Erstmals deutsches Urteil: Virtueller Diebstahl strafbar?

Die Augsburger-Allgemeine berichtet von einem Urteil aus Augsburg, das erstmals den virtuellen behandelt (Über die Sache wurde schon Anfang 2009 berichtet). Der Sachverhalt ist verkürzt so darzustellen: Spieler A „stiehlt“ den Spielern B und C (nachdem er diesen ihre Zugangskennungen „abgeluchst“ hat) im Rahmen eines Computerspiels „Items“ ihrer Charaktere. Als die Spieler B und C ihre Charaktere nach einer Spielpause wieder sahen, waren sie sprichwörtlich halbnackt. Der Richter befand diesbezüglich auf eine strafbare Handlung.

Virtueller Diebstahl

Nun muss man wissen, dass ein solch „“ nicht unmittelbar strafbar ist. Jedenfalls der Tatbestand des Diebstahls (§242 StGB) setzt „bewegliche Sachen“ voraus, die es beim Diebstahl von „Daten“ nicht geben kann. Fraglich also: Wie konstruiert man eine Strafbarkeit?

Der Richter sah laut Presse eine Strafbarkeit nach §303a StGB, der da lautet:

Wer rechtswidrig Daten (§ 202a Abs. 2) löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert, wird mit bis zu zwei Jahren oder mit bestraft.

Auf den ersten Blick erscheint das gar nicht abwegig: Der Täter „stahl“ die Items ohne Erlaubnis, also rechtswidrig. Voraussetzung ist, dass das Opfer ein „Nutzungsrecht“ an den betroffenen Daten hat – als solches „Nutzungsrecht“ kommt jedes Recht (auch schuldrechtlicher Natur) in Betracht. Die Verfügungsbefugnis im Rahmen des Vertrags mit dem Spielnetzwerk-Betreiber wird da ausreichen.

Man mag nun darüber streiten, ob das transferieren der Items auf einen anderen Charakter wirklich ein löschen ist – jedenfalls aber ist es ein Verändern von Daten. Das mit dem Löschen würde ich letztlich wohl bejahen, da jedenfalls die Daten entfernt werden, die eine Verknüpfung zwischen dem Item-Objekt und dem Charakter herstellen (Ich gehe davon aus, dass das jeweilige Item nicht als einzelnes Code-Paket dem Charakter zugeschrieben wird, sondern ein feststehendes OOP-Objekt lediglich verknüpft wird).

Entscheidung zum virtuellen Diebstahl

In der Entscheidung wird dazu ausgeführt:

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte eines Vergehens der nach §§ 303 a Abs. 1, 303 c Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Der Angeklagte hat rechtswidrig fremde Daten gelöscht bzw. unterdrückt und dadurch das von der Vorschrift des § 303 a StGB geschützte Vermögen der Geschädigten in seiner spezialisierten Ausprägungen in Daten geschädigt. Die Löschung bzw. Veränderung dieser von den Geschädigten käuflich erworbenen Daten war auch nicht von der Genehmigung gegenüber dem Angeklagten umfaßt, mit deren Figuren für die Geschädigten spielen zu dürfen. Dies wußte der Angeklagte.

Ein Vergehen des Diebstahls nach § 242 StGB liegt hingegen nicht vor, da nur die Entwendung beweglicher, d.h. körperlicher Sachen nach der genannten Vorschrift strafbar ist, nicht jedoch – wie hier – die Entwendung virtueller Ausrüstungsteile.

Virtueller Diebstahl im Metaverse?

Die Möglichkeit eines virtuellen Diebstahls im Metaverse ist durchaus denkbar, insbesondere wenn man die wachsende Bedeutung und den steigenden Wert von digitalen Gütern und Eigentum im Metaverse berücksichtigt. Im Metaverse können Nutzer virtuelle Gegenstände wie NFTs (Non-Fungible Tokens), virtuelle Immobilien, digitale Kunstwerke oder andere wertvolle digitale Güter erwerben und besitzen. Diese virtuellen Güter können oft einen beträchtlichen monetären Wert haben und sind daher potenziell attraktive Ziele für Diebstahl.

Ein virtueller Diebstahl könnte beispielsweise die unrechtmäßige Erlangung der Kontrolle über digitale Güter oder die unrechtmäßige Übertragung von Eigentumsrechten an diesen Gütern ohne Zustimmung des rechtmäßigen Eigentümers umfassen. Dies kann durch Hacking, , Ausnutzung von Sicherheitslücken oder betrügerische Transaktionen geschehen.

Aus rechtlicher Sicht wirft ein solcher Diebstahl im Metaverse komplexe Fragen auf, wie etwa die Definition und Anerkennung von Eigentumsrechten an virtuellen Gütern, die Zuständigkeit und Durchsetzung von Rechten in einem dezentralisierten und internationalen virtuellen Raum sowie die Anwendbarkeit traditioneller Diebstahlsgesetze auf virtuelle Güter. Ferner können sich Fragen der Verantwortlichkeit und Haftung von Plattformbetreibern und anderen Akteuren im Metaverse stellen. Angesichts der Einzigartigkeit des Metaverse und der darin enthaltenen digitalen Güter ist es wahrscheinlich, dass sich die Rechtsnormen und -praktiken weiterentwickeln müssen, um solche Fälle von virtuellem Diebstahl effektiv anzugehen und zu regeln.

Zusammenfassung zum virtuellen Diebstahl

Die Sache dürfte spannend werden – das „stehlen“ virtueller Güter ist ein zunehmendes Problem und es bleibt abzuwarten, ob nach diesem ersten Urteil nun weitere Opfer mit dem Mittel der dagegen vorgehen werden. Dabei ist der sture Blick auf den §303a StGB meines Erachtens nicht gerechtfertigt. Interessant wird es, wenn jemand (wie im vorliegenden Fall) die Zugangsdaten unter falschem Vorwand erschleicht und an Dritte weiterverkauft: Mag man hier einen erkennen? ( ist mangels „Sache“ wieder ausgeschlossen). Die Frage ist dabei keine Akademische, erhöht sich doch der Strafrahmen im Vergleich zum §303a StGB gleich auf 5 Jahre.

Das Urteil erscheint mir vertretbar und ein deutliches Zeichen, was einen bei angeblichen „Kavaliersdelikten“ erwarten kann. Auf jeden Fall muss die Erkenntnis mitgenommen werden, dass man zunehmend mit einer Verfolgung rechnen muss. Und damit, dass Gerichte die Sache nicht einfach abtun. (AG Augsburg, 33 Ds 603 Js 120422/09)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.