Anordnung einer MPU

Anordnung der MPU: Die („MPU“) ist Hintergrund einer Fahrerlaubnisentziehung. Rechtsgrundlage der Fahrerlaubnisentziehung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. §§ 46 Abs. 1, Abs. 3, 11 Abs. 8 Satz 1 -Verordnung (FeV).

Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV). Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung übrigens die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 46 Abs. 5 FeV).

Verweigerung des MPU-Gutachtens

Entsprechend § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen.

Der Betroffene muss dem nicht Folgen, doch dies hat Konsequenzen: Aus der Nichtbeibringung eines von der Fahrerlaubnisbehörde verlangten Gutachtens („MPU“) darf auf die Fahrungeeignetheit geschlossen werden. Dieser Rückschluss ist aber nur möglich, wenn die Anordnung, ein solches Gutachten beizubringen, in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig, namentlich anlassbezogen und verhältnismäßig war und die nicht fristgemäße Vorlage des Gutachtens ohne ausreichenden Grund erfolgte.

Rechtsmittel gegen Anordnung der MPU

Die Rechtmäßigkeit der Gutachtenanforderung wird inzident geprüft, wenn der Betroffene ihr nicht Folge leistet, weil die Gutachtenanforderung selbst nicht isoliert anfechtbar ist. Denn sie stellt nur eine der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme zur Sachverhaltsaufklärung dar. Das bedeutet, ein eigenes Rechtsmittel gegen die Anordnung der MPU gibt es nicht, man muss warten bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis um die Abordnung einer MPU sodann prüfen zu lassen.


Formelle Rechtmässigkeit der MPU-Anordnung

Bei der Anordnung einer MPU sind in formeller Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen zu beachten, speziell die Vorgaben des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2, Abs. 8 Satz 2 FeV. So muss die vom Gutachter zu beantwortende Frage im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestimmt formuliert sein. Weiterhin müssen bei der MPU-Anordnung mitgeteilt werden:

  • Darlegung der Gründe, die Zweifel an der Eignung geweckt haben
  • Angabe von wem das Gutachten erstattet werden muss und in welcher Frist
  • Hinweis, dass Unterlagen eingesehen werden können, die dem Gutachter zu übersenden sind
  • Hinweis, dass auf Nichteignung geschlossen werden kann, wenn das Gutachten nicht beigebracht wird

Bestimmtheit der Gutachter-Frage

Zur Rechtmäßigkeit einer Gutachtenanforderung hat sich das Verwaltungsgericht Aachen (3 L 503/15) geäußert und die Grundsätze der Anforderung eines MPU-Gutachtens (Fahreignungsbegutachtung) sowie der notwendigen Bestimmtheit der zu klärenden Fragen wie folgt zusammen gefasst:

Aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass schon in der Gutachtensanordnung die Konkretisierung des Untersuchungsthemas zu erfolgen hat. Denn die Fragestellung ist nach dem Willen des Verordnungsgebers „in der Anordnung festzulegen und hat zudem die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen“, vgl. § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV. Damit wird der zuständigen Behörde die Pflicht auferlegt, bereits in der Anordnung der Gutachtensbeibringung festzulegen, welche konkreten Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zu untersuchen sind (…) Welche Anforderungen § 11 Abs. 6 FeV an die Bestimmtheit der behördlichen Fragestellung stellt, kann dabei nicht abschließend abstrakt bestimmt werden.

Auszugehen ist jedenfalls von der bzw. den für die jeweilige Fragestellung in Betracht kommenden, eine Gutachtensanordnung gebietenden oder in das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde stellenden Befugnisnorm bzw. -normen in der Fahrerlaubnis-Verordnung. Bereits deren tatbestandliche Voraussetzungen geben gewisse eingrenzende Zielrichtungen für die zu formulierende konkrete Fragestellung vor. In jedem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die konkretisierende Fragestellung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festzulegen und dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Eignungszweifel mitzuteilen. Sodann ist auf der Rechtsfolgenseite ein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem für die Eignungszweifel Anlass gebenden Ausgangssachverhalt und dem in der Gutachtensanordnung festgelegten Prüfprogramm zu fordern. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der überschießenden – vom Untersuchungsanlass her gesehen nicht erforderlichen – Untersuchungsvorgaben bzw. -inhalten mit Blick auf die damit einhergehenden Eingriffe in die Rechte des Betroffenen entgegensteht.

