Zur strafrechtlichen Haftung des Host-Providers

In einer sehr relevanten Entscheidung hat sich das Landgericht Berlin (506 KLs 13/13, bestätigt durch das Kammergericht) zur strafrechtlichen Haftung des Host-Providers, also des Anbieters eines Webservers, beschäfitgt. Es ging dabei um Propagandadelikte wie , die von Dritten begangen wurden. Dem Provider wurde vorgeworfen, er hätte seinen Server wissentlich darum zur Verfügung gestellt, welche Inhalte dort hinterlegt werden würden.

Das Landgericht Berlin hat eine Strafbarkeit verneint, da bedingt durch das Haftungsprivileg des §10 TMG, der auch in der Strafrecht hineinstrahle, ein stärkerer Vorsatz zu verlangen ist, der bei Providern nicht ohne weiteres anzunehmen ist. Damit untermauert das Landgericht Berlin, dass eine strafrechtliche Haftung für die Speicherung von Inhalten für einen Provider nur dort in Betracht kommt, wo auch positive Kenntnis der Inhalte nachgewiesen werden kann.

Beachten Sie dazu auch: Zivilrechtliche Haftung von Host-Providern

So führt das Gericht aus:

Die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Beihilfehandlung, durch zur Verfügung stellen eines Servers, erfüllt nicht den Tatbestand eines Strafgesetzes im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, weil dem Angeschuldigten der erforderliche Vorsatzgrad des dolus directus 2. Grades nach Aktenlage nicht nachzuweisen ist (…) Die zivilrechtliche Vorschrift des TMG stellt eine Haftungsprivilegierung (sog. Providerprivileg) dar. Diese Privilegierung ist auf das Strafrecht zu übertragen. Eine Übertragung auf das Strafrecht ist vom Gesetzgeber bei Verabschiedung des Teledienstgesetzes (TDG) und TMG ausdrücklich gewollt gewesen (BT-Drs. 16/3078, S. 15; BT-Drs. 14/6098, S. 23ff.). Der Gesetzgeber kommt damit der unionsrechtlichen Intention aus Art. 14 ECRL auf umfassende Privilegierung des Providers nach (BT-Drs. 14/6098 S. 25; Hoeren/Burger, in: UFITA-Schriftenreihe, Band 3/2012, S. 743, S. 753; Sieber/Höfinger, in: Multimedia-Recht, 36. Erg.-Lfg, 2013, § 10 TMG Rn. 87f.). Der Diensteanbieter, also der Provider, kann somit für fremde Inhalte auf den von ihm gehosteten Internetseiten unter den in § 10 Satz 1 Nr. 1 und 2 TMG genannten Voraussetzungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Eine Strafbarkeit wegen ist danach aufgrund § 10 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 TMG ausgeschlossen, weil in subjektiver Hinsicht das billigende in Kauf nehmen einer rechtswidrigen Haupttat gerade nicht ausreichend ist. Nach dieser Privilegierungsnorm ist nämlich die positive Kenntnis – im Sinne eines dolus directus 2. Grades – von einer rechtswidrigen Handlung auf der gehosteten Internetseite notwendig, um eine strafrechtliche Verantwortung zu begründen.

Die Entscheidung verdeutlicht einen wichtigen Aspekt: Zum einen ist für die Annahme einer Beihilfe immer der doppelte Gehilfenvorsatz notwendig und bei diesem sind erhöhte Anforderungen zu stellen, um dem Haftungsprivileg gerecht zu werden. Soweit sich ein Angeklagter dazu nicht einlässt, müsste man aus den Umständen auf einen eventuelle Vorsatz rückschliessen, wobei dem Gericht folgende Umstände nicht ausreichten:

  1. Gegenseitige Verlinkung wenn nicht die konkreten Inhalte verlinkt wurden
  2. Allgemeine Zahlungen sind nicht ausreichend wenn diese lediglich Gegenleistung für das Hosting sind
  3. Ein ähnlicher Aufbau der Webseiten von Provider und Nutzer ist belanglos
  4. Wenn nach erwiesener Kenntnisnahme die Löschung der INhalte durch den Provider erfolgt, erfüllt er die Voraussetzungen des §10 Abs.2 TMG, hier ist nichts hinein zu deuten

Zwar kann hier im Gesamtbild auf einen Eventualvorsatz geschlossen werden, eben dies ist aber nicht ausreichend. Die Entscheidung ist insoweit durchaus bedeutsam für die strafrechtliche Verantwortung von Providern, zeigt aber auch, dass man nicht nur aus zivilrechtlichen Gründen möglichst zeitnah nach nachgewiesener In-Kenntnissetzung reagieren sollte.

Diese Entscheidung wurde vom Kammergericht (4 Ws 71/14) ausdrücklich bestätigt, das insoweit u.a. ausführt:

Der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts trifft hierbei zu. § 10 TMG beansprucht rechtsgebietsübergreifend Geltung und ist wegen der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht anwendbar. Die Geltung der verantwortungsbeschränkenden Norm auch im Strafrecht ist vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt (…) Das Landgericht hat ferner mit Recht angenommen, dass das Haftungsprivileg des § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm und des ausdrücklich formulierten Willens des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks. 14/6098 S. 25; BTDrucks. 16/3078 S. 15) nur bei positiver Kenntnis des Täters von den konkreten strafrechtlich relevanten Inhalten entfällt (…)

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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