Tesla Files und die Zulässigkeit der Veröffentlichung

Der Wirtschaftszeitung Handelsblatt wurden nach eigenen Angaben umfangreiche Datenmengen von rund 100 Gigabyte aus Quellen zugespielt, die direkt aus dem Herzen des derzeit weltweit wohl führenden Herstellers von Elektrofahrzeugen Tesla stammen sollen.

Die als „Tesla-Files“ bezeichneten Informationen umfassen nach dortigem Bericht mehr als 23.000 Dokumente. Einige der Dokumente sollen Gehaltsinformationen und Wohnadressen von mehr als 100.000 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern enthalten. Andere Dokumente scheinen private E-Mail-Konten und Telefonnummern von Kunden aufzulisten, hinzu kommen laut Handelsblatt wohl umfangreiche interne Informationen zu gemeldeten Vorfällen mit Tesla-Pkw. Hier soll es weniger um die Inhalte als um die spannenden rechtlichen Umstände der Publikation gehen.

Tesla-Files: Erlangte Daten

Von außen kann natürlich nicht abschließend beurteilt werden, woher die Daten stammen. Das Handelsblatt berichtet sinngemäß, dass Tesla einen ehemaligen Mitarbeiter verdächtigt, Daten unter Verletzung von Geheimhaltungspflichten weitergegeben zu haben. In dem Bericht heißt es, dass es sich um einen verärgerten ehemaligen Mitarbeiter handeln soll, der seinen Zugang als Servicetechniker missbraucht haben soll, um Informationen nach außen zu tragen (dazu auch die Antwort von Tesla an das Handelsblatt).

Dass es sich in einem solchen Fall um eine Straftat handelt, sollte nicht überraschen: Mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH liegt etwa schon ein Ausspähen von Daten (§202a StGB) vor, wenn ein Admin zwar keine technischen Hürden, wohl aber arbeitsvertragliche Grenzen überschreitet. Daneben kann das Geschäftsgeheimnisschutzgesetz betroffen sein, was aber regelmäßig kritisch zu prüfen ist dahin, ob auch geeignete Geheimhaltungsmaßnahmen des Unternehmens getroffen wurden – wobei allgemeine Daten von Beschäftigen kein Geschäftsgeheimnis sind.

Hinzu kommen die üblichen Schutzrechte: Viele der Daten werden urheberrechtlich abgesichert sein, wenn Teil der kopierten Daten auch noch technische Unterlagen wären, wäre man schnell im Bereich der gewerblichen Schutzrechte, dazu verweise ich auf die übliche Übersicht hier im Blog.

Schutzrechte im Überblick

Wir beraten rund um Schutzrechte, speziell bei Geschäftsgeheimnissen, im Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Markenrecht – dabei unterstützen wir Unternehmen bei der Rechtsdurchsetzung und Verteidigung ihrer Schutzrechte, speziell beim Schutz von Technologien wie Software.

Urheberrecht

Durch das UrhG werden eigene Schöpfungen geschützt (keine Ideen)

  • Schutz von Werken
  • persönliche geistige Schöpfung
  • Schutz von konkreter Ausdrucksform, aber kein Schutz gegen parallele Schöpfungen

Markenrecht

Schutz von Kennzeichen zur Abgrenzung von Waren oder Leistungen

  • Schutz der Unterscheidungsfunktion von Kennzeichen
  • Unterscheidungskraft ist nötig
  • Schutz gegen unbefugte Nutzung der

Design

Schutz äußerlicher Erscheinung, primär nach Designrecht, aber auch nach Wettbewerbsrecht

  • Es wird die 2D/3D Form eines Objekts oder eines Teils davon bzw. seiner Dekoration geschützt
  • Eigenart und Neuheit des Designs sind nötig
  • Schutz des ausschließlichen Rechts der Benutzung inkl. Herstellen und Inverkehrbringen
  • Im UWG nach §4 Nr.3 UWG

Geheimnisschutz

Schutz wertvoller Informationen eines Betriebes

  • Schutz von Information mit Wert, die nicht allgemein bekannt ist
  • Nötig sind wirtschaftlicher Wert, Schutzmaßnahmen und berechtigtes Interesse
  • Schutz gegen unbefugte Verbreitung oder Erlangung der Information

Patent

Schutz technischer Innovation

  • Schutz einer Erfindung
  • Es muss sowohl eine „Erfindung“ im juristischen Sinne aber auch als Neuheit vorliegen
  • Umfassender Schutz gegen jegliche Nutzung

Jedenfalls sollte es nicht überraschen, dass wenn ein Mitarbeiter firmeninterne Unterlagen kopiert und nach außen trägt, dies rechtlich bedenklich ist, gleich ob er es per Mail tut, auf einem Datenträger oder diese schlicht löscht.

Hinweis: Hier gänzlich außen vor bleibt die Frage, ob besondere Betrachtungen aufgrund eines Whistleblower-Status angezeigt wären. Zum einen fehlen mir dafür schon konkrete Informationen, jedenfalls wenn direkt an die Öffentlichkeit bzw. Presse gegangen wird ohne internen Klärungsprozess, wird dies wohl keinen besonderen Schutz begründen.

Zulässigkeit der Veröffentlichung

Der Einfachheit halber möchte ich einen Ausflug in das machen, weil die hier anzustellenden rechtlichen Erwägungen im Ergebnis auf den vorliegenden Fall mit seiner vielschichtigen rechtlichen Bedeutung übertragbar sein dürften: Letztlich ist über die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Daten mit persönlichkeitsrechtlichem Bezug aufgrund einer Abwägung des Rechts auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK zu entscheiden.

Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht ist seine Reichweite nicht absolut determiniert, sondern erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange zu bestimmen, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange des anderen überwiegt. Ähnlich wird man beim Unternehmenspersönlichkeitsrecht argumentieren, ebenso wie bei anderen betroffenen Schutzrechten (z.B. aus dem Urheberrecht), die nicht grundsätzlich, sondern nur im Rahmen einer Abwägung geeignet sind, das Recht der Presse auf freie Arbeit und Veröffentlichung zu tangieren. Die Kriterien sind letztlich teilweise dieselben, jedenfalls vergleichbar.

Tesla Files. Fachanwalt für IT-Recht Ferner zur Zulässigkeit der Veröffentlichung der Tesla Files durch das Handelsblatt

Ich fand diese Thematik insgesamt schon immer spannend, darum finden Sie hier im Blog eine zusammenfassende Darstellung zur Veröffentlichung von Briefen, Mails und Abmahnungen – auch unter besonderer Berücksichtigung der Frage rechtswidrig erlangter Informationen.

Dabei kommt es in erster Linie auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor Eingriffen in die Privat- oder Intimsphäre, vor herabsetzenden, insbesondere ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass dem Betroffenen Äußerungen unterstellt werden, die er nicht getan hat. Einen besonderen Schutz genießen Briefe und andere private Aufzeichnungen. Sie dürfen in der Regel nicht ohne Zustimmung des noch lebenden Verfassers veröffentlicht werden.

Im Rahmen der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob rechtswidrig beschaffte oder erlangte Informationen veröffentlicht werden. Maßgeblich für die Abwägung ist das Gewicht des Informationsinteresses der Öffentlichkeit. Zu den Aufgaben der Medien gehört die öffentliche Berichterstattung über Straftaten und in den Grenzen zulässiger auch die Berichterstattung über ein nur mögliches Fehlverhalten. Ein gesteigertes Informationsinteresse besteht unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle bei Personen des politischen . Denn sie stehen in besonderem Maße für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenseinstellungen, bieten Orientierung für eigene Lebensentwürfe, werden zu zentralen Figuren gesellschaftlicher Zustimmung oder Ablehnung und erfüllen Leitbild- oder Kontrastfunktionen (so einmal eine schöne Zusammenfassung des Kammergerichts).

Inzwischen hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter oder beschaffter Informationen vom Schutz der umfasst ist. Werden rechtswidrig erlangte Informationen zum Zwecke der Berichterstattung verwertet, kommt es bei der Abwägung zwischen dem von der Presse verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit andererseits mit dem BGH maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und die Mittel an, mit denen dieser Zweck verfolgt wird. Insoweit siehe obige Ausführungen.

Fazit zur Veröffentlichung der Tesla Files

Ich habe versucht aufzuzeigen, dass ein durchaus anspruchsvoller Abwägungsprozess stattzufinden hat, bevor veröffentlicht wird – das Handelsblatt hat seine Entscheidung insoweit öffentlich dokumentiert, was auch in juristischer Hinsicht eine kluge und durchdachte Entscheidung ist. Die Entscheidung des Handelsblattes erscheint mir vertretbar, insbesondere, da man sich an der Frage der Zuverlässigkeit und Gefährlichkeit des „Autopiloten“ aufhängt, was über die konkret betroffenen Kunden hinaus auch andere Verkehrsteilnehmer interessiert.

Man wird abwägen müssen, ob Tesla ein Unternehmen im öffentlichen Interesse in dem Sinne ist, dass darüber hinaus auch Interna publiziert werden dürfen, wie es das Handelsblatt getan hat, etwa zu dem konkret eingesetzten Support-System (es soll JIRA sein) und dem Vorhalt, es gäbe keine brauchbare Rechtekontrolle bei den Nutzern. Dabei muss sicherlich in der Berichterstattung nicht jeder einzelne Aspekt gesondert rechtlich geprüft werden, wenn aber klar konturierte Themenbereiche betroffen sind, wird man – gerade bei rechtswidrig erlangten Informationen – jeden Themenbereich für sich einer eigenen Prüfung unterziehen müssen. Die allgemeine Überlegung „Jeder findet Tesla spannend“ wäre jedenfalls ein denkbar ungeeigneter Ansatz für eine Abwägung.

Betroffene, auch wenn sie nur vermeintlich betroffen sind, können sich beim Handelsblatt melden, es wurde eine Webseite eingerichtet zur Prüfung der Daten samt Kontaktaufnahme.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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