese schuldrechtlichen Ansprüche des Schuldners aus dem Vertragsverhältnis mit der DENIC zu pfänden.
Das bedeutet: Gläubiger können versuchen ihre Ansprüche durch die Pfändung von Domains zu sichern.
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Domain-Pfändung: Pfändung der Domain zu Schätzwert
Mit dem BGH erfolgt die Verwertung der gepfändeten Ansprüche des Schuldners gegen die DENIC eG („Domain-Pfändung“) durch Überweisung an Zahlungs statt zu einem Schätzwert (BGH, VII ZB 5/05 und VII ZR 288/17).
Keine isolierte Verwertung der Ansprüche bei Domain-Pfändung – Gläubiger wird Domaininhaber und kann verfügen!
Eine isolierte Verwertung der Ansprüche funktioniert nicht! Das bedeutet, es wird die Gesamtheit der Ansprüche gepfändet und es findet ein Inhaberwechsel statt, wobei der neue Inhaber frei über die Domain verfügen darf:
Die dem Schuldner aus diesem Vertragsverhältnis zustehenden Ansprüche sind nicht isoliert verwertbar; die Pfändung und Überweisung umfassen auch alle sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenrechte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353, juris Rn. 15). Das umfasst die Rechte zur Über- tragung und Kündigung des Domainvertrags (vgl. Bettinger, Handbuch des Domainrechts, 2. Aufl., Rn. DE1293; Radjai-Bokharaj, Zwangsvollstreckung in die Website, 2008, S. 85; Birner, Die Internet-Domain als Vermögensrecht, 2005, S. 84 ff.). (…)
Die Summe dieser Ansprüche und Rechte gegen die DENIC eG machen deren Inhaber zum „Inhaber“ einer Internet-Domain, die selbst lediglich eine technische Adresse im Internet darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353, juris Rn. 11). Deshalb muss von der DENIC eG derjenige als „Inhaber“ der Domain registriert werden, dem die Summe dieser Ansprüche und Rechte zusteht. Die Registrierung dient dazu, mit Hilfe einer DENIC-Domainabfrage (WHOIS-Abfrage) als Berechtigter ausgewiesen zu werden oder kontaktiert werden zu können. Der Gläubiger kann nach seiner Wahl die Domain selbst nutzen oder auf einen Dritten übertragen (Herrmann, Die Zwangsvollstreckung in die Domain, S. 149 f.) und damit wirtschaftlich sinnvoll verwerten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353, juris Rn. 6 f.) (…)
Der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung der Domain zum Zwecke seiner Registrierung bedurfte es ebenfalls nicht (…) Die Erfüllung der Voraussetzungen in § 6 Abs. 2 der Domainbedingungen der Beklagten für eine Übertragung der Domain (Kündigung, Vorlage von den künftigen Domaininhaber ausweisenden Unterlagen und Erteilung eines neuen Domainauftrags) war somit nicht erforderlich (…)
BGH, VII ZR 288/17
Domain-Pfändung: Keine Pfändung bei Domain die Erwerb dient?
Das Landgericht Mühlhausen (2 T 222/12, 2 M 559/12) hat zur Domain-Pfändung weiterhin erkannt, dass die somit grundsätzlich mögliche Pfändung einer Domain daran scheitern kann, dass die Domain die Erwerbsgrundlage des Betroffenen darstellt. Hintergrund ist §811 I Nr.5 ZPO, der besagt
Folgende Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen […] bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände;
Somit muss vor unüberlegten „blinden“ Pfändungsaktionen bei einer Domain-Pfändung gewarnt werden, auch wenn die Domainpfändung an sich möglich ist – der Schuldner wird hier selbstverständlich nach den üblichen Regeln geschützt. Und wenn unter der Domain etwa der Online-Shop läuft aus dem der Schuldner seinen einzigen Erwerb zieht, wird es schon eng.
Zum Domainrecht bei uns:
- Rechte bei Streit um Domainnamen
- Domainrecht: Namensschutz neben Markenschutz anwendbar
- Domainrecht: Tippfehler-Domain kann unzulässig sein
- Domainrecht: Zur Kollision ausländischer und inländischer Namensrechte bei inländischen .de-Domains
- Domainrecht: Zum Unterlassungsanspruch und Dispute-Eintrag bei Markenrechtsverletzung
- Domainrecht: Nutzung eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten
- Domainrecht: Verknüpfung aus Gattungsname und Ortsname ist zulässig
- Markenrecht und Domain: Anspruch auf Freigabe einer Domain schon bei Registrierung?
- Domain-Pfändung: Pfändung einer Internet-Domain ist (mit Grenzen) möglich und Gläubiger wird neuer Inhaber
- Schutz von Firmenname – Unternehmenskennzeichen & Firmenname schützen lassen
- Verwendung einer fremden Marke in Domain
- Störerhaftung: Haftung des Admin-C für rechtswidrige Inhalte auf einer Webseite?