Verwaltungsgericht Aachen, 3 L 503/15

Materielle Rechtmäßigkeit der MPU-Anordnung

Die Beibringungsanordnung muss dann auch materiell rechtmäßig sein. Hier gilt, dass entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung („medizinisch-psychologisches Gutachten“) angeordnet werden kann – bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. An dieser Stelle ist dann zu prüfen, wie sich die bisherige Historie des Fahrerlaubnisinhabers darstellt, wenn ja, ist auch diese Voraussetzung gegeben – hier kommt es auf die vorzunehmende Wertung an.

Die Gutachtenanordnung darf dann auch nicht aus anderen Gründen materiell rechtswidrig sein. Speziell ist zu prüfen, ob Rechtswidrig das Fahreignungs-Bewertungssystem (die bekannten „Punkte“) umgangen wird. Von diesem System darf zwar abgewichen werden – aber nur, wenn dies die Verkehrssicherheit und damit die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gebietet. Durch die Abweichung vom Fahreignungs-Bewertungssystem auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG wird im öffentlichen Interesse sichergestellt, dass ungeeignete Kraftfahrer schon vor Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wirksam ausgeschlossen werden können oder besondere Eignungszweifel durch weitergehende Maßnahmen, wie z.B. eine medizinisch-psychologische Untersuchung, sofort geklärt werden können.

Das Fahreignungs-Bewertungssystem darf nach § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG aber nur ausnahmsweise verlassen werden, wenn besondere Gründe dafür vorliegen. Durch das Fahreignungs-Bewertungssystem hat der Gesetzgeber nämlich deutlich gemacht, dass mit Punkten bewertete Verkehrsverstöße grundsätzlich noch keine Eignungsüberprüfung auslösen sollen, sondern in der Regel das Instrumentarium des § 4 StVG anzuwenden ist.

Das bedeutet: Maßnahmen außerhalb des Punktsystems wie die Entziehung der Fahrerlaubnis oder zumindest die Anordnung zur Beibringung eines Eignungsgutachtens sind deshalb nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber beispielsweise durch die beharrliche und häufige Begehung von – isoliert betrachtet auch nicht gewichtigen – Verkehrszuwiderhandlungen oder durch einen besonders erheblichen Verkehrsverstoß auffällig geworden ist und sich aus einem derartigen Verhalten Fahreignungsmängel ableiten lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dabei im Einzelnen unter Auswertung aller konkreten Umstände näher begründen, warum sie aus besonderen Gründen im Einzelfall, der sich erheblich vom Normalfall sonstiger Verkehrsteilnehmer mit einem Punktestand abheben muss, aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsverstöße Eignungsbedenken hegt, die sofortige weitergehende Aufklärungsmaßnahmen etwa durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung gebieten.

Bestreiten von rechtskräftigen Entscheidungen

Wenn sich die Behörde auf frühere Entscheidungen bzw. Bußgeldbescheide beruft, ist es ein Klassiker, dass der Betroffene darauf verweist, dass diese ja rechtswidrig ergangen sind. Aber das hilft nicht, denn: Verkehrsverwaltungsrechtlichen Maß-nahmen sind mit ständiger Rechtsprechung rechtskräftig durch Bußgeldbescheide geahndete Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich zugrunde zu legen.

Dass rechtskräftige Entscheidungen von Behörden und Gerichten in aller Regel zugrunde zu legen sind, folgt bereits aus dem Wesen der Rechtskraft. Die Bindungswirkung an rechtskräftige Bußgeldbescheide hat im Fahrerlaubnisrecht zudem an verschiedenen Stellen ihre spezialgesetzliche Bestätigung gefunden. Die Bindungswirkung ist etwa in § 2a Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 und § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG ausdrücklich für das Fahrerlaubnisrecht bekräftigt (hierzu sehr lehrreich: Verwaltungsgericht Düsseldorf, 6 K 4483/18). Eine Durchbrechung der Rechtskraft ist im Gesetz nur nach Maßgabe der strengen Wiederaufnahmevorschriften möglich – und die Entscheidung darüber liegt allein in die Hand des hierfür zuständigen Gerichts (§ 68 OWiG). Die Rechtskraft verleiht dem Bußgeldbescheid damit eine besondere Bindungswirkung. Diese wirkt auch im gefahrenabwehrenden verkehrsverwaltungsrechtlichen und dem sich daran eventuell anschließenden verwaltungs-gerichtlichen Verfahren.

