Wettbewerbliche Eigenart und wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach dem UWG: Das Wettbewerbsrecht bietet einen eigenen Anspruch auf Unterlassung bei der Nachahmung von Produkten – der eine geringe Anspruchshürde darstellt. Es bietet sich damit über eine Prüfung im Wettbewerbsrecht ein Unterlassungsanspruch gegen Nachahmer, der neben den drei „grossen“ Ansprüchen – Urheberrecht, Markenrecht, Designrecht – existiert.
Das Besondere beim Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht ist, dass das Erreichen der Schutz-Schwelle sehr schnell erreicht werden kann. Insbesondere bedarf es keiner besonderen Schöpfungshöhe soweit es sich im Kern um ein unterscheidbares und dem Hersteller zuzuordnendes Produkt handelt. Beachten Sie dabei, dass parallel auch eine Behinderung eines Mitbewerbers bei systematischer Nachahmung vorliegen kann.
Hinweis: Der früher in §4 Nr. 9 Buchst. a bis c UWG aF geregelte lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz findet sich nunmehr ohne inhaltliche Änderung in der Bestimmung des §4 Nr. 3 Buchst. a bis c UWG, frühere Rechtsprechung bitte entsprechend lesen.
Leistungsschutz im Wettbewerbsrecht
Nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung von Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt.
Dabei ist zwischen einer unmittelbaren und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, dass es sich bei der Nachahmung um das Originalprodukt handelt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr von geschäftlichen oder organisatorischen – etwa lizenzrechtlichen oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht oder die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält.
Soll die Annahme einer vermeidbaren Herkunftstäuschung mit dem Argument bejaht werden, die angesprochenen Verkehrskreise könnten annehmen, zwischen dem Hersteller des Originalprodukts und dem Anbieter der Nachahmung bestünden lizenzvertragliche Beziehungen, müssen bei einer deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit einem abweichenden Herstellerkennzeichen – über die Nachahmung hinausgehende – Anhaltspunkte vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen.
Ein solches Indiz kann etwa darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat oder die Parteien früher durch einen Lizenzvertrag verbunden waren. Soweit die Gefahr einer Herkunftstäuschung damit begründet werden soll, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, sind entsprechende Feststellungen zu den Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Markt und zum Verständnis der von den Produkten angesprochenen Verkehrskreise zu treffen.
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Voraussetzung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes: Wettbewerbliche Eigenart
Das Angebot einer Nachahmung durch einen Mitbewerber kann wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Eine unlautere Rufausnutzung kann hierbei nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert:
Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG ist weit auszulegen. Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein. Maßgebend ist, ob dem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, ob also seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2016 – I ZR 58/14, BGHZ 210, 144 [juris Rn. 44] – Segmentstruktur, mwN). Die für die Prüfung der wettbewerblichen Eigenart erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und ihre Würdigung liegen auf tatgerichtlichem Gebiet (BGHZ 210, 144 [juris Rn. 59] – Segmentstruktur, mwN). Sie sind im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob sich das Tatgericht mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf.
BGH, I ZR 15/22
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.
