Am 24. April 2024 erlebte die internationale Gemeinschaft einen bedeutsamen Moment im UN-Sicherheitsrat, der das Potenzial hatte, Geschichte zu schreiben. Leider wurde diese Gelegenheit durch das Veto Russlands verpasst, und die Welt bleibt damit weiterhin mit der (offenen) drohenden Gefahr eines nuklearen Wettrüstens im Weltraum konfrontiert. Medial wird dies bisher nur teilweise aufgegriffen.
Im Folgenden kurz zu den aktuellen Geschehnissen, mit Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu Konsequenzen einer solchen Explosion – und ob man juristisch irgendwas zum aktuellen Status Quo sagen kann.
Ein historischer Entwurf mit großen Ambitionen
Der Entwurf der Resolution, der von den USA und Japan vorgestellt wurde, zielte darauf ab, die Stationierung von Kernwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen im Weltraum oder auf himmlischen Körpern zu verbieten. So wurde formuliert, es sei dazu aufzurufen:
„alle Staaten, insbesondere diejenigen, die über bedeutende Weltraumkapazitäten verfügen, aktiv zu dem Ziel der friedlichen Nutzung des Weltraums und der Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum beizutragen“ (…)
„im Interesse der Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und der Förderung der internationalen Zusammenarbeit von Handlungen Abstand zu nehmen, die diesem Ziel und den bestehenden einschlägigen Verträgen zuwiderlaufen“ (…)
„alle Staaten, vor allem diejenigen, die über bedeutende Raumfahrtkapazitäten verfügen, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um die Platzierung von Waffen im Weltraum und die Androhung oder Anwendung von Gewalt im Weltraum, vom Weltraum aus gegen die Erde und von der Erde aus gegen Objekte im Weltraum, für alle Zeiten zu verhindern, und durch Verhandlungen die baldige Ausarbeitung geeigneter, zuverlässig überprüfbarer, rechtlich bindender multilateraler Vereinbarungen anzustreben“.
Diese Initiative hätte eine umfassende Bestätigung – ohne ernsthafte Schlupflöscher – der Verpflichtungen unter dem Weltraumvertrag von 1967 dargestellt und den Weg für weiterführende rechtliche Instrumente geebnet, um das Wettrüsten im Weltraum effektiv zu verhindern. Insbesondere hätte man damit die zunehmende Gefahr nuklearer Waffen im Weltraum direkt im Keim erstickt. Eine Gefahr, die derzeit wieder realistischer zu wirken scheint.
Ein tiefer Riss zwischen den Großmächten
Die Debatte im Sicherheitsrat offenbarte tiefe geopolitische Spaltungen, die sich in Zukunft sicherlich immer mehr auf den Weltraum übertragen werden. Die Vertreterin der Russischen Föderation kritisierte den Entwurf als einen „schmutzigen Schachzug“ der USA und Japans und betonte, dass bereits ein Verbot für die Platzierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum bestehe. Sie argumentierte, dass die Resolution unnötig sei und lediglich die Interessen der USA und ihrer Verbündeten diene.
China unterstützte Russland und schlug eine Änderung vor, die alle Arten von Waffen umfassen und zur Ausarbeitung eines umfassenden, rechtlich bindenden multilateralen Abkommens führen sollte. Trotz der Unterstützung durch über zwei Drittel der Mitgliedstaaten in einer vorangegangenen Generalversammlungsresolution, fand der chinesische Vorschlag nicht genügend Zustimmung.
Die Folgen nuklearer Explosionen im Weltraum für die Erde
Was bedeutet ein solches Szenario überhaupt
Nukleare Explosionen im Weltraum stellen eine erhebliche Bedrohung für die Erde dar, insbesondere im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und Sicherheit von Satellitenkommunikation und anderen Raumfahrttechnologien. Das ist für jeden Laien wohl sofort erkennbar – doch man kann das Thema auch wissenschaftlich angehen!
Eine Studie aus dem Optics Express Journal beleuchtet speziell die Auswirkungen einer nuklearen Explosion auf die atmosphärische Umgebung und die daraus resultierende Signalabschwächung bei der Satellitenkommunikation. Dass die potenziellen Folgen einer nuklearen Explosion im Weltraum tiefgreifend und weitreichend sind, mit ernsthaften Risiken für die funktionelle Sicherheit globaler Kommunikationsinfrastrukturen und der Integrität der Raumfahrttechnologie, wird dabei wohl nicht überraschen – ist dies doch zugleich gerade der Angriffspunkt einer solchen Waffe.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Explosion zu einer erhöhten Transmission von optischen Signalen führt und mehr Hintergrundrauschen im Detektor verursacht. Diese Störungen resultieren aus der Absorption und Streuung des optischen Signals durch die nukleare Wolke und das aufgewirbelte Material wie Waffentrümmer und Bodenmaterial. Weitere Wirkungen:
- Langfristige Auswirkungen auf die Atmosphäre: Die nukleare Explosion führt zu einer anhaltenden Störung der atmosphärischen Bedingungen, die Stunden oder sogar Tage nach der Detonation anhalten kann. Diese Störungen umfassen erhöhte Partikeldichten in der Luft, die durch die nukleare Wolke und das transportierte Trümmermaterial verursacht werden. Dies führt zu weiteren Kommunikationsstörungen, nicht nur in optischen, sondern auch in Radiofrequenz-Kommunikationslinks, insbesondere wenn hoch ionisierte Schichten in der Atmosphäre betroffen sind.
