Die Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ kann erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher haben. Über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität ist deshalb aufzuklären. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat gestern der Antragsgegnerin untersagt, ihre Produkte mit dem Logo „Klimaneutral“ zu bewerben, da diese Aufklärung fehlt.
Beide Parteien stellen ökologische Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel her. Die Antragsgegnerin bewirbt ihre Produkte auf ihrer Internetseite u.a. mit dem Logo „Klimaneutral“. Die Antragstellerin wendet sich u.a. gegen die Werbung mit diesem Begriff. Sie hält den Begriff „klimaneutral“ für erläuterungsbedürftig und die Werbung deshalb für intransparent und irreführend.
Das Landgericht hatte den auf Unterlassen gerichteten Eilantrag abgewiesen. Auf die Berufung hin hat das OLG die Antragsgegnerin verurteilt, die Verwendung des Logos „Klimaneutral“ zu unterlassen. Die Werbung sei irreführend. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität könne erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben. Es bestehe daher eine Verpflichtung zur Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verbraucher gehe bei dem streitgegenständlichen „klimaneutral“-Logo davon aus, dass grundsätzlich alle wesentlichen Emissionen des Unternehmens vermieden oder kompensiert würden. Eine Ausklammerung bestimmter Emissionsarten – wie von der Antragsgegnerin vorgenommen – nehme er nicht ohne Weiteres an.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10.11.2022, Az. 6 U 104/22
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.5.2022, Az. 3-12 O 15/22) – Quelle: Pressemitteilung des Gerichts
Zur umweltbezogenen Werbung bei uns:
- Landgericht Karlsruhe entscheidet über die Bewerbung von Produkten als „klimaneutral“ oder „umweltneutral“
- OLG Düsseldorf: Werbung mit Klimaneutralität
- OLG FFM: Werbung mit dem Logo „Klimaneutral“ ohne Aufklärung irreführend
- LG MG: Werbung mit Klimaneutralität bei Kompensationsmaßnahmen
- OLG SH: Irreführung bei Werbung für Müllbeutel mit der Angabe „klimaneutral“
- Green Claims: EU-Kommission nimmt Greenwashing ins Visier
- Empowering Consumers Directive
- European Critical Raw Materials Act
- Recht auf Reparatur geplant
Aus der Entscheidung des OLG:
Eine Information ist wesentlich im Sinne des § 5 a Abs. 2 UWG, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt (BGH GRUR 2016, 1076 – LGA tested). Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles.
aa) Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (a.A. wohl OLG Schleswig DB 2022, 2398, 2402). Der Begriff „klimaneutral“ ist für den verständigen Durchschnittsverbraucher einerseits schon aus sich heraus verständlich und hat – anders als etwa der Begriff „umweltfreundlich“ – einen bestimmten Inhalt. Die gegenteilige Ansicht, wonach der Begriff überhaupt keine klaren Konturen hat oder mit der Angabe „emissionsfrei“ verwechselt werden könnte (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.3.2022 – 3-10 O 14/22 – klimaneutrale Reinigungsmittel; Münker/Vlah, ZLR 2022, 541, 553), teilt der Senat nicht. Maßgeblich ist das Verkehrsverständnis. Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig DB 2022, 2398, 2401). Gleichwohl besteht ein Interesse an einer Aufklärung, über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht z.B. nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter bzw. auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert wird (vgl. Münker/Vlah ZLR 2022, 541, 546 f. m.w.N.). Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten bzw. durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter.
bb) Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei dem vorliegenden Logo „Klimaneutral – Unternehmen – www.(…).com“ der Sache nach um ein Gütesiegel handelt. Jedenfalls wird die logoartige Gestaltung vom maßgeblichen Durchschnittsverbraucher im Kontext der Werbung so aufgefasst. Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Gütesiegel oder Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers über den Erwerb des damit versehenen Produkts erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist. Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt dabei grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der das Siegel vergebenden Stelle (BGH GRUR 2020, 299 Rn 32 – IVD-Gütesiegel). Gleichwohl besteht – ähnlich wie bei Warentests – regelmäßig ein erhebliches Interesse des Verbrauchers zu erfahren, anhand welcher Kriterien diese Prüfung erfolgt ist (BGH GRUR 2020, 299 Rn 26 – IVD-Gütesiegel; BGH GRUR 2016, 1076 Rn 39 – LGA tested).
c) Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden. Ferner müssen Informationen bereitgestellt werden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Gütesiegel erfolgt ist. Eine Aufklärung über weitere Details der Klimabilanzierung, etwa über den Umfang von Reduzierungsmaßnahmen im Verhältnis zum ermittelten Ausstoß oder über den Gegenstand des zur Kompensation unterstützten Klimaprojekts, ist hingegen nicht erforderlich. Derart detaillierte Informationen wird der Verbraucher – jedenfalls bei der Anschaffung geringwertiger Alltagsgegenstände wie der nach Anlage Ast10 beworbenen Reinigungsmittel – bei seiner Kaufentscheidung nicht berücksichtigen. Er hat in der Regel kein Interesse, den Einzelheiten der Zertifizierungsentscheidung auf den Grund zu gehen.
Umwelt und Strafrecht
Das Umweltstrafrecht wird sich zu dem wesentlichen Instrument der klimapolitischen Regulierung entwickeln. Wir beraten und verteidigen im gesamten Umweltstrafrecht – ebenso im Werberecht rund um umweltbezogene Aussagen!