Der Schutz von Know-how ist für viele Unternehmen essenziell – nicht selten ist es gerade dieses Wissen, das den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung ausmacht. Seit Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes (GeschGehG) im April 2019 hat sich die damalige Rechtslage grundlegend geändert. Der Schutz unterliegt nun klaren gesetzlichen Anforderungen – und verlangt aktives Handeln. Für das Management bedeutet das: Wer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht systematisch schützt, verliert im Ernstfall nicht nur die Kontrolle über sensible Informationen, sondern auch die rechtliche Handhabe.
Vom subjektiven Geheimhaltungswillen zum objektiven Schutzstandard
Früher genügte es in der Regel, wenn Informationen im Betrieb als vertraulich galten – der sogenannte Geheimhaltungswille des Unternehmens war ausreichend. Das hat sich geändert: Das GeschGehG folgt der europäischen Richtlinie 2016/943 und definiert Geschäftsgeheimnisse erstmals gesetzlich. Seither gelten drei kumulative Voraussetzungen:
- Geheimhaltung: Die Information darf in den relevanten Fachkreisen nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich sein.
- Wirtschaftlicher Wert: Die Geheimhaltung muss der Information einen kommerziellen Nutzen verleihen.
- Angemessene Schutzmaßnahmen: Der rechtmäßige Inhaber muss organisatorisch, technisch und/oder rechtlich dafür sorgen, dass die Information tatsächlich geschützt ist.
Hinzu kommt ein deutsches Spezifikum: Es muss ein „berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung“ bestehen – eine zusätzliche Schranke, die dem Schutzbereich Grenzen setzen soll, etwa zugunsten von Whistleblowern oder Arbeitnehmerinteressen.
Was ist also geschützt?
Im Alltag reicht die Spanne möglicher Geschäftsgeheimnisse von Kunden- und Lieferantenlisten über Rezepturen und Herstellungsverfahren bis hin zu technischen Zeichnungen, Algorithmen oder auch bestimmten Kennzahlen. Entscheidend ist nicht die Art der Information – sondern, ob sie dem definierten Schutzstandard genügt.
Besonders relevant ist dies im digitalen Zeitalter: Informationen, die ohne Verschlüsselung auf USB-Sticks lagern, ungesichert in Cloud-Diensten gespeichert sind oder per E-Mail ungefiltert durchs Unternehmen wandern, erfüllen diesen Standard regelmäßig nicht. Der Schutzstatus ist also kein Automatismus – er muss erarbeitet und bewiesen werden.
Was sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“?
Die gesetzlichen Vorgaben verlangen keine Perfektion, wohl aber Verhältnismäßigkeit. Ob Maßnahmen „angemessen“ sind, richtet sich nach dem Wert der Information, der Unternehmensgröße, der Branche und dem Stand der Technik. In der Praxis bedeutet das:
- Zutritts- und Zugriffskontrollen (IT & physisch)
- Verschlüsselungstechnologien
- vertragliche Regelungen (insb. NDAs mit Geschäftspartnern und Arbeitnehmern)
- Schulungen, Need-to-know-Prinzipien, organisatorische Regeln
- klare Kennzeichnung von Informationen
Wichtig ist: Nur wer den Schutz dokumentiert und seine Maßnahmen an den Einzelfall anpasst, wird im Streitfall bestehen. Das Gesetz kehrt die Beweislast um – der Inhaber muss darlegen können, dass sein Geheimnis tatsächlich ein solches ist.
Beiträge bei uns zum Geschäftsgeheimnisschutz bei uns:
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen
- Was ist ein Geschäftsgeheimnis
- Wem gehören die Kundendaten
- Verwendung von Geschäftsgeheimnissen durch Arbeitnehmer
- Aneignen von Geheimnissen durch Mitnahme von Datenträger
- Geheimnisverrat durch private Mail?
- Haftung der Geschäftsführung für IT-Sicherheitslücken
- Ist „Whistleblowing“ zulässig – sowie “Die Whistleblower-Richtlinie“
Reverse Engineering, Whistleblowing und Informationsrechte
Nicht jede Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses ist unrechtmäßig. Reverse Engineering – also das Rückentwickeln legal erworbener Produkte – ist unter bestimmten Umständen ausdrücklich zulässig. Ebenso gibt es eine gesetzliche Ausnahme zugunsten von Whistleblowern, wenn die Offenlegung im öffentlichen Interesse erfolgt. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Die Regelung ist unbestimmt und birgt erhebliche Bewertungsrisiken für Unternehmen wie Hinweisgeber.
Auch Informationsansprüche aus dem Arbeitsrecht, etwa Beteiligungsrechte von Betriebsräten, oder Transparenzgesetze gegenüber Behörden können mit Geschäftsgeheimnissen kollidieren – hier sind präventive Schutzstrategien und differenzierte Abwägungen gefragt.
Was droht im Fall der Rechtsverletzung?
Wer ein Geschäftsgeheimnis unrechtmäßig erlangt, nutzt oder offenlegt, kann auf Unterlassung, Schadensersatz, Herausgabe oder Rückruf in Anspruch genommen werden. Auch zivilrechtliche Beweissicherungsansprüche sind vorgesehen. Der Clou: Diese Ansprüche greifen nur, wenn ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 2 GeschGehG vorliegt. Fehlt es z. B. an angemessenen Schutzmaßnahmen, verliert das Unternehmen jeglichen Anspruch – selbst wenn die Information wirtschaftlich hoch bedeutsam ist.
Fazit für das Management: Das Geschäftsgeheimnisgesetz verlangt einen Paradigmenwechsel: Vom bloßen Vertrauen in Loyalität und Stillschweigen hin zu aktivem Schutzmanagement. Geschäftsgeheimnisse sind kein Selbstläufer mehr – sie müssen rechtlich und technisch gepflegt werden. Wer nicht handelt, verliert nicht nur Informationen, sondern auch die Möglichkeit, sie als „Geheimnis“ zu verteidigen.
Cybersicherheit als Voraussetzung – nicht Kür
In einer vernetzten Wirtschaft ist Cybersicherheit der Schlüssel zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Der Gesetzgeber macht hier keine halben Sachen: Wer seine IT-Infrastruktur nicht sichert, erfüllt den gesetzlichen Schutzstandard nicht. Ransomware-Angriffe, Datendiebstahl, Industriespionage – die Gefahren sind real und wachsend. Ein Geschäftsgeheimnis, das durch eine simple Phishing-Mail kompromittiert wird, dürfte im Nachhinein kaum mehr als solches gelten.
Entsprechend rücken Maßnahmen wie verschlüsselter Datenverkehr, Zugriffsprotokollierung, sichere Endgeräte und regelmäßige Penetrationstests ins Zentrum der Compliance-Organisation. Besonders KMU unterschätzen oft den Aufwand – und die rechtlichen Folgen.
- Kein Schadensersatz wegen Scraping bei vorheriger Veröffentlichung der Telefonnummer - 17. Juni 2025
- Zerschlagung des Archetyp Markets - 17. Juni 2025
- Bundesweite Zoll-Razzia gegen Schwarzarbeit auf dem Bau 2025 - 17. Juni 2025