Wer ist der Vater?

Dass man sich darum streitet, wer nun der Vater eines Kindes sein soll ist (leider) – nicht nur in diversen Fernsehformaten – Alltag. Auch dass mitunter in einem sehr begrenzten Zeitfenster auch durchaus eine Häufung potentieller Väter stattfindet ist gar nicht so unüblich. Was aber nun beim (15 UF 51/06) lag und seltsamerweise bisher keiner grossen Pressebeachtung begegnete, ist doch etwas besonderes: Im relevanten Zeitfenster hat die Mutter des Kindes mit zwei Männern geschlafen. Die eineiige Zwillinge waren.

Das zwei Väter identisches Erbgut für die Analyse liefern ist nun ein Extremfall, den die Gerichte trocken als „wissenschaftlich-technisches Neuland“ bezeichnen, sprich: Die Gerichte sehen sich Sachverständigen gegenüber, die sich im grossen und ganzen eher Überfordert zeigen. Dabei klagte hier übrigens nicht die Mutter, sondern der eine Bruder gegen den anderen auf Feststellung der Vaterschaft.

Um es an diesem Punkt nun kurz zu machen: Die Gerichte (AG Hameln, danach OLG Celle) fanden natürlich eine vollkommen vertrackte Situation vor. Alleine auf Grund der Aussagen der Beteiligten war eine eindeutige Feststellung nicht möglich. Also mussten Gutachter her – hier wurde festgestellt, dass die bisherigen Gutachten ebenso zielführend seinen, wie die Aussagen der Parteien. Dabei muss man wissen, dass entsprechende genetische Tests „nur“ Teile des genetischen Codes prüfen, herangezogen werden so genannte „Marker“. Im vorliegenden Fall hatte man es mit 1033 Markern (statt der üblichen 12) versucht, was fast 100.000 Euro kostete, um auch hiermit zu keinem Ergebnis zu gelangen.

Der Gutachter verwies danach darauf, dass man auch einen vollständigen Test vornehmen können („whole genome sequencing“) – die Kosten wären exorbitant (nicht beziffert), angesichts der bisherigen Kosten mag man sich vielleicht die schwindelerregende Höhe ausmalen. Letztlich sah das OLG auch von weiteren Gutachten und Anhörungen des Sachverständigen aus Kostengründen ab, da man meinte, es wäre so oder so ausweglos – obwohl der Sachverständige bