Gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr nach §315b StGB: Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des § 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist, die sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat.
Zu typischen Delikten im Verkehrsstrafrecht bei uns:
Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt den Eintritt einer verkehrsspezifischen Gefahr und – bei vorsätzlicher Begehung – einen hierauf gerichteten (natürlichen) Tatvorsatz voraus. Erforderlich ist daher in objektiver Hinsicht, dass die eingetretene konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist.
Dies ist der Fall, wenn eine der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht
Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr
Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird von § 315b StGB nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden.
Es muss also die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der– was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiven nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oderSache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, 4 StR 505/18). Der BGH (4 StR 251/14) fasst hierzu treffend zusammen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (Senatsurteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschlüsse vom 25. April 2012 – 4 StR 667/11, NStZ 2012, 700, 701 und vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17).
BGH, 4 StR 251/14
Hinsichtlich der Sache mit bedeutendem Wert gilt:
Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist dabei nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat (…). Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (…)
BGH, 4 StR 505/18
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Fließender Straßenverkehr
Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (BGH, 4 StR 240/20). Ein bloß vorschriftswidriges Verkehrsverhalten fällt deshalb grundsätzlich nicht unter § 315b StGB, sondern – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – nur unter § 315c StGB. Insoweit kommt § 315c StGB eine „Sperrwirkung“ zu (BGH, 4 StR 134/21).
Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB kann aber auch erfüllt sein, wenn die Tathandlung unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. In diesem Fall ist eine verkehrsspezifische Gefahr aber nur zu bejahen, wenn der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht.
Wenn ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen wird droht der Verlust der Fahrerlaubnis!
Fluchtfahrten als gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr
Zur Fluchtfahrt als gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr führt der BGH aus:
Diese Feststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte über ein bewusst falsches Fahren beim Überholvorgang hinaus sein Fahrzeug auch bewusst zweckwidrig einsetzte und den Verkehrsvorgang zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr „pervertierte“.
Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welche Vorstellung über das weitere Geschehen der Angeklagte mit seinem Fahrverhalten und einer – seinem Fortkommen womöglich hinderlichen – Kollision verband. Insoweit ist auch die Annahme eines bedingten Schädigungsvorsatzes hier nicht ohne weiteres mit einem gezielten Auffahren auf das Polizeifahrzeug vereinbar, um die eigene Weiterfahrt durch ein Freirammen der Durchfahrt zu erzwingen.
Das Landgericht hat die Beschädigung des Polizeifahrzeugs als zwangsläufige Folge einer solchen Kollision angesehen, was bereits mit der hierauf gestützten Annahme eines lediglich bedingten Schädigungsvorsatzes des Angeklagten nicht einhergeht. Damit hat es die naheliegende Möglichkeit nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, dass der Angeklagte sein Fahrzeug bei dem Überholvorgang in erster Linie lediglich als Fluchtmittel zwar grob verkehrswidrig, aber nicht bewusst zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung einsetzte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2006 – 4 StR 446/06).
BGH, 4 StR 134/21
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