Unterlassungserklärung beinhaltet nicht automatisch ein Schuldanerkenntnis

Schuldanerkenntnis durch :  Man liest es immer wieder, gerade bei Filesharing-Abmahnungen in Berichten im Internet – Das unterzeichnen einer nicht-modifizierten Unterlassungserklärung beinhaltet angeblich ein Schuldanerkenntnis und soll deswegen zur Zahlung von Abmahnkosten verpflichten, selbst wenn diese in der Unterlassungserklärung gar nicht benannt sind. Ich bin seit je her skeptisch, ob das so stimmt.

Das fängt damit an, dass der BGH – entgegen mancher Äußerung von Kollegen – gerade nicht festgestellt hat, dass es sich bei einer Unterlassungserklärung um ein umfassendes oder Schuldanerkenntnis handelt. Bei genauer Betrachtung findet man in Entscheidungen des BGH zum Thema sogar das Gegenteil.

Dazu bei uns:

BGH: Anerkenntnis in Unterlassungserklärung?

Aber von vorne: Der BGH (I ZR 176/93, „Kurze Verjährungsfrist“) hat sich in einer früheren Entscheidung mit der Rechtsnatur von Unterlassungsverträgen beschäftigt. Hierbei hat er diese tatsächlich als Schuldanerkenntnis bezeichnet, doch lohnt sich der Blick in die Entscheidung. Der BGH hat in einem nämlich nicht irgendein nebulöses „Anerkenntnis“ erkannt, sondern vielmehr ein „abstrakten Schuldversprechen“ (dazu unten der Auszug aus der Entscheidung) dahin gehend, dass losgelöst von tatsächlichen Fragen eine Unterlassung mit Vertragsstrafeversprechen zugesagt wird. Die ist dann konsequent fällig, wenn die zu unterlassende Handlung doch noch einmal vorgenommen wird – losgelöst von der Frage, ob man überhaupt zur Unterlassungs verpflichtet war. Der berührt also erst einmal nicht den Zahlungsanspruch aus dem Unterlassungsvertrag. Darüber hinaus hat sich der BGH seinerzeit nicht zu einem Anerkenntnis geäußert.

Und der BGH sagte noch mehr zur Auslegung von Unterlassungserklärungen: In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (I ZR 32/03, „Vertragsstrafevereinbarung“, hier bei uns) stellte der BGH – richtiger Weise! – ausdrücklich fest, dass eine Unterlassungserklärung nur in die Zukunft hinein bindet, dass in die Vergangenheit gerichtete Zusagen darin nicht grundsätzlich zu erkennen sind. Auch im Wege der heran zu ziehenden Auslegung möchte der BGH grundsätzlich nur die primären Interessen der Parteien berücksichtigen, nämlich dass die Wiederholungsgefahr beseitigt wird. Wie man hier ein Anerkenntnis hinsichtlich der Kosten erkennen will, bleibt mir bis heute ein Rätsel und ist m.E. unvertretbar.

Aber: Der BGH lässt auch, wieder korrekt, Spielraum! So stellt er in der zuletzt benannten Entscheidung klar, dass sich anderes aus „der vorangegangenen Korrespondenz“ ergeben kann. Die geführte Korrespondenz ist nämlich zwingend bei der Auslegung einer Unterlassungserklärung heran zu ziehen. Wer nur eine Unterlassungserklärung abgibt, ohne irgendwelche sonstige Korrespondenz, der bietet hier wenig Anhaltspunkte. Wer noch viel schreibt, wird sich aber auch weniger um die Unterlassungserklärung Sorgen machen müssen: Wenn mit der Korrespondenz ein Zahlungsanspruch hinsichtlich der Anwaltskosten zur Diskussion steht, wird sich vielmehr im Gesamtbild zu fragen sein, ob nicht im Gesamtbild ein Kostentragungswille zu erkennen ist. Daher ja auch der grundsätzliche Rat, niemals mit dem Abmahner zu korrespondieren, wenn man nicht genau weiß was man tut.

Zu guter Letzt, mit Blick auf allgemeine Rechtsgrundsätze, ist zu erkennen, dass man beim Versuch in eine Unterlassungserklärung – ohne ausdrücklichen Ausschluss eines Schuldanerkenntnisses – ein Anerkenntnis hinein zu interpretieren, versucht, Schweigen in Aussage umzudeuten. Das widerspricht unserem gefestigten Rechtsgrundsatz, dass Schweigen grundsätzlich kein Erklärungsinhalt zu kommt.

Vor diesem Hintergrund war es korrekt, wenn das OLG Celle (13 U 57/12) und das LG Berlin (15 O 757/07) gerade kein Schuldanerkenntnis in der Unterlassungserklärung erblickt haben, auch wenn diese ohne ausdrücklichen Ausschluss eines Anerkenntnisses daher kommt. Der (I ZR 219/12) hat dann später auch endlich ausdrücklich klar gestellt, was somit schon lange zu erwarten war:

Sofern der Abgemahnte den Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten nicht förmlich anerkennt oder sonst ausdrücklich zu erkennen gibt, dass der Vorwurf des Abmahnenden zu Recht erfolgt ist, sondern lediglich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, liegt darin nicht das Anerkenntnis des zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs und der Pflicht zur Übernahme der Abmahnkosten. Dies gilt auch dann, wenn der Abgemahnte
die Unterlassungserklärung abgibt, ohne zu erklären, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geschieht.

Ergebnis: Auch wenn nicht ausdrücklich darauf steht „ohne Anerkenntnis eines rechtlichen Grundes“, so ist nicht automatisch ein Anerkenntnis hinein zu deuten. Das überrascht insofern nicht, als dass der BGH seit je her bei einem Anerkenntnis einen ausdrücklich zu Tage getretenen Willen des Anerkenntnisses verlangt. Letztlich ist es dennoch gut, auch diese Frage schlussendlich geklärt zu wissen.

Unterlassungserklärung: Ausschliessen von Anerkenntnis schadet nicht

Nun ist dies kein Grund, das Anerkenntnis nicht ausdrücklich auszuschliessen. Wichtig ist immer noch, dass man auf die Formulierung achtet – wer nur ein Anerkenntnis ausschliesst, läuft Gefahr, dass die Unterlassungserklärung zu Recht nicht akzeptiert wird. Die Rechtsverbindlichkeit der Erklärung muss dann daneben klar gestellt werden. Da man sich damit nichts nimmt, verbleibt es beim grundsätzlichen Rat, ein Anerkenntnis lieber auszuschliessen.

Wichtig ist daneben die Erkenntnis, dass alleine das Unterzeichnen einer Unterlassungserklärung noch nicht zu irgendwelchen Zahlungen hinsichtlich der Abmahnkosten verpflichtet – dieser Mythos muss ausgemerzt werden. Leider ist festzuhalten, dass ich durchaus ungeschickte Schriftsätze von Laien, aber auch unerfahrenen Kollegen, zu sehen bekomme, mit denen diese Problematik eher verschärft als entschärft wird. Hier kann nur gelten: Korrespondenz nur führen, wenn man weiß, was man tut. Gerade der Umgang mit Unterlassungserklärungen ist inzwischen ein derart spezielles Thema, dass man sich darauf nur einlassen sollte, wenn man regelmäßig damit zu tun hat. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um einen „Vertrag wie jeder andere“.

Warum eine Vertragsstrafe trotz Unterlassungserklärung nicht gezahlt werden muss

Eine Unterlassungserklärung bindet lebenslang mit dem BGH (V ZR 122/11, hier bei uns), gleichwohl muss nicht lebenslang gezahlt werden. Da es bei der Unterlassungserklärung um eine Willenserklärung geht, die auf einen Vertragsschluss gerichtet ist, gelten die üblichen Regelungen. Insbesondere wird man bei einer Täuschung über eine Anfechtung nachdenken können (was interessanterweise kaum diskutiert wird, gerade bei Verbraucher-Abmahnungen aber sehr relevant ist), darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der ausserordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund und natürlich die Störung der Geschöftsgrundlage (§313 BGB) die bei nachheriger rechtlicher Änderung relevant sein wird. Wegen letzerem sind diese stümperhaften Hinweise auf eine „nachherige Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung“ in vielen modifizierten Unterlassungserklärungen übrigens auch Blödsinn (solange die Gegenseite dies akzeptiert schadet aber auch das nicht).

Klüger ist es aber ohnehin, sein Unterlassungsversprechen so zu formulieren, dass es bei fehlender Verpflichtung des Unterlassens automatisch verfällt – auch hier muss ich feststellen, dass gerade unerfahrene den Fehler begehen und viel zu abstrakt eine Vertragsstrafe versprechen. Beispiel: Wer nur verspricht, es zu unterlassen, in der auf die Kostentragungspflicht bei Waren bis 40 Euro hinzuweisen, ohne dies in AGB zu vereinbaren, ist es selber schuld. Dies nicht zuletzt, da hier die Änderung der rechtlichen Lage bereits feststeht. Durch den kleinen Zusatz „soweit dies notwendig ist“ ist die Sache bereits hinfällig in dem Moment, in dem die rechtliche Lage sich geändert hat. Auch sei nochmals angemerkt, dass gerade bei Rechtsverordnungen mitunter festzustellen ist, dass Kollegen verschlafen, die Verordnung (mit Datum der Fassung!) eindeutig zu bezeichnen. Auch hier gilt: Aufpassen!

Weiterhin, selbst wenn man sich von einer Unterlassungserklärung nicht lösen kann, wird man mit dem BGH (I ZR 45/11) anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben im Einzelfall prüfen können, ob die Einforderung einer Vertragsstrafe missbräuchlich ist. Da hier dezidierte Rechtsprechung fehlt, muss man vorsichtig sein. Jedenfalls sind mit dem BGH hierbei auch die Umstände des Vertragsschlusses hinsichtlich der Vertragsstrafe heran zu ziehen – somit kann selbst bei berechtigter am Ende eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Forderung der Vertragsstrafe folgen.

Fazit zum Anerkenntnis in Unterlassungserklärung

Eine Unterlassungserklärung ist im Einzelfall auszulegen und keinesfalls bis ans Lebensende ein Problem – es kommt halt, wie immer, drauf an. Wer sich hier in absolute und generelle Feststellungen verliert, hat das Thema nicht verstanden und sollte die Finger davon lassen.

Auszug aus der BGH-Entscheidung „Kurze Verjährungsfrist“:

„Die Rechtsnatur von Unterlassungsverpflichtungen, die als Folge einer begangenen Verletzungshandlung eingegangen werden, ist umstritten (vgl. GroßKommUWG/Köhler, Vor § 13 B Rdn. 89 m.w.N.). Sie kann im Blick auf den für sie geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht generell und einheitlich festgelegt werden, sondern hängt maßgeblich vom Inhalt der getroffenen Vereinbarung ab (vgl. GroßKommUWG/Köhler aaO Rdn. 90), wobei insbesondere bedeutsam werden kann, ob letztere eine zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignete Vertragsstrafebewehrung einschließt. Ist dies nämlich – wie bei Unterwerfungen regelmäßig – der Fall, so erlaubt der dadurch bewirkte Untergang des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs als Folge des Fortfalls der Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1987 – I ZR 79/85, GRUR 1987, 640, 642 a.E. = WRP 1987, 557 – Wiederholte Unterwerfung II; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Einl. UWG Rdn. 260 u. 271; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 7 Rdn. 1) lediglich die Annahme einer Novation in der Form eines abstrakten Schuldversprechens (vgl. GroßKommUWG/Köhler aaO Rdn. 90; Teplitzky aaO Kap. 8 Rdn. 5; Gruber, WRP 1992, 71, 86); wird gegen dieses verstoßen, so entstehen selbständige vertragliche Ansprüche, für deren die auf die gesetzlichen Ansprüche aus dem UWG bezogene Verjährungsvorschrift des § 21 UWG keine (unmittelbare) Geltung hat (vgl. MünchKomm/v. Feldmann aaO § 195 Rdn. 15).

Dagegen steht, wenn in Ermangelung einer Strafbewehrung – für deren Vorliegen hier die Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen haben – die Wiederholungsgefahr nicht entfällt und der ursprüngliche Anspruch folglich bestehen bleibt, einer rein deklaratorischen Bekräftigung dieses Anspruchs konstruktiv nichts im Wege. Jedoch kann eine wettbewerbliche Unterlassungsverpflichtung, die zur Erledigung des Streits über einen gesetzlichen Anspruch übernommen wird und eine den Interessen beider Parteien gerecht werdende Streitbereinigung bewirken soll (vgl. BGH, Urt. v. 1.4.1993 – I ZR 136/91, GRUR 1993, 677, 679 = WRP 1993, 480 – Bedingte Unterwerfung), grundsätzlich auch dann nicht nur in diesem – rein deklaratorischen – Sinne verstanden werden, weil ein solcher dem bei der Auslegung des beiderseits Gewollten mitzuberücksichtigenden Interesse des Gläubigers nicht gerecht werden könnte; letzterem geht es nämlich – für den Schuldner erkennbar – bei jeder Unterwerfung hauptsächlich darum, daß der Schuldner eine über den kurzfristig verjährenden gesetzlichen Anspruch, der ihren Anlaß bildet, hinaus rechtsbeständige Unterlassungspflicht eingeht. Daher begründet, sofern nicht ausnahmsweise und ausdrücklich ein anderer Sinn vereinbart ist, jeder wettbewerbsrechtliche Unterwerfungsvertrag – unabhängig davon, welchem Vertragstyp er rechtsdogmatisch zugeordnet wird – stets ein auf Unterlassung einer bestimmten Verletzungsform gerichtetes Dauerschuldverhältnis. Dieses ist als solches vertraglicher Natur, so daß auch Ansprüche wegen positiver Verletzung der daraus erwachsenden Unterlassungspflicht § 21 UWG wiederum keine (unmittelbare) Anwendung finden kann.“

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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