Sowohl das VG Berlin (4 L 271.12) als auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben (10 S 1883/14) bestätigt, dass auch bei bloßen Ordnungswidrigkeiten wie Falschparken der Führerschein entzogen werden kann, wenn sie besonders zahlreich und hartnäckig begangen werden.
Auch bei uns:
- Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot
- Führerschein beschlagnahmt (§111a StPO) – was tun?
- Anordnung einer MPU
- Trunkenheitsfahrt auf eScooter
- Cannabis-Konsum und Entzug der Fahrerlaubnis
- Entzug der Fahrerlaubnis bei harten Drogen
- Entzug der Fahrerlaubnis nach Unfallflucht
- Fahrerlaubnisentzug wegen Falschparkens
- Klage gegen Entziehung der Fahrerlaubnis
- Fahrerlaubnis und Alkoholkonsum
- Kündigung wegen Alkohol am Steuer
Die Entscheidung des VG Berlin
Hier ging es um 127 „Knöllchen“ wie wegen Falschparkens innerhalb von ca. 1,5 Jahren vergeben wurden. Letztlich geht es darum, dass durch die ständigen Rechtsverstöße von einer Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen geschlossen werden kann. Das Gericht führt hierzu aus, dass es dabei darauf ankommt, dass durch die gehäufte Begehung von Parkverstößen eine allgemeine Haltung zum Ausdruck kommt dahingehend, dass man den Verkehrsregeln gleichgültig gegenüber steht:
Das Punktsystem ist nicht abschließend (§ 4 Abs. 1 Satz 2 StVG). Daneben ist die Fahrerlaubnis auch demjenigen, dessen Eintragungen im Verkehrszentralregister nur – wie hier – mit vier Punkten zu bewerten sind, zu entziehen, der sich aus anderen Gründen als ungeeignet erwiesen hat. Diesen unbestimmten Rechtsbegriff konkretisiert das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 5. März 2012 – OVG 1 S 19.12 -) dahin, dass bei der Prüfung der Fahreignung die durch die Nichterfassung im Verkehrszentralregister dem Bagatellbereich zuzurechnenden Verkehrsordnungswidrigkeiten zwar grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben, eine Ausnahme von diesem Grundsatz aber dann besteht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt und offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und diese hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht.
Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs können nach dieser Rechtsprechung für die Beurteilung der Fahreignung jedenfalls dann aussagekräftig sein, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum derart häufen, dass dadurch nicht nur ein laxe Einstellung gegenüber das Abstellen des Kraftfahrzeugs regelnden Verkehrsvorschriften, sondern eine Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbar wird.
Entscheidung des VGH
Dieser bringt es wie folgt auf den Punkt, auch hier ging es letztlich um reine Parkverstöße in immerhin 151 Fällen, allerdings über einen Zeitraum von 7 Jahren:
- Bedenken gegen die Kraftfahreignung können ausnahmsweise jedenfalls dann auch durch die langjährige und hartnäckige Begehung einer Vielzahl von Verkehrsordnungswidrigkeiten entstehen, die nicht mit Punkten bewertet sind (hier: Parkverstöße), wenn sich darin in Verbindung mit einschlägigen Eintragungen im Fahreignungsregister eine verfestigte gleichgültige Grundeinstellung gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbart.
- Für die Einschätzung, ob häufige Verkehrsverstöße im Bagatellbereich die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen, kommt es auf eine einzelfallbezogene Gesamtbewertung aller eignungsrelevanten Umstände an.
- Dies schließt es aus, der Häufigkeit von geringfügigen Verkehrsverstößen im Sinne einer Faustformel nur dann eine Aussagekraft zuzuerkennen, wenn im Jahresdurchschnitt nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verkehrsverstoß zur Anzeige gelangt (entgegen OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.10.2008 -1 M 10.08 -)
Dabei stellt das Gericht klar, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt und eben nicht pauschal, nur auf Grund einer Häufung von parkverstößen gleich die Eignung in Frage zu stellen ist:
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit geklärt, dass bei der Prüfung der Kraftfahreignung geringfügige Verkehrsordnungswidrigkeiten, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs, grundsätzlich mit Blick auf ihr geringes Gefährdungspotential außer Betracht zu bleiben haben. Nur ausnahmsweise schließen aber auch Zuwiderhandlungen dieser Art die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt und offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und diese hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht (…)
Gleichwohl muss der Rückgriff auf geringfügige, nicht eintragungspflichtige Verkehrsverstöße auf absolute Ausnahmekonstellationen beschränkt bleiben. Für die Einschätzung, ob häufige, nicht mit Punkten bewertete Verkehrsverstöße Bedenken gegen die Kraftfahreignung begründen, kommt es auf eine einzelfallbezogene Gesamtbewertung aller eignungsrelevanten Umstände an.
Im hier entschiedenen Fall gab es da mehrere Aspekte, zum einen, dass die Verstöße durchaus gewichtig waren, etwa wenn häufig vor Feuerwehrausfahrten geparkt wurde. Auch ist der Zeitraum von 7 Jahren irreführend, da der Betroffene zeitweise sehr dicht beieinander viele Strafzettel kassiert hatte – mitunter mehrere täglich. Darüber hinaus wurde ein Gutachten eingefordert, das nicht gebracht wurde, was ohnehin grundsätzlich ein Problem mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darstellt.
Fazit
Keineswegs ist es so, dass eine schlichte Häufung von Verwarnungen wegen Falschparkens zum Entzug der Fahrerlaubnis führt – es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Insbesondere wenn man einfach kurzzeitig eine schlechte Phase hatte in der man mal „sammelte“ wird dies folgenlos bleiben, wenn es sich dann wieder einpendelt. Anders herum sollte man durchaus darauf achten, dass man sich nicht so verhält, dass auf eine gleichgültige Haltung gegenüber den Verkehrsregeln geschlossen werden kann.
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