Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Urteilsaufhebung in der sogenannten „Hamburger Rolling-Stones-Affäre“

Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2023 über die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das am 8. April 2022 ergangene Urteil des Landgerichts Hamburg in der sogenannten „Rolling-Stones-Affäre“ verhandelt und entschieden: Gegenstand des Strafverfahrens sind Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit einem Konzert der Rolling Stones am 9. September 2017 im Hamburger Stadtpark.

Nach den Feststellungen des Landgerichts forderte der damalige Bezirksamtsleiter R. bei den Vertragsverhandlungen über die Nutzung des Stadtparks vom Konzertveranstalter Freikarten und Optionen zum Erwerb von Karten außerhalb des regulären Verkaufs. Deren K. und der zuständige Projektleiter W. überließen ihm daraufhin 100 Freikarten im Gesamtwert von 14.743,90 Euro und 300 Kaufoptionen. Die Freikarten verteilte R. im Bezirksamt; unter anderem erhielt der damalige Dezernatsleiter O. Freikarten, aber auch Auszubildende und seine Sekretärin. O. verfasste in Absprache mit R. ein rückdatiertes Schreiben, um eine Genehmigung der Annahme der „Freikartenspende“ nach den dafür geltenden Dienstvorschriften zu fingieren. Unter Nutzung der von R. angebotenen Kaufoptionen erwarben drei Hamburger Staatsräte Karten für die Veranstaltung. R. selbst nahm zudem auf Einladung von K. und W. an dem Konzert und an einem vorherigen Abendempfang teil.

Das Landgericht hat den vormaligen Bezirksamtsleiter R. wegen und und den ehemaligen Dezernatsleiter O. wegen Vorteilsannahme sowie wegen zur Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Zudem hat es die des Wertes der Freikarten angeordnet. Von einer Verurteilung des Angeklagten R. wegen oder und des Angeklagten O. wegen Beihilfe hierzu hat es abgesehen, weil es nicht festzustellen vermocht hat, dass die Höhe des Nutzungsentgelts unangemessen niedrig gewesen oder durch die Gewährung der Freikarten beeinflusst worden wäre. Ebenso wenig hat das Landgericht es als strafbar bewertet, dass R. eine Einladung zu Abendempfang und Konzert angenommen hat; dies habe der Erfüllung legitimer Repräsentationsaufgaben gedient. Den Geschäftsführer des Konzertveranstalters K. und den für die Veranstaltung zuständigen Projektleiter W. hat es von den Vorwürfen der freigesprochen.

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Der hat das Urteil insgesamt aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen. Die bei einer Revision der Staatsanwaltschaft stets erforderliche umfassende Urteilsüberprüfung (§ 301 StPO) hat die Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ergeben, aber auch solche zum Nachteil der verurteilten Angeklagten R. und O. Der Senat konnte aufgrund lückenhafter und widersprüchlicher Urteilsfeststellungen nicht überprüfen, ob das Landgericht das materielle Recht richtig angewendet hat.

Die Feststellungen belegen schon nicht, dass der Überlassung der Freikarten und Kaufoptionen eine für die Erfüllung des Straftatbestands der Vorteilsannahme erforderliche sogenannte Unrechtsvereinbarung zugrunde lag. Die Strafkammer hat außer Acht gelassen, dass die Freikarten auch eine prinzipiell zulässige Gegenleistung des Konzertveranstalters für die Nutzung des Stadtparks gewesen sein könnten. In diesem Fall wären die Vorteile nicht „für die Dienstausübung“ im Sinne der Strafnorm des § 331 StGB geleistet worden.

Das Landgericht hat allerdings auch eine Verurteilung des R. wegen Bestechlichkeit durch Forderung und Annahme der Freikarten und Kartenoptionen nicht tragfähig verneint. Die Strafkammer hat dabei als mögliche Gegenleistung lediglich die Bemessung des Nutzungsentgelts für den Stadtpark in den Blick genommen, nicht aber bedacht, dass es den Angeklagten auch um Wohlwollen bei der Vertragsabwicklung gegangen sein könnte. Das Landgericht hat sodann zwar für sich genommen rechtsfehlerfrei begründet, dass die Bemessung des Nutzungsentgelts nicht zu beanstanden war, dabei aber verkannt, dass es nach § 331 Abs. 3 Nr. 2 StGB für die Tatbestandserfüllung schon ausreicht, wenn der Täter sich dem anderen gegenüber bereit zeigt, sich bei der Ausübung seines Ermessens von dem Vorteil beeinflussen zu lassen. Dies wäre nach den Ausführungen im Urteil zu prüfen gewesen. Denn danach seien R., K. und W. übereingekommen, dass die Freikarten und Kartenoptionen bei der Bemessung des Nutzungsentgelts „in die Waagschale“ geworfen werden sollten.

Durchgreifende Rechtsfehler haben sich auch ergeben, soweit R. für die Verteilung der Freikarten an die Bezirksamtsmitarbeiter und der Kartenoptionen an die Staatsräte wegen Vorteilsgewährung verurteilt worden ist. Eine Unrechtsvereinbarung ist hier ebenfalls nicht hinreichend festgestellt. Insbesondere hat das Landgericht nicht bedacht, dass eine unredliche Beeinflussung der Dienstausübung bei Geschenken des Dienstvorgesetzten an seine Mitarbeiter eher fernliegt. Das Landgericht hat es zudem unterlassen, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Untreue des R. zu Lasten seiner Anstellungskörperschaft zu prüfen, die er durch das freihändige Verteilen von der Anstellungskörperschaft möglicherweise übereigneten Freikarten zu eigenen Zwecken verwirklicht haben könnte.

Da die aufgezeigten Rechtsfehler sich auch auf die Verurteilung des Angeklagten O., die Freisprüche sowie die Einziehungsentscheidungen ausgewirkt haben, war das Urteil in vollem Umfang aufzuheben. Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. (Urteil vom 31. August 2023 – 5 StR 447/22; Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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