Haftung des Host-Providers und Content-Providers

Haftung des Host-Providers und Content-Providers: Der (VI ZR 93/10) hatte sich mit der Frage beschäftigt, wann ein Hostprovider für Inhalte verantwortlich ist, die seine Nutzer/Kunden eingestellt haben. Hintergrund: Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verbreitung einer ehrenrührigen im Internet auf Unterlassung in Anspruch. Im Ergebnis bejaht der BGH mitunter eine Haftung und stellt ein Schema auf, nach dem zu Verfahren ist, wenn Rechtsverletzungen gemeldet werden. Dieses Schema dürfte immer dann, wenn fremde Inhalte bereit gehalten werden, zur Anwendung kommen wenn man eine Haftung als Störer ausschliessen möchte (mit dem OLG Stuttgart gilt das etwa auch für Wikipedia).

Zum Sachverhalt: Die Beklagte mit Sitz in Kalifornien stellt die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für eine Website und für die unter einer Webadresse eingerichteten Weblogs (Blogs) zur Verfügung. Hinsichtlich der Blogs, journal- oder tagebuchartig angelegten Webseiten, fungiert die Beklagte als Hostprovider. Ein von einem Dritten eingerichteter Blog enthält unter anderem eine Tatsachenbehauptung, die der Kläger als unwahr und ehrenrührig beanstandet hat. Das Landgericht hat der Unterlassungsklage hinsichtlich der Verbreitung einer Behauptung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte insoweit keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die angestrebte Klageabweisung weiter.
Der u.a. für das zuständige VI. Zivilsenat hat die Auffassung der Vorinstanzen, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien und dass deutsches Recht Anwendung finde, gebilligt.


Zur Frage der Haftung der Beklagten nach deutschem Recht ist die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Der Bundesgerichtshof hat die Voraussetzungen konkretisiert, unter denen ein Hostprovider als Störer für von ihm nicht verfasste oder gebilligte Äußerungen eines Dritten in einem Blog auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

Zu der zunehmend komplizierten Frage auch bei uns:

Prüfung der Haftung des Providers

Dies setzt voraus, dass der Hostprovider die im Folgenden dargelegten Pflichten verletzt hat:

  1. Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann.
  2. Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten.
  3. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Bleibt also eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.
  4. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt.

Durch die Zurückverweisung an das Berufungsgericht wird den Parteien Gelegenheit gegeben, dazu vorzutragen, ob die Beklagte die ihr obliegenden Pflichten erfüllt hat.

Für die Praxis lautet das, dass Provider die bisher verbeitete Handhabe, „erst einmal schnell löschen, dann beim Kunden nachfragen“ unterlassen sollten – sie werden  wohl nun auch mit dem BGH bei einem solchen Vorgehen pflichtwidrig gegenüber dem eigenen Kunden handeln. Vielmehr sind Provider zwingend gehalten, nach Kenntnissetzung eines angeblich rechtswidrigen Zustands Ihren Kunden zu kontaktieren und eine „angemessene Frist“ zu warten, ob dieser sich dazu äußert. Auch wenn die Entscheidung im Ergebnis eine Zurückverweisung ist: Host-Provider haben seit heute eine klare Arbeitsanweisung vom BGH erhalten.

Noch interessanter wird zudem die Frage sein, ob man die hier vom BGH getätigten Gedanken auf Kommentare in Blogs und Foren zurückführen kann. Damit würde sich m.E. ein starkes Stück Haftungsproblematik entschärfen…


Keine automatische Haftung des Hostproviders für fremde Inhalte

In Übereinstimmung mit obiger Rechtsprechung des BGH (VI ZR 93/10) hat das LG Berlin (27 O 455/11) entschieden, dass ein Hostprovider nicht dazu verpflichtet ist, die von den Nutzern über ihn in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber sehr wohl verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt:

Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern […]

Dies allein ist wenig ergiebig, wichtig ist, dass es hier nicht um irgendeine Webseite oder ein Blog ging, sondern vielmehr um eine Bewertung, die zu einem Unternehmenseintrag hinterlegt wurde (soweit ich es lese, ging es um eine Kritik zu einem Unternehmen auf Google-Maps?). Die allgemeinen Grundsätze werden insofern, im Ergebnis wohl korrekt, auch auf Bewertungsplattformen angewendet.