Finanzamt kann Domain pfänden
Bei der Pändung einer Domain ist auch das Finanzamt nicht außen vor! Schon mit Urteil vom 16.09.2015 hatte der 7. Senat des Finanzgerichts Münster (Az. 7 K 781/14 AO) entschieden, dass ein Finanzamt die Ansprüche aus einem Internet-Domainvertrag pfänden kann:
Bei den Rechten des Unternehmers aus dem Domainvertrag handele es sich, so der Senat, um pfändbare Vermögensrechte im Sinne der abgabenrechtlichen Pfändungsvorschriften. Gegenstand der Pfändung sei dabei nicht die Internet-Domain als solche, die nur eine technische Adresse im Internet darstelle, sondern die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Domaininhaber gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustünden.
Das beklagte Finanzamt habe mit der Pfändung auch keine pfändungsfremden Ziele verfolgt, sondern sich das Zugriffsrecht auf die Ansprüche des Unternehmers aus dem Domainvertrag gesichert. Die Genossenschaft könne als Drittschuldnerin in Anspruch genommen werden, da sie Schuldnerin der Ansprüche aus dem Domainvertrag sei. Der Umstand, dass für die Genossenschaft durch eine zunehmende Zahl solcher Pfändungen zukünftig ein nicht unerheblicher Arbeits- und Verwaltungsaufwand ausgelöst werden könne, sei dabei unerheblich.
Es ist überraschend ruhig um das Thema der Domainpfändung, die vor allem in formeller Hinsicht eine recht knifflige Sache ist und bleibt. Rechtlich jedenfalls sollte es nicht überraschen, da der BGH bereits vor Jahren festgestellt hat, dass es sich bei einer Domain um ein pfändbares Recht handelt (BGH, VII ZB 5/05). Dass irgendwann auch Finanzämter diesen Weg gehen vermag erst einmal nicht so ganz zu verwundern. Allerdings hatte der Kläger (der Steuerschuldner) durchaus Recht, darauf hinzuweisen, dass man sich hier schon fragen kann, ob es wirklich der potentielle Wert der Domain ist um den es geht, oder nicht vielmehr um ein zu erzeugendes Druckmoment (was ein sachfremdes Ziel wäre). Das Gericht folgt dem aber offenkundig nicht. Dabei sollte es gleichwohl Grenzen geben, etwa wenn die Domain zum Erwerb notwendig ist.
Inzwischen hatte sich auch der Bundesfinanzhof (VII R 27/15) mit dem Thema Domain-Pfändung beschäftigt und die Entscheidung des Finanzgerichts dann aufgehoben. Zwar ist eine Pfändung auch für ein Finanzamt möglich, allerdings muss die Verhältnismässigkeit der Maßnahme berücksichtigt werden. Dies entspricht meiner früheren Kritik an der Entscheidung des Finanzgerichts: Man muss schon irgendwie brauchbare Anhaltspunkte dafür haben, dass die Domain auch durchaus in der Verwertung zumindest ernsthaft die bestehenden Steuerschulden mindern kann:
Die Gesamtheit der zwischen dem Inhaber einer Internet-Domain und der jeweiligen Vergabestelle bestehenden schuldrechtlichen Haupt- und Nebenansprüche kann als ein anderes Vermögensrecht nach § 321 Abs. 1 AO Gegenstand einer Pfändung sein (…) Bei der Pfändung der sich aus einem Domainvertrag ergebenden Ansprüche hat die Vollstreckungsbehörde insbesondere in Hinblick auf den Wert und die Verwertbarkeit dieser Ansprüche den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (…)
Die Pfändung des Anspruchs auf Aufrechterhaltung der Registrierung … als Hauptanspruch und aller weiteren sich aus dem Registrierungsvertrag ergebenden Nebenansprüche könnte sich jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als rechtswidrig erweisen. Nach §281 Abs.3 AO hat die Pfändung zu unterbleiben, wenn die Verwertung der pfändbaren Gegenstände einen Überschuss über die Kosten der Vollstreckung nicht erwarten lässt.
Dieser Regelung ist – als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – ein Verbot der zwecklosen Pfändung zu entnehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats muss die Vollstreckungsbehörde bei Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten (Senatsentscheidungen vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5; vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787).
Bei rechtmäßiger Ermessensausübung darf die Vollstreckungsbehörde eine Pfändungsmaßnahme nur erlassen, wenn sie aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze oder sogar aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon ausgehen kann, dass der Vollstreckungsschuldner möglicherweise Forderungen gegen den Drittschuldner hat (Senatsurteil in BFHE 192, 232, BStBl II 2001, 5). Dabei muss der Zugriff auf die Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sein (BGH-Beschluss in NJW 2005, 3353).
Unter Beachtung des schutzwürdigen Interesses des Vollstreckungsschuldners muss hinreichender Anlass für die Annahme bestehen, dass die Pfändung zu dem Erfolg der Befriedigung der Forderungen der Behörde führen könnte (Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 281 AO Rz 30; Zeller-Müller in Beermann/Gosch, AO, § 281 Rz 28), so dass sich eine Pfändung in das bewegliche Vermögen als unzulässig erweist, wenn die gepfändeten Gegenstände oder die gepfändeten anderen Vermögensrechte (§ 321 AO) wertlos bzw. unverkäuflich sind (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 281 AO Rz 14, m.w.N.).
BFH, VII R 27/15
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