In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (I ZR 176/14) finden sich Ausführungen zur durchaus komplexen Frage, wann im Wettbewerbsrecht ein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz vor Nachahmung besteht. Diese setzt unter anderem eine feststellbare wettbewerbliche Eigenart voraus:
Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz besteht, wenn ein Unternehmer das Leistungsergebnis eines Mitbewerbers nachahmt und auf dem Markt anbietet, das über wettbewerbliche Eigenart verfügt, sofern besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen, und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (…)
Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart (…) der Art und Weise und der Intensität der Übernahme (…) sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen (…) Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die die Unlauterkeit begründende Herkunftstäuschung und ihre Vermeidbarkeit zu stellen und umgekehrt (…) Weitere Voraussetzung wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung ist, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit bei erheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (…)
Allerdings darf sich dies nicht in Allgemeinheiten verlieren. Eine etwa beworbene „gute und professionelle Beratung“ ist kein besonderes Merkmal einer Beratungsleistung und damit nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart einer solchen Dienstleistung zu begründen. Dasselbe gilt für einen „Service in gewohnt guter Qualität“ (zu allem dem siehe BGH, I ZR 243/16). Das OLG Köln drückt die Feststellung einer wettbewerblichen Eigenart so aus:
Wettbewerblichen Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es nicht darauf an, dass der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, dass der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden. Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nachgeahmten Erzeugnisses abzustellen, wobei sich der Verkehr grundsätzlich nur den äußeren Gestaltungsmerkmalen orientieren kann. Aus normativen Gründen nicht berücksichtigt wird eine Gestaltung, die technisch notwendig ist, ohne dass technisch gleichwertige Lösungsalternativen zur Verfügung stehen (st. Rspr., zuletzt z.B. BGH, GRUR 2018, 311 – Handfugenpistole, Juris-Tz 14; BGH GRUR 2017, 1133 – Leuchtballon, Juris-Tz. 20, jew. m.w.N.) – Oberlandesgericht Köln, 6 U 95/17
Leistungsschutz: Geringere Anforderungen an wettbewerbliche Eigenart
Dabei ist zu sehen, dass die notwendige wettbewerbliche Eigenart im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes selbstständig zu prüfen ist und durchaus geringere Anforderungen – als etwa die Schöpfungshöhe im Urheberrecht – haben kann:
Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (…) Für die Bestimmung der wettbewerblichen Eigenart ist auf den Gesamteindruck des nach- geahmten Erzeugnisses abzustellen. Dieser kann durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrer Kombination geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Produkts aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (…)
Dadurch wird über das Wettbewerbsrecht eine Kontrolle eröffnet, die möglicherweise alleine über das Urheberrecht oder Markenrecht verschlossen bleibt.
Vorliegen einer Nachahmung
Ein Verstoß gegen den in § 4 Nr. 3 UWG normierten wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz setzt die Nachahmung einer Ware oder Dienstleistung voraus.
Für die Annahme einer solchen Nachahmung muss der Hersteller im Zeitpunkt der Herstellung des Produkts das Original als Vorbild kennen, weil eine Nachahmung anderenfalls begrifflich ausscheidet. Darüber hinaus muss das Produkt mit dem Originalprodukt übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich in ihm wiedererkennen lässt. Das Originalprodukt muss zwar nicht in allen seinen Gestaltungsmerkmalen übernommen worden sein. Bei einer nur teilweisen Übernahme muss sich die wettbewerbliche Eigenart des Originals aber gerade aus dem übernommenen Teil ergeben. Es müssen somit gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, die wettbewerbliche Eigenart zu begründen. Dabei wird in der Rechtsprechung zwischen der identischen Nachahmung, der nahezu identischen und der nachschaffenden Nachahmung unterschieden, so dass hier jeweils unterschiedliche Kriterien heran zu ziehen sind.
Aber: Nicht Gegenstand des Schutzes ist hingegen die abstrakte Idee hinter dem Produkt, wenn es darauf hinaus läuft, dass man einen „Ideenschutz“ anstrebt wird der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz nicht eröffnet (so ausdrücklich Oberlandesgericht Köln, 6 U 170/16).
Täuschung über die betriebliche Herkunft
Mit § 4 Nr. 3 UWG handelt also unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne):
- eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt.
- eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt dagegen vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen – wie lizenz– oder gesellschaftsvertraglichen – Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht
Keine Nachahmung bei Vermeidbarkeit der Herkunftstäuschung
Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist zunächst eine gewisse Bekanntheit des Originals bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung.