Interessant ist wiedermals ein anderer Aspekt, der in der Praxis regelmäßig zu Problemen führt: Wie geht man mit einem Hinweis auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen um? Der BGH hatte hierzu bereits eine klare Linie vorgegeben (hier von mir erläutert) und das LG Berlin zeigt nun, dass man damit rechnen darf, dass diese Vorgaben des BGH 1:1 übernommen werden:

Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten: Ein Tätigwerden des Hostproviders ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite. Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Inhalt eines Blogs Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.


Auch beim OLG München ging es um die Haftung von Host-Providern, was ein zunehmendes Thema jedenfalls dann ist, wenn der Anspruchsteller eines Unterlassungsanspruchs zwar nicht den Betreiber eines Web-Angebots „greifen“ kann, aber eben dessen Host-Provider. Dabei ist eine grundsätzliche Haftung nicht mehr in Zweifel zu ziehen, der Bundesgerichtshof hat insofern mehrfach bestätigt, dass eine Haftung des Host-Providers in Frage kommt. Jedenfalls haftet der Hostprovider auf Unterlassung, wenn er von einer Rechtsverletzung (etwa durch entsprechenden Hinweis) Kenntnis erlangt und die rechtsverletzende Inhalte nicht beseitigt (siehe dazu nur BGH, VI ZR 93/10, hier vorgestellt – der BGH hat hier ein sehr konkretes Modell vorgegeben, wie Provider zu reagieren haben und wie Ansprüche zu stellen sind. Insbesondere sind Ansprüche hinreichend konkret geltend zu machen, also zu untermauern!).

Beim OLG München ging es nun um einen Provider, der auf einen Rechtsverstoß hingewiesen wurde – aber gleichwohl nicht reagierte. Er verwies darauf, gar nicht (mehr) über die „notwendigen Rechte“ zu verfügen, um an der betroffenen Webseite Änderungen vorzunehmen. Dieser Vortrag wurde vom OLG gar nicht mal als vollkommen unbrauchbar zurückgewiesen, aber: Das OLG verweist darauf, dass eine derartige Thematik (Welche Rechte sind betroffen? Sind sie nötig? Wurden sie wirklich übertragen?) in der „Sphäre“ des Providers angesiedelt sind. Da der Anspruchsteller diese Umstände deswegen gar nicht selber prüfen kann, obliegt es dem Provider im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, seinen eigenen Vortrag substantiiert zu untermauern. Wenn ihm dies nicht gelingt, wird er damit nicht gehört.


Das LG Düsseldorf (20 T 59/10) hat sich mit zwei Fragen beschäftigt, wobei die erste eher unproblematisch war: Es wurde auf einer Webseite ein gerichtlicher Beschluss veröffentlicht, in dem ein Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde. Dabei war der Antragsteller problemlos zu identifizieren. Nun wollte sich der Antragsteller gegen diese Publikation wehren und nahm den Host-Provider auf Unterlassung in Anspruch.

Dass die Veröffentlichung des PKH-Beschlusses in identifizierender Form ohne Einwilligung des Betroffenen ein rechtswidriger Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht war, ist nahezu problemlos festzustellen. Dass damit ein einher geht, liegt auf der Hand. Dass die Entscheidung hier mit einem Absatz auskommt ist nicht überraschend, überraschend ist vielmehr, dass solche Verstösse heute noch begangen werden.