Daher – und es ist wichtig das immer wieder zu Betonen: Will der Betroffene eines Bußgeldbescheids verhindern, dass ihn daraus Rechtsfolgen u.a. in verkehrsverwaltungsrechtlichen Verfahren treffen, muss er die gegen den Bußgeldbescheid eröffneten Rechtebehelfe wie den Einspruch einlegen. Unterlässt er dieses, ist bei staatlichen Folgemaßnahmen, die an den Bußgeldbescheid oder an die mit ihm festgestellten Tatsachen anknüpfen, die rechtskräftige Entscheidung grundsätzlich zugrunde zu legen. Das bedeutet im Grundsatz ist weder von der Verwaltungsbehörde noch von der sie kontrollierenden Verwaltungsgerichtsbarkeit zu prüfen, ob frühere und inzwischen rechtskräftige Bußgeldbescheide zu Recht ergangen sind. Die mit ihnen geahndeten Taten sind vielmehr grundsätzlich zugrunde zu legen, soweit die ordentliche Gerichtsbarkeit die Rechtskraft nicht rückwirkend beseitigt.

Bei der Frage, was berücksichtigt werden kann, also wie lange Taten zurück liegen können, die die Fahrerlaubnisbehörde mitberücksichtigen darf, gibt es die nächste Überraschung: Die Fahrerlaubnis-Verordnung schreibt keine zeitliche Grenze für die Anordnung der Begutachtung vor, so dass sich eine solche grundsätzlich nach den Tilgungsfristen für die Eintragungen im VZR nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes richtet, dazu OVG NW, 16 E 1439/08. Das bedeutet teilweise 10jährige Fristen.


Anordnung der MPU wegen Erkrankungen

Die Fahrerlaubnisbehörde hat schon demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat (§ 3 I 1 StVG, § 46 I FeV). Dies gilt insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen, durch die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Dazu gehört übrigens ganz besonders der Missbrauch und die Abhängigkeit von (Nr. 8 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV).

Doch was ist Alkoholmissbrauch und wie ist er festzustellen? Das man sich hier als Autofahrer keinen Illusionen hingeben sollte, demonstriert das VG Gelsenkirchen (7 L 827/11) aktuell sehr deutlich: Dieses hat – in Übereinstimmung mit anderen Verwaltungsgerichten – mehrfach festgestellt, dass allein der Umstand, dass ein Fahrerlaubnisinhaber in der Lage ist, eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von über 2 Promille zu erreichen, eine Tatsache ist, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen kann (so des Weiteren VG Gelsenkirchen, 7 L 142/09; 7 L 556/07; 7 L 916/05; 7 K 2796/98). Denn:

Nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Alkoholforschung ist davon auszugehen, dass Personen mit derartig hohen Blutalkoholkonzentrationen deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten haben und zur Risikogruppe überdurchschnittlich alkoholgewöhnter Kraftfahrer gehören und regelmäßig an einer dauerhaft ausgeprägten Alkoholproblematik leiden.

Sprich: Wer auch nur einmal (also zum ersten Mal) mit einer derart hohen BAK „erwischt“ wird, riskiert schon, dass eine MPU angeordnet wird. Und wer die verweigert, der gilt ohnehin als nicht mehr geeignet, Fahrzeuge zu führen (so ebenfalls aktuell das VG Gelsenkirchen, 7 L 825/11).


MPU nach Straftaten

Auch wenn Alkohol sicherlich einer der häufigsten Gründe ausserhalb des Punktesystems für die Anordnung Einer MPU ist – auch Straftaten können bei der Anordnung einer MPU eine Rolle spielen. Denn die Beibringung einer MPU kann zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht:

Dabei setzt der Begriff der Erheblichkeit nicht (mehr) voraus, dass die Tat schwerwiegend ist und sich nach ihrer Art und der im konkreten Fall zu Tage getretenen Intensität von der Masse der Verstöße dadurch abhebt, dass mit ihr eine überdurchschnittliche Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs einhergeht.

VG Gelsenkirchen, 7 L 705/11

Hier soll ein mit solchen Straftaten einhergehendes aggressives Verhalten, das im Straßenverkehr gezeigt wird, negative Rückschlüsse auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sein und als „erheblich“ angesehen werden können. Oder verständlich: Mehrere strafrechtlich relevante Nötigungen können bereits ausreichend sein.

