Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hat zusammen mit EUROPOL eine kaum beachtete und hoch interessante Untersuchung des Darknet-Ökosystems erstellt, die erhebliche Einblicke in die Situation der Marktplätze im Darknet gibt.
Insbesondere durch die Schliessung grösserer Darknet-Markplätze (Silk Road, Alphabay, Hansa, Pandora, Silk Road 2.0, Black Market, Blue Sky, Tor Bazaar, Topix, Hydra, Cloud 9 and Alpaca) hat man diverse Daten gewonnen, die zu einer Umfangreichen Analyse führten. Dabei kann durchaus eines überraschen, nämlich das nach Umsätzen Top-Verkaufsland: Deutschland.
Analyse der Darknet-Marketplätze
In einer wirklich herausragenden Übersicht wurden die bis 2018 bedeutsameren Marktplätze herausgearbeitet, in einer zeitlichen Chronik dargestellt und dabei auch deutlich gemacht, ob diese geschlossen wurden und aus welchem Grund.
Insgesamt zeigt sich eine relativ geringe Halbwertzeit, irgendwo zwischen 1 und 3 Jahren als Laufzeit für einen Darknet-Marktplatz drängt sich beim Lesen durchaus auf. Dabei ergibt sich für mich aus der Analyse der Darstellung der Darknet-Markplätze eine interessante Schlussfolgerung im Hinblick darauf, dass es im Wesentlichen drei Endszenarien für derartige Marktplätze gibt:
- Entweder der Marktplatz wird durch Behörden „hoch genommen“, still gelegt und die Nutzerdaten sicher gestellt, was vor allem den grösseren Plattformen zu drohen scheint;
- oder der Markplatz wird durch Dritte gehackt, mit dem Sicherheitsrisiko dass die Nutzerdaten hier an Dritte gelangen, was häufiger vorkommt als die Stilllegung durch Behörden;
- oder es kommt zu einem Exit-Scam, verbunden also mit dem Risiko, dass Bestellungen samt Zahlung angenommen wurden – aber keine Ware mehr versendet wird.
Besteller im Darknet gehen damit also entweder den Weg, bei einer grossen Plattform zu bestellen um einen Exit-Scam zu vermeiden, mit dem erhöhten Risiko erwischt zu werden; oder man geht das Risiko eines Exit-Scams ein, bei immer währendem Risiko eines Hack-Angriffs. Es gibt also ein wenig kalkulierbares Risiko entweder auf seinem Geld sitzen zu bleiben oder erwischt zu werden – möglicherweise beides.
Europa ist wichtiger Marktplatz für den Drogenhandel – auch im Darknet
Das ist jetzt nicht wirklich überraschend, aber die einzelnen Daten sind dann doch interessant bis teilweise wichtig. Wenn ich beispielsweise auf die Preise einzelner Drogen blicke, die bereits von nationalem Markt zu nationalem Markt stark variieren – aber selbst im günstigsten Fall deutlich oberhalb der „Strassenpreise“ liegen:
Dabei ist hervor zu heben, dass die Neuen Psychoaktiven Substanzen („New psychoactive substances“, „Legal High“, NPS) faktisch kaum eine Rolle spielen in diesem Bereich!
Vor dem Hintergrund der hohen und divergierenden Preise erklärt sich das Verhältnis von Umsatz zu Gewicht
Insbesondere fällt dabei auf, dass ausgerechnet Deutschland bei einer Umsatzanalyse als Top-Darknet-Verkaufsplatz zu erwähnen ist. So stellen sich die Top-Verkäufe nach Umsätzen innerhalb der EU wie folgt dar:
- Deutschland: EUR 26.6 million
- United Kingdom: EUR 20.3 million
- Niederlande: EUR 17.9 million
- Belgien: EUR 4.7 million
Es zeigt sich, dass der Markt hierzulande einer ernsthaften Analyse bedarf, insbesondere wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Verkäufer und auch Käufer von Drogen im Darknet eine eher gehobene Bildung vorweisen. Hier deutet sich an, dass es um ein gesellschaftliches Phänomen geht, das nun allmählich einer Analyse zugänglich ist – keineswegs um eine kleine „Schmuddelgruppe“ die sich im „dunklen Internet“ versteckt.
Gute Analyse zum Darknet
Die Ergebnisse der Analyse sind allesamt nicht neu und verstärken bisherige Erkenntnisse, insbesondere dass sich Kriminalität im Internet samt Darknet am besten durch länderübergreifende Kommunikation und Koordination der Ermittler eindämmen lässt. Wer sich mit der Thematik Darknet beruflich beschäftigen will oder muss, dem sei die Analyse dringend ans Herz gelegt, sie bietet erheblichen Einblick.
Für Käufer dagegen zeigt sich ein beträchtliches Risiko, das ich auch in meinem Alltag als Strafverteidiger erlebe. Mitunter dauert es zwar Jahre, aber die Staatsanwaltschaften investieren die Energie, sämtliche Käuferlisten so gut es geht aufzuarbeiten. Wenn dann eine Masse an Ermittlungsverfahren im Raum steht agiert man – abhängig von den Mengen – recht schematisch, was erhebliches Verteidigungspotential eröffnet. So zu tun, als wäre das Risiko klein, geht aber aus meiner Sicht an der Realität vorbei.
Auch die weiteren Eindrücke aus der Analyse entsprechen meinem Eindruck: Neue Substanzen wie Legal Highs oder auch Kinderpornographie spielen keine Rolle. Dafür umso mehr Waffen und klassische Drogen, allerdings ohne Heroin, vor allem Amphetamine, Kokain und Cannabis.
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