Interessant wird es aber, wenn es um die Inanspruchnahme des Providers geht – die vom Landgericht Düsseldorf im Kern auch bejaht wird. Hier schreibt das Landgericht sehr eingängig:

Zwar ist dem Amtsgericht darin beizupflichten, dass ein Host-Provider nicht stets für die Inhalte auf den von ihm gehosteten Internetseiten haftbar gemacht werden kann. Auch trifft es zu, dass die eines Host-Providers vom Bundesgerichtshof davon abhängig gemacht worden ist, dass für ihn zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestanden haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az.: I ZR 304/01).

Zu Recht hat das Hanseatische Oberlandesgericht jedoch in der vom Antragsteller vorgelegten Entscheidung vom 19.11.2008, Az.: 7 W 144/08, ausgeführt, dass sich die Frage zumutbarer Kontrollmöglichkeiten oder des Umfangs der dem Host-Provider obliegenden Prüfungspflichten von vorneherein nur in den Fällen stellt, in denen dieser (noch) keine Kenntnis von einer bestehenden Rechtsverletzung hat oder in denen es um einen in die Zukunft gerichteten Anspruch auf Unterlassung einer erst noch bevorstehenden Rechtsverletzung geht.

Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof in der bereits genannten Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Host-Provider, der bereits über eine Rechtsverletzung informiert ist, nicht nur zum unverzüglichen Einschreiten, sondern auch dazu verpflichtet ist, Vorkehrungen zur Vermeidung künftiger Rechtsverletzungen vergleichbarer Art zu treffen.

Damit ist klar: Ab Kenntnisnahme hat der Provider einzuschreiten. Wirklich neu ist das nicht, scheinbar muss es aber noch einmal betont werden. Wer es vertiefen möchte, kann das mit Niko Härting („Internetrecht“) ab Rn. 1668 auch als Laie sehr eingängig tun. Vor diesem Hintergrund ist dann sicherlich auch verständlich, warum z.B. bei der Frage des spiegelns von Wikileaks-Dokumenten Unsicherheit bei den Providern herrscht. Hier muss man als Kunde fairerweise den Spagat der Provider anerkennen: Einmal sieht man sich Unterlassungsansprüchen ausgesetzt, bei denen man reagieren muss – andererseits läuft man bei vorschnellem Abschalten von Webinhalten Gefahr, gegenüber dem Kunden eine Vertragspflichtverletzung zu begehen.

Hostprovider kann als Gehilfe haften

Das OLG Hamburg (5 W 41/13) hat festgestellt, dass ein Hostprovider, auf dem widerrechtlich urheberrechtlich geschütztes Material zum Download angeboten wird, nicht nur im Zuge der Störerhaftung in Anspruch genommen werden kann – sondern gar als Gehilfe, im Zuge der .

Dies allerdings nicht automatisch, die Entscheidung in Hamburg hatte einen speziellen Sachverhalt als Grundlage: Der Provider war hier gleich mehrmals auf den Rechtsverstoss hingewiesen und zum Handeln aufgefordert worden. Gleichwohl hat er nicht reagiert, das OLG spricht gar von „hartnäckigem“ Ignorieren. Das Ergebnis, wenn man derart lange und hartnäckig ignoriert ist die Haftung im Zuge einer Beihilfe. Eine solche setzt einen speziellen Vorsatz (den so genannten „doppelten Gehilfenvorsatz“) voraus, der nur schwerlich anzunehmen ist. Wenn man sich aber sehr lange und hartnäckig der Rechtsdurchsetzung verweigert als Provider, so das OLG, lässt sich auf entsprechenden Vorsatz rückschliessen.

Das Ergebnis ist nicht nur dogmatischer Natur – ob man als Störer haftet oder als Gehilfe mag auf den ersten Blick gleich sein, da am Ende immer die Haftung steht. Tatsächlich aber geht es hier um eine Haftung als Gehilfe im Sinne des §27 StGB (die das OLG ausdrücklich anspricht), was nur nicht nur strafrechtliche Relevanz hat, sondern darüber hinaus den Weg zum Schadensersatz eröffnet, der bei einer reinen Störerhaftung versperrt wäre. Provider sind also gut beraten, auf entsprechende Meldungen zu reagieren.


Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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