Aber: Anlass für die Anordnung einer MPU können auch solche Straftaten sein, die keinen spezifischen Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit aufweisen (VG München, M 1 K 10.2785; VG Gelsenkirchen, 7 L 705/11). Abzustellen ist darauf, ob die Fahrerlaubnisbehörde den Zusammenhang zwischen den begangenen Straftaten und der Kraftfahreignung zutreffend hergestellt hat. Hier soll es ausreichen,

dass die begangenen Straftaten zum Großteil ein hohes Aggressionspotential (…) sowie eine Neigung zu Rohheit und Unbeherrschtheit zeigen. Ferner offenbaren sie einen Hang (…) zum – teils impulsiven – Durchsetzen eigener Interessen unter schwerwiegender Verletzung der Interessen anderer. Es besteht daher die Gefahr, dass [der Betroffene] im motorisierten Straßenverkehr möglicherweise nicht erwarten lässt, dass er die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer – zumindest in den sehr häufig auftretenden Konfliktsituationen – respektieren wird und auch dort eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzen will.

Ob das letztlich so stimmt ist insofern irrelevant, als dass die Anordnung der MPU gerade das ja klären soll! Ebenso ist daran zu denken, dass wenn das Strafgericht eine Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen und beantragt der Betroffene die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der , muss die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen.

Unabhängig davon ist eine solche Anordnung auch geboten, wenn bei der die Blutalkoholkonzentration knapp unter 1,6 Promille lag und deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung bestanden, wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen. Das hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (10 S 116/15,) mit einem den Beteiligten in der vergangenen Woche zugestellten Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2015 entschieden. Auch der der VGH München (11 BV 14.2738) hatte schon seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, im Wiedererteilungsverfahren die Beibringung eines medizinischpsychologischen Gutachtens anzuordnen ist – und zwar nunmehr unabhängig von der bei der Verkehrsteilnahme vorgelegenen Blutalkoholkonzentration.


MPU: Bindungswirkung der Fahrerlaubnisbehörde an Gründe eines Strafurteils

Das OVG Lüneburg (12 ME 108/16) hat sich mit der Bindungswirkung der Fahrerlaubnisbehörde an Gründe eines Strafurteils befasst und insoweit hinsichtlich der MPU festgestellt, dass die Fahrerlaubnisbehörde mit Blick auf die Bindungswirkung durch das StVG nicht gehindert ist, die Vorlage eines medizinisch psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn in den Gründen des Strafurteils allein ausgeführt ist, das Gericht habe nicht positiv feststellen können, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen noch ungeeignet ist:

Anders als der Antragsteller meint, hinderte die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) FeV und die sich – nach Nichtvorlage – gemäß § 11 Abs. 8 FeV anschließende Entziehung der Fahrerlaubnis nicht. Der Senat schließt sich insoweit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts an, wonach sich aus den Gründen des Strafurteils keine eigenständige abschließende Eignungsbeurteilung der Strafrichterin entnehmen lässt. Auf die überzeugende Begründung des angegriffenen Beschlusses (BA S. 7/8) wird verwiesen. Dass die Strafrichterin nicht „positiv feststellen“ konnte, dass der „Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen noch ungeeignet ist“, lässt sich – entgegen der Auffassung des Antragstellers – nicht als eigenständige, positive Feststellung der Eignung verstehen. Vielmehr spricht die Formulierung dafür, dass zwar (weiterhin) Eignungszweifel angenommen, aber angesichts des verstrichenen Zeitraums die Eignung nicht (mehr) abschließend verneint werden sollte. Mithin war die Fahrerlaubnisbehörde nicht gehindert, zur Ausräumung der Zweifel an der Eignung des Antragstellers die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen, welches angesichts der in einem Strafurteil enthaltenen Formulierung, es könne „jetzt nicht mehr festgestellt werden, dass der Angeklagte noch weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist“, zu dem gleichen Ergebnis gelangt ist (BVerwG, Urt. v. 15.7.1988 – 7 C 46.87 -, BVerwGE 80, 43).

Die Entscheidung ist nicht überraschend und macht nochmals deutlich, dass neben einem Strafverfahren immer das verwaltungsrechtliche Verfahren hinsichtlich der Fahrerlaubnis im Blick gehalten werden muss.


Verteidigung gegen die Anordnung einer MPU

Es zeigt sich bei der Anordnung der MPU, dass es um einen erheblich komplexen und von viel Kasuistik geprägten Themenbereich geht. Eine Verteidigung ist möglich, ja – aber sie muss genau geprüft und durchdacht sein, bevor man viel gutes Geld rauswirft, obwohl von Anfang an eine Gegenwehr aussichtslos war.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, Schutzrechten (GeschG/UrhG/Marken), IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.