Überprüfung von E-Mail-Korrespondenz Angestellter

Das Landesarbeitsgericht Köln, 9 TaBV 125/18, hat hervorgehoben, dass ein Arbeitgeber, will er anlässlich von Vorwürfen gegen die Geschäftsführung im Rahmen einer internen Untersuchung die E-Mail-Korrespondenz von nicht leitenden Arbeitnehmern überprüfen, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einzuholen hat. Tut er dies nicht, kann der Betriebsrat

  1. von ihm Auskunft über die Namen der betroffenen , die Mitteilung des personenbezogenen Anlasses für deren Überprüfung sowie künftige Unterlassung beanspruchen sowie
  2. zur Beseitigung der Folgen des mitbestimmungswidrigen Verhaltens verlangen, dass der Arbeitgeber auf mit der Untersuchung beauftragte Dritte dahingehend einwirkt, dass sie weitergeleitete Daten löschen und Ausdrucke vernichten.

Spannend an dem Punkt ist natürlch die Frage des Beweisverwertungsverbots. Hier ist es mit dem LAG nun nicht so, dass alle von der Arbeitgeberin erhobenen und verarbeiteten Daten ohnehin einem unterliegen würden, schlicht weil sie mitbestimmungswidrig oder in sonstiger Weise rechtswidrig erhoben worden wären:

(1) Beweismittel, die durch , oder sonst wie gesetzeswidrig erlangt wurden, unterliegen nicht grundsätzlich einem Beweisverwertungsverbot. Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Bestimmungen, welche die Verwertbarkeit von Erkenntnissen oder Beweismitteln einschränken, die eine Arbeitsvertragspartei rechtswidrig erlangt hat (BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 14). Und auch die gesetzlichen Vorschriften, gegen die bei der Erlangung verstoßen wurde, dienen nach ihrem Schutzzweck regelmäßig nicht einem Beweisverwertungsverbot (Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der , Band 1, 4. Aufl. 2019, Kapitel 6, Rn. 31).84

(1.1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für ein Beweisverwertungsverbot vielmehr auf die Frage an, ob ein Eingriff in das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt und ob dieser Eingriff zulässig ist (BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 27, juris).85

(1.1.1) Daher greift in einem Rechtstreit jedenfalls dann kein Verwertungsverbot zugunsten der Arbeitnehmer ein, wenn der Arbeitgeber die betreffende Erkenntnis oder das fragliche Beweismittel im Einklang mit den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften erlangt und weiterverwandt hat (BAG, Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 –, Rn. 49, juris). Die Bestimmungen des Datenschutzes konkretisieren und aktualisieren insoweit für den Einzelnen den Schutz seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 29, juris). Ist eine Maßnahme nach den Vorschriften des Datenschutzrechts zulässig, liegt demnach keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor (BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 15). Ein Verwertungsverbot scheidet von vornherein aus (BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 30, juris). § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF, und § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG sind eigenständige Erlaubnisnormen für die Verarbeitung und Nutzung von Daten im Beschäftigungsverhältnis, wenn die Maßnahmen des Arbeitgebers zur Überwachung der Korrespondenz oder sonstiger Kommunikation von Arbeitnehmern von angemessenen und ausreichenden Garantien gegen Missbrauch begleitet werden (EGMR, Urteil vom 5. September 2017 – 61496/08 –, NZA 2017, 1443, 1446 „Barbulescu/Rumänien“). Der Arbeitgeber darf deshalb grundsätzlich sowohl für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses als auch für die Vorbereitungen zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kontrollieren, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt, und zu diesem Zweck Daten erheben, verarbeiten oder nutzen (BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 35, juris). In diesem Rahmen ist er auch berechtigt, Daten zur Vorbereitung einer rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer an Dritte weiterzuleiten (vgl. BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 22).86

(1.1.2) Aber selbst wenn eine Datenerhebung und -verwertung nach den Bestimmungen des Datenschutzes nicht erfolgen durfte, wäre ein Beweisverwertungsverbot nicht die zwingende Folge dieses Rechtsverstoßes. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Verwertung eines gewonnenen Beweismittels durch das Gericht einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff darstellen würde bzw. auf Grund einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu unterlassen wäre, und deshalb ein Verwertungsverbot zwingend geboten ist (BAG, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –, BAGE 163, 239-256, Rn. 14, 15; BAG, Urteil vom 28. März 2019 – 8 AZR 421/17 –, Rn. 27, 28, juris). Weder die Verletzung eines Mitbestimmungstatbestands noch die Nichteinhaltung einer Betriebsvereinbarung und deren Verfahrensregelungen allein kann es aber rechtfertigen, einen entscheidungserheblichen, unstreitigen Sachvortrag der Parteien nicht zu berücksichtigen und im Ergebnis ein “Sachverhaltsverwertungsverbot” anzuerkennen (BAG, Urteil vom13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06 –, Rn. 26, juris).

Das entspricht gefestigter Rechtsprechung: Ein Beweisverwertungsverbot ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts aus verfassungsrechtlichen Gründen nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wurden, geboten. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist – und der macht ein Verwertungsverbot rechtswidrig erlangter Beweismittel ebenfalls von dem Ergebnis der Abwägung zwischen den Rechten des Betroffenen auf der einen und den für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interessen auf der anderen Seite abhängig.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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