Die Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn man sich in der konkreten gestalterischen Umsetzung dicht an die Originale angenähert, obwohl nahezu unbegrenzt viele Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Allerdings kann im Fall der nachschaffenden Übernahme unter Verwendung einer dem Stand der Technik entsprechenden angemessenen technischen Lösung eine verbleibende Herkunftstäuschung hinzunehmen sein, wenn der Nachahmer die ihm zumutbaren Maßnahmen trifft, um einer Herkunftstäuschung entgegenzuwirken, der BGH (I ZR 2/16) führt hierzu aus:
Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen, bei der das Interesse des Herstellers des Originalprodukts an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 35 f. – Regalsystem; GRUR 2015, 909 Rn. 33 – Exzenterzähne; GRUR 2016, 730 Rn. 68 – Herrnhuter Stern). Die Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 38 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 42 – Einkaufswagen III; GRUR 2015, 909 Rn. 34 – Exzenterzähne; GRUR 2016, 730 Rn. 68 – Herrnhuter Stern). Hingegen kann die Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Wettbewerbern ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 Rn. 46 – Seilzirkus; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 35 – Exzenterzähne). Ein strengerer Maßstab gilt lediglich im Falle der (fast) identischen Übernahme (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 21/11, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 = WRP 2012, 1379 – Sandmalkasten; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 36 – Exzenterzähne).
Die Frage, ob eine Herkunftstäuschung vermeidbar ist und welche Maßnahmen der Wettbewerber treffen muss, um eine Herkunftstäuschung zu verhindern, unterliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2001 – I ZR 199/09, GRUR 2002, 275, 277 = WRP 2002, 207 – Noppenbahnen; BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 34 – Regalsystem; GRUR 2016, 730 Rn. 69 – Herrnhuter Stern).
Vortrag zum Leistungsschutz im Zivilprozess
Der BGH (I ZR 91/16) hat klargestellt, dass der Kläger, der für ein Produkt wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch nimmt, zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen muss. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und deren Merkmale deutlich erkennen lassen. Im Regelfall wird der Kläger gehalten sein, dem Gericht das einen Schutz beanspruchende Produkt vorzulegen.
Hat der Kläger dann nachgewiesen, dass die Merkmale seines Produkts grundsätzlich geeignet sind, eine wettbewerbliche Eigenart zu begründen, ist der Beklagte für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, der Annahme wettbewerblicher Eigenart stehe der nicht nur geringfügige Vertrieb des Produkts unter fremder Kennzeichnung entgegen. Soweit der Beklagte zum Umfang der Fremdkennzeichnung nicht aus eigener Anschauung vortragen kann, obliegt dem Kläger eine sekundäre Darlegungslast.
Steht fest, dass das Produkt, für das der Kläger Schutz beansprucht, in nicht nur geringfügigem Umfang unter fremder Kennzeichnung vertrieben worden ist, ist der Kläger für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig, bei der Fremdmarke handele es sich nicht um eine Herstellermarke, sondern um eine für die wettbewerbliche Eigenart unschädliche Handelsmarke.
Ausgewählte Fälle zum wettbewerbsrechtlichen Schutz
Wettbewerbliche Eigenart bei Modeprodukten
Das OLG Köln (6 U 197/16) konnte diese Rechtsprechung im Hinblick auf Modeprodukte zusammenfassen:
Für die Annahme wettbewerblicher Eigenart genügt es, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Produkten Wert auf deren betriebliche Herkunft legt und aus deren Gestaltung Anhaltspunkte dafür gewinnen kann. Dafür wiederum ist maßgeblich, ob sich das unter Rückgriff auf vorhandene Formen und Stilelemente entwickelte Leistungsergebnis von anderen vergleichbaren Erzeugnissen in einem Maß abhebt, dass hierdurch im angesprochenen Verkehr die Vorstellung ausgelöst wird, dieses Produkt stamme aus einem bestimmten Betrieb (BGH, WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 19 – Sandmalkasten; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 18 – Einkaufswagen III; Senat, GRUR-RR 2013, 24, 25 – Gute Laune Drops, jeweils m. w. N.). Der Gesamteindruck eines Erzeugnisses kann dabei durch Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf dessen Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Derartige Gestaltungsmerkmale können in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, da dieser von dem Gesamteindruck abhängt, den die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des jeweiligen Erzeugnisses vermitteln (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 34 – LIKEaBIKE; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 19 – Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 20 – Einkaufswagen III). Dabei kann auch die als neu empfundene Kombination bekannter Gestaltungselemente eine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH, WRP 2006, 75 = GRUR 2006, 79 Tz. 26 – Jeans I; WRP 2008, 1510 = GRUR 2008, 1115 Tz. 22 – ICON). Abzustellen ist nicht auf einzelne Gestaltungsmerkmale, sondern auf den durch seine prägenden Merkmale hervorgerufenen Gesamteindruck des jeweiligen Produkts (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 32 – LIKEaBIKE; Senat, WRP 2013, 1500 = GRUR-RR 2014, 65, 66 – Pandas).
Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.).
Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz auch für Schuhmodelle
Ich bin beim OLG Frankfurt am Main (6 U 276/12) auf eine Entscheidung gestossen, die in verallgemeinerter Form von beachtlichem Interesse sein sollte. Es ging um zwei „namhafte Schuhhersteller“, die sich über die Nachahmung von Schuhmodellen stritten. Der eine verlangte vom anderen, die Nachahmung eines Schuhmodells zu unterlassen – aber nicht weil es sich um eineingetragenes Design (früher Geschmacksmuster) handelt, sondern weil es eine wettbewerbsrechtlich relevante und zu unterlassende Nachahmung handelt. Die Gegenseite konterte vorhersehbar u.a. mit dem Einwand, dass es sich um allerweltsmodelle handelt, die so in Masse hergestellt und verkauft werden. Das OLG entschied dann
Ein Schuh verfügt über die für einen wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart, wenn er sich auf Grund seiner Gestaltungsmerkmale aus der Masse vergleichbarer Produkte heraushebt (im Streitfall bejaht für einen Damenpumps mit Plateausohle und „stupsnasenförmiger“ Schuhspitze). Die Nachahmung eines solchen Schuhs begründet den Vorwurf einer unlauteren vermeidbaren Herkunftstäuschung, wenn die für die wettbewerbliche Eigenart maßgeblichen Merkmale fast identisch übernommen werden und weitere Begleitumstände den Schluss zulassen, dass der Hersteller des angegriffenen Modells sich bewusst dem Originalerzeugnis angenähert hat.
Von einer Darstellung der einzelnen Kriterien sehe ich hier ab. Wichtig ist, dass das subjektive Empfinden („Massenware“) keinen Ausschlag gibt. Tatsächlich gab es Abstriche bei anderen Modellen, dennoch ist das Fazit: Es gibt einen wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz grundsätzlich auch bei so etwas profanem wie Schuhmodellen. Man sollte es sich daher niemals zu leicht machen, wenn sich plötzlich ein Mitbewerber meldet und eine Unterlassung fordert.
Wettbewerbsrechtlicher Schutz für gastronomisches Konzept
Auch ein gastronomisches Konzept, also die Gesamtheit wie sich ein Restaurant oder eine Restaurant-Kette präsentiert, kann geschützt sein. Einzelne Markante Elemente wie etwa die Gestaltung einer Speisekarte sind hier ausreichend, um bereits in die Prüfung einzusteigen. Ich habe dies hier näher geschildert.
Schutz von Replikas
Eine Nachahmung iSd § 4 Nr. 3 UWG eines Nachbaus eines originalen Produkts – etwa in Form einer Waffen-Replika – ist zwar grundsätzlich denkbar und möglich. Dazu muss jedoch der Nachbau selbst über wettbewerbliche Eigenart verfügen und bei den angesprochenen Verkehrskreisen entsprechende Herkunftsvorstellungen auslösen können.
Dies ist etwa bei einem tatsächlich existierenden Verkehrsmittel nachempfundenen Modell anzunehmen, wenn es sich zwar stark an dem Original orientiert, daneben aber eigene Gestaltungselemente verwirklicht, die übernommen worden sind (dazu OLG Hamburg, 5 U 54/08 und Oberlandesgericht Köln, 6 U 212/18).
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