- Risiken für die physische und funktionelle Integrität von Satelliten: Die im Weltraum detonierten nuklearen Waffen können erhebliche Mengen an Trümmern erzeugen, die potenziell Satelliten beschädigen oder zerstören können. Diese Trümmer können Satellitenbahnen für lange Zeit unsicher machen, was die Risiken von Kollisionen erhöht und die Lebensdauer und Leistung der Satelliten beeinträchtigt.
- Globale Auswirkungen auf die Kommunikationstechnologie: Die Beeinträchtigung der Satellitenkommunikation hat weitreichende Folgen für globale Kommunikationsnetze. Satelliten sind entscheidend für eine Vielzahl von Anwendungen, einschließlich GPS-Dienste, Wetterüberwachung und globale Telekommunikationsnetze. Eine Störung in diesen Systemen könnte erhebliche wirtschaftliche und sicherheitstechnische Auswirkungen weltweit haben.
Nukleare Waffen im Weltraum: Die derzeitige völkerrechtliche Lage
Völkerrechtlich ist es aus meiner persönlichen Sicht gerade nicht so, dass man ohne weitere nuklear Waffen im Orbit um die Welt herum platzieren oder gar zünden kann. In den vergangenen Jahren war dies allerdings vor allem Thema mit Blick auf den Einsatz von nuklearen Sprengköpfen zur Abwehr von Asteroiden – dass jemand ernsthaft auf die Idee kommt, im Weltraum in Erdnähe als Waffe einen solchen Sprengkopf zu zünden hatte, war einfach nicht Teil des wissenschaftlichen Diskurses.
Ich sehe dabei bereits bestehende rechtliche Einschränkungen durch die existierenden Verträge: so durch den Weltraumvertrag, den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sowie dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen. Diese Verträge verbieten nach meiner Lesart bereits die Stationierung von Kernwaffen im Weltraum. Aber es kommt auf Details an, so sind es feine Unterschiede zwischen einer wohl derzeit verbotenen Stationierung im unmittelbaren Erdorbit und einer Verwendung im Weltraum.
Natürlich gibt es Möglichkeiten zur Umgehung der rechtlichen Einschränkungen: Zuvorderst ist der Rückzug aus Verträgen zu nennen, daneben steht die Aussetzung von Verträgen durch Zustimmung, Selbstverteidigung und Autorisierung durch den UN-Sicherheitsrat.
Vor dem Hintergrund, angesichts der rechtlichen Unsicherheiten sowie der Komplexität der Gesamtlage, dürfte es sinnvoll sein, eine neue, streng begrenzte und gesicherte rechtliche Regelung zu finden.
Ein gescheiterter Versuch und seine Folgen
Die Abstimmung endete mit einem Patt, wobei sieben Länder für die Änderung und sieben dagegen stimmten, und die Schweiz sich enthielt. Das darauffolgende Scheitern der gesamten Resolution durch das Veto Russlands war ein schwerer Schlag für die Befürworter der Resolution und ein klarer Sieg für die Gegner, die eine breitere Diskussion und möglicherweise eine Lockerung der Beschränkungen für Waffen im Weltraum bevorzugen.
Was bedeutet dies für die Zukunft?
Das Scheitern dieser Resolution lässt viele Fragen über die zukünftige Sicherheit und Nutzung des Weltraums offen. Es verdeutlicht die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit und eines Dialogs, der über die engen nationalen Interessen hinausgeht, um eine echte und dauerhafte Sicherheit im Weltraum zu gewährleisten. Dieser Vorfall betont auch, wie einzelne Staaten bedeutende globale Initiativen blockieren können, und wirft wichtige Fragen über die Struktur und Effektivität des UN-Sicherheitsrats auf.
In einer Zeit, in der die Menschheit zunehmend in den Weltraum vordringt, ist es entscheidend, dass internationale Abkommen und Verträge gestärkt und erweitert werden, um ein Wettrüsten im All zu verhindern. Die jüngsten Ereignisse im UN-Sicherheitsrat zeigen jedoch, dass der Weg dorthin alles andere als einfach sein wird.
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