Keine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach dem GeschGehG bei tituliertem Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch

Das Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 W 28/22, hat klargestellt, dass die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach dem GeschGehG nicht für Auskünfte in Betracht kommt, die im Wege der Zwangsvollstreckung zur Erfüllung eines titulierten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs zu erteilen sind.

Hinweis: Dazu auch der BGH zum Verhältnis von Patentrecht zu Geschäftsgeheimnisschutz

Das Gericht weist darauf hin, dass nach § 145a Satz 2 PatG als streitgegenständliche Informationen im Sinne des § 16 Abs. 1 GeschGehG alle Informationen gelten, die der Kläger und der Beklagte in das Verfahren eingeführt haben. Auskünfte, die aufgrund eines titulierten Anspruchs zu erteilen sind, fallen schon nach dem Wortlaut nicht darunter.

Es handelt sich nicht um einen Vortrag einer Partei im Verfahren, sondern um die unmittelbar gegenüber dem Gläubiger zu erbringende Erfüllung eines titulierten materiell-rechtlichen Anspruchs. Dieser Charakter der entsprechenden Auskunft bleibt auch dann erhalten, wenn sie im Rahmen eines Schriftsatzes im Vollstreckungsverfahren erteilt wird:

Dass mit § 145a S. 2 PatG auch das Zwangsvollstreckungsverfahren und das dort zu leistende Vorbringen angesprochen wird – wogegen im Übrigen die Begriffswahl „Kläger“ und „Beklagter“ spricht – folgt auch nicht aus der Verwendung des Begriffs „Verfahren“ statt „Rechtsstreit“. Die vom Gesetz gewählte Begrifflichkeit erweist sich bereits mit Blick auf dem Erkenntnisverfahren zuzuordnende Verfahrensarten wie das einstweilige Verfügungsverfahren oder das Arrestverfahren als sinnvoll. Selbst wenn man aber in das Zwangsvollstreckungsverfahren (erstmals) einzuführende Informationen als von § 145a S. 2 PatG erfasst ansehen wollte, ließe sich daraus nicht ableiten, dass dies auch für solche Auskünfte gilt, die der Schuldner aufgrund eines materiell-rechtlichen Anspruchs an den Gläubiger zu erteilen hat.

Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu § 145a PatG, die schon vor der Ergänzung des Satzes 2 ausführte, dass es „zur Anspruchsbegründung oder zur Verteidigung“ notwendig sein könne, Geschäftsgeheimnisse vor Gericht zu offenbaren (BT-Drucksache 19/25821, S. 57). Mit dem nachträglich eingefügten Satz 2 sollte ausweislich der weiteren Begründung klargestellt werden, dass der Begriff der streitgegenständlichen Informationen in § 16 Abs. 1 GeschGehG nicht streng im Sinne des zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriffs zu verstehen ist, sondern grundsätzlich alle vom Kläger sowie vom Beklagten im Rahmen seiner Verteidigung eingeführten Informationen umfasst (BT-Drucksache 19/30498, S. 56; so auch bereits BT-Drucksache 19/25821, S. 57, 2. Absatz). Anhaltspunkte dafür, dass jenseits des Vortrages zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung auch die im Wege eines tenorierten Auskunftsanspruchs an den Gläubiger zu offenbarenden Daten von § 145a S. 2 PatG umfasst sein sollten, lassen sich der Gesetzesbegründung hingegen nicht entnehmen.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 W 28/22

Das OLG wendet sich ausdrücklich gegen die soweit ersichtlich einzige Rechtsprechung des LG Mannheim, mit der eine Anwendung des § 145a PatG i.V.m. §§ 16 bis 20 GeschGehG in Betracht gezogen wurde. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit § 145a PatG von dem Schutzzweck der §§ 16 bis 20 GeschGehG in ihrem originären Anwendungsbereich habe abweichen wollen, in dem die Anordnungen dem Schutz des Geheimnisinhabers dienten, der in seinen Rechten verletzt werde, weil sein von einem Nichtberechtigten unbefugt erlangt, genutzt oder offenbart worden sei.

Geschäftsgeheimnisse?

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Übertragen auf den Patentverletzungsprozess kommen damit Konstellationen in Betracht, in denen der Verletzte Geschäftsgeheimnisse offenbaren muss, um seine Rechte durchzusetzen, oder in denen der vermeintliche Verletzer Geschäftsgeheimnisse offenbaren muss, um sich gegen eine (unberechtigte) Inanspruchnahme zu verteidigen (das Gericht verweist insoweit auf die Gesetzesbegründung). Der Schutz des wegen Patentverletzung Verurteilten vor der uneingeschränkten Erteilung tenorierter Auskünfte wird in der Gesetzesbegründung hingegen an keiner Stelle erwähnt:

