Das Arbeitsgericht Aachen, 8 Ca 3432/20, konnte sich zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers wegen eines Datenschutzverstoßes sowie der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Arbeitskollegen äussern. Hierzu hat das Gericht festgestellt, dass ein gezieltes Durchsuchen eines Dienstcomputers nach privater Korrespondenz eines Arbeitskollegen samt Sicherung und Weitergabe an Dritte (hier: an die Staatsanwaltschaft) bereits „an sich“ ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung sein kann.
DSGVO-Verstoß als Kündigungsgrund
Das Arbeitsgericht führt dann aus, dass schon die rechtswidrige Datenverarbeitung für sich betrachtet den Weg zur Kündigung eröffnet:
Rechtswidrige Datenverarbeitungen des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, die mit Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts etwa von Arbeitskollegen einhergehen, können dazu geeignet sein, bei entsprechender Schwere des Verstoßes „an sich“ einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer Kündigung auszumachen, auch wenn die in Rede stehenden Daten nicht dem Schutzbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen unterliegen (…)
Insoweit handelt es sich nämlich zugleich um – mitunter schwere – Verstöße gegen arbeitsvertragliche Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§§ 611a Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB). Es ist allgemein anerkannt, dass auch rechtswidrige Handlungen gegenüber Arbeitskollegen (z. B. Beleidigungen, Tätlichkeiten, Mobbing) mit Betriebsbezug einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer Kündigung bedingen können und der Arbeitgeber insoweit nicht unmittelbar geschädigt werden muss. Dies gilt ebenso, wenn ungerechtfertigte Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und rechtswidrige Verarbeitungen personenbezogener Daten von Arbeitskollegen erfolgen und die Handlung schwerwiegend ist. Denn damit werden zugleich das Betriebsklima und ggf. auch – wie hier – das Vertrauensverhältnis belastet. Überdies wird der Arbeitgeber genötigt, sich mittels arbeitsrechtlicher Maßnahmen schützend vor die betroffenen Kollegen zu stellen.
Whistleblowing?
Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer dabei Beweise für ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren sichern möchte, ohne von seinem Arbeitgeber mit solchen Ermittlungen betraut worden zu sein: Das Arbeitsgericht führt insoweit zutreffend aus, dass delbst wenn man zugunsten des schnüffelnden Kollegen unterstellen möchte, dass eine Beweissicherung sinnvoll gewesen wäre, es sich nicht um dessen Aufgabe handelte, eine solche vorzunehmen, etwa weil man Vorgesetzter wäre.
Daher gestattete dann auch Art. 88 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG die Datenverarbeitung nicht, denn diese Vorschrift bildet einen Erlaubnistatbestand nur für die durch den datenschutzrechtlich Verantwortlichen mit der Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis betrauten Personen.
Anhaltspunkte für eine bevorstehende unwiederbringliche Löschung der betroffenen Inhalte (hier: Chatverläufe), war auch der Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 34 Satz 1 StGB für den Datenzugriff und die damit einhergehende Verletzung jedenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie die Datenverarbeitung nicht diskutabel. Die Weitergabe der Daten an die Staatsanwaltschaft macht es dabei nicht besser:
Durch die Weitergabe der rechtswidrig erlangten Daten sowohl an Frau X. als auch an die Staatsanwaltschaft Aachen vertiefte die Klägerin den vorherigen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Herrn D..
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Klägerin die zufällig aufgefundene E-Mail von Herrn T. ohne Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten an die Staatsanwaltschaft Aachen weitergeben durfte oder nicht. Erst nach rund einer Woche entschloss sich die Klägerin zur Weitergabe der Daten und damit für weitere Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihres Kollegen Herrn D., statt zunächst gänzlich ohne Weitergabe der Daten eine arbeitgeberinterne Klärung z. B. durch Einschaltung des Landeskirchenamtes zu versuchen, zumal die Klägerin eine „Beweissicherung“ zunächst erreicht hatte.
In diesem Zusammenhang ist zwischen einer Weitergabe der erkennbar privaten und rechtswidrig erlangten Daten und der Erstattung einer Strafanzeige als staatsbürgerliches Recht zu differenzieren, wobei auch die Erstattung einer Strafanzeige gegen einen Repräsentanten des Arbeitgebers und die Übergabe von Unterlagen an Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei zumindest leichtfertig falschen Angaben gegenüber Strafverfolgungsbehörden oder missachteter, aber offensichtlich möglicher innerbetrieblicher Möglichkeit zur Klärung – ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sein kann (dazu BAG 15.12.2016 – 2 AZR 42/16, Rn. 14 f.; BAG 07.12.2006 – 2 AZR 400/05, Rn. 14 ff.; BAG 03.07.2003 – 2 AZR 235/02, zu II. 3. der Gründe; Vossen, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Aufl. 2021, § 626 BGB Rn. 190 ff. m.w.N.).
Das Thema ist noch nicht durch, das Rechtsmittel zum Landesarbeitsgericht Köln, 4 Sa 290/21, ist anhängig.
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