Unbefugtes Aneignen von Geschäftsgeheimnis durch Mitnahme von Datenträger

Das Hamburg (4 Ca 356/20) hat in einer streitigen Situation entschieden, dass davon auszugehen ist, dass sich der ein nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 GeschGehG unbefugt angeeignet hat, wenn er den Datenträger, auf den er die Dateien kopiert hat, nicht in den Betriebsräumen der Arbeitgeberin zurückgelassen, sondern mitgenommen hat.

Streitige Mitnahme des Datenträgers

In dem Fall war streitig, ob der Datenträger überhaupt mitgenommen wurde, dies aber schließt das Arbeitsgericht aus den Gesamtumständen:

Das folgt insbesondere aus dem Umstand, dass der Kläger trotz des von ihm vorgetragenen Kontakts mit Kollegen am 30.09.2020 einschließlich der Verabschiedung von diesen niemanden über das von ihm behauptete und von der Beklagten bestrittene Zurücklassen der externen Speichermedien in den Betriebsräumen der Beklagten unterrichtet hat und nicht ersichtlich ist, dass eine andere Person die Verfügungsgewalt über diese Speichermedien erlangt hat.

Da der Kläger vorträgt, die Backup-Dateien auf den externen Speichermedien hätten von denjenigen Kollegen, die die noch nicht abgeschlossenen Projekte des Klägers fortführen, genutzt werden können, hätte eine Unterrichtung der Kollegen über den Aufbewahrungsort der Speichermedien nahegelegen.

Dies ist durchaus beachtlich, denn bei einer polizeilichen war der Datenträger nicht gefunden worden – hier kann man, wegen des Überraschungsmoments der , viel hineindeuten. Aus Sicht des Arbeitsgerichts waren aber auch hier keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine größere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags des Arbeitnehmers bestanden hat:

Ein solcher Anhaltspunkt liegt insbesondere nicht in der Erfolglosigkeit der späteren polizeilichen Hausdurchsuchung in der Wohnung des Klägers. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass sich das Speichermedium auch an einem anderen Ort außerhalb der Betriebsräume der Beklagten und der Wohnung des Klägers befinden kann, zum Beispiel am Arbeitsplatz des Klägers bei seinem neuen Arbeitgeber oder in seiner Ferienwohnung.

In einem strafgerichtlichen Verfahren dürfte man dies durchaus anders deuten können.

Das ArbG nimmt im Übrigen auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Bezug und erläutert, dass in diesem Fall die notwendigen Kosten zur Anspruchsdurchsetzung von dem Arbeitnehmer zu tragen sind. Hinzu kommen sehr detaillierte Ausführungen zur Beweisnot, die zur Vernehmung einer Partei führen können – was hier nicht angezeigt war.

DetaiL: Beweisnot (ab RN. 114)

Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Parteivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer non-liquet-Situation im Übrigen voraus (BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 35 mwN).

Allerdings kann im Fall der Beweisnot einer Partei eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO oder eine Anhörung der Partei nach § 141 ZPO aus dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit notwendig sein. Dieser Grundsatz, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK) erfordern, dass einer Partei, die für ein Vieraugengespräch – anders als die Gegenpartei – keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen; zu diesem Zweck ist die Partei gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO persönlich anzuhören (vgl. BVerfG 21.02.2001 – 2 BvR 140/00 – zu III 1 b der Gründe; EGMR 27.10.1993 – 37/1992/382/460 -; BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 36; BGH 16.06.2016 – I ZR 222/14 – Rn. 33; 08.07.2010 – III ZR 249/09 – Rn. 16, BGHZ 186, 152).

Das Gespräch des Klägers mit dem der Beklagten am 14.09.2020 war kein „Vieraugengespräch“ in diesem Sinn. Denn die den Hauptbeweis schuldige und nicht über einen Zeugen verfügende Beklagte befindet sich zwar in Beweisnot, ist aber gegenüber dem Kläger, der für einen etwaigen Gegenbeweis ebenfalls keinen Zeugen hat, nicht in ihrer prozessualen Waffengleichheit beeinträchtigt. Dass eine beweispflichtige Partei nicht oder nicht mehr auf einen Zeugen zurückgreifen kann, ist nicht selten und stellt ein allgemeines Prozessrisiko dar. Diesem wird durch die Regelungen der §§ 445 ff. ZPO bereits hinreichend Rechnung getragen, ohne dass dabei auf das Erfordernis eines „Anbeweises“ zum Ausgleich einer – hier nicht vorhandenen – prozessualen Ungleichheit verzichtet werden müsste (BAG 18.11.2021 – 2 AZR 229/21 – Rn. 37; BGH 20. Juli 2017 – III ZR 296/15 – Rn. 21).

Die erforderliche gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten besteht nicht. Ihr steht der abweichende Vortrag des Klägers über den Inhalt des Gesprächs vom 14.09.2020 entgegen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine größere Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten besteht.

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Unterlassungsanspruch

Zum der Arbeitgeberin führt das Arbeitsgericht zutreffend aus, dass dies in einem Fall wie dem vorliegenden nicht aus einer Wiederholungsgefahr iSd. § 6 Satz 1 GeschGehG folgen kann: Da der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien keinen Zugang zu den bei der Arbeitgeberin befindlichen elektronischen Dateien mehr hat, ist nicht ersichtlich, dass ein erneutes unbefugtes Aneignen derartiger Daten droht

Aber: Es ist mit § 6 Satz 2 GeschGehG davon auszugehen, dass eine Rechtsverletzung in Bezug auf die konkret genannten Geschäftsgeheimnisse der Arbeitgeberin in der Form der rechtswidrigen Nutzung iSd. § 4 Abs. 2 Nr. 1 a GeschGehG erstmalig droht, denn durch die unbefugte Aneignung der Dateien ist dem Arbeitnehmer eine solche Nutzung möglich. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem anderen Grund die Aneignung erfolgt sein könnte.

Löschung oder Vernichtung?

Am Rande hebt das ArbG hervor, dass die Ansprüche auf Vernichtung und auf Herausgabe elektronischer Dateien nach § 7 Nr. 1 GeschGehG zueinander in einem Alternativverhältnis stehen. Der Gläubiger hat also ein von ihm auszuübendes Wahlrecht:

Es kommt hinzu, dass die Ansprüche auf Vernichtung – hier in Form des Löschens – und auf Herausgabe nach § 7 Nr. 1 GeschGehG nur in einem Alternativverhältnis stehen. Der Gläubiger hat also ein von ihm auszuübendes Wahlrecht (Krbetschek im Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 7 GeschGehG Rn. 15 mwN). Dieses Wahlrecht hat die Beklagte nicht ausgeübt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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