Überdies zeigt § 19 Abs. 3 GeschGehG, wonach eine durch das Gericht der Hauptsache angeordnete Einstufung nach § 16 Abs. 1 GeschGehG oder eine nach § 19 Abs. 1 GeschGehG ausgesprochene Beschränkung im Verfahren der Zwangsvollstreckung entsprechend gilt, dass der Gesetzgeber das Zwangsvollstreckungsverfahren bei seinen Erwägungen berücksichtigt hat. Aus der zugehörigen Gesetzesbegründung zum GeschGehG in seinem originären Anwendungsbereich ergibt sich allerdings, dass der Sinn der entsprechenden Geltung im Vollstreckungsverfahren darin liegt, dass eine in einem Erkenntnisverfahren durch das Gericht der Hauptsache erlassene Schutzanordnung ihre Wirkung im anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahren behält, weil auch in diesem Verfahrensstadium ein fortdauernder Geheimnisschutz geboten sein kann (BT-Drucksache 19/4724, S. 37). Gegenstand einer derartigen Schutzanordnung können jedoch keinesfalls Auskunfts- und Rechnungslegungsdaten sein, für deren Offenlegung durch den Schuldner sich ein Anlass erst durch den instanzbeendenden Abschluss des Erkenntnisverfahrens ergibt. Schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber einen Geheimnisschutz im Zwangsvollstreckungsverfahren in seine Überlegungen einbezogen hat, ohne eine Schutzanordnung zugunsten des Auskunftsschuldners auch nur zu erwähnen, lässt die Schlussfolgerung zu, dass es einen Geheimnisschutz für den verurteilten Patentverletzer nicht geben soll. Noch deutlicher wird dies, wenn man berücksichtigt, dass in der weiteren Gesetzesbegründung zum GeschGehG in seinem originären Anwendungsbereich herausgestellt wird, dass ein Antrag auf eine Schutzentscheidung weder erstmals im Verfahren der Zwangsvollstreckung gestellt noch eine solche Entscheidung durch Organe der Zwangsvollstreckung erlassen werden kann, weil das streng formalisierte Verfahren der Zwangsvollstreckung die hierfür notwendige umfassende Interessenabwägung nicht erlaubt (BT-Drucksache 19/4724, S. 37).38

Es vermag auch nicht zu überzeugen, wenn das Landgericht Mannheim ausführt, dass der verfahrensrechtliche Geheimnisschutz deshalb auf die Erfüllung des tenorierten Auskunftsanspruchs anzuwenden sei, weil die erhaltenen Informationen ohnehin einer aus einem Auskunftsschuldverhältnis folgenden Zweckbindung unterlägen und der Auskunftsgläubiger damit verbundene Geschäftsgeheimnisse des Auskunftsschuldners seinen Mitarbeitern oder externen Beratern nur insoweit offenbaren dürfe, wie dies für eine zweckentsprechende Auswertung und Verwendung notwendig sei, wobei er überdies die hinzugezogenen Personen zur Geheimhaltung verpflichten müsse (LG Mannheim, GRUR-RR 2022, 301, 304 f. – Geheimnisschutzanordnung).

Der Sache nach handelt es sich bei der angenommenen Zweckbindung um eine materiell-rechtliche Einschränkung des Auskunftsanspruchs, die – wenn man eine solche annehmen wollte – den Inhalt des Anspruchs bestimmen würde und deshalb bereits im Erkenntnisverfahren geltend gemacht werden müsste. Ist der Anspruch hingegen bereits mit einem bestimmten Inhalt tituliert, erscheint es ausgeschlossen, im Rahmen seiner Erfüllung wieder auf den ursprünglichen Zweck seines Bestehens zurückzugreifen. Genau dies passiert jedoch, wenn das Landgericht Mannheim argumentiert, sowohl der gewohnheitsrechtliche nach § 242 BGB als auch der gesetzliche Anspruch nach § 140b PatG dienten nur bestimmten Zwecken, weshalb die jeweiligen Angaben nur zu eben diesen Zwecken geschuldet seien und Geheimhaltungspflichten sogar im eigenen Mitarbeiterkreis bestünden.

Ein unmittelbar aus der Vollstreckung des Auskunftsanspruchs abgeleitetes gesetzliches Schuldverhältnis mit Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB – was die Berücksichtigung erst im Vollstreckungsverfahren rechtfertigen könnte – scheidet ebenfalls aus. Denn bei der vollstreckungsrechtlichen Beziehung zwischen Vollstreckungsgläubiger und -schuldner, die sich aus dem Vollstreckungstitel ergibt, handelt es sich um ein spezifisch öffentlich-rechtliches Dreiecksverhältnis unter Einbeziehung des Staates (in Gestalt des Vollstreckungsorgans), das nicht zugleich Schuldverhältnis ist (beck-online.GK-Riehm, Stand: 01.07.2022, § 280 BGB Rz. 89).39

Abschließend ist auch zu bedenken, dass eine Schutzanordnung im Vollstreckungsverfahren nicht nur eine Wohltat für den Vollstreckungsschuldner ist, die „nichts kostet“, sondern auf der Seite des durch die Patentverletzung geschädigten Gläubigers ganz erhebliche organisatorische Maßnahmen zur Einhaltung dieser Anordnung verlangt und den Gläubiger im Falle eines auch nur fahrlässigen Versagens empfindlichen Ordnungsmitteln aussetzt. Das erscheint umso weniger angebracht als die Position desjenigen, dessen geistiges Eigentum durch deliktische Tat verletzt worden ist, durch die Enforcement- in besonderer Weise gestärkt werden soll.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 W 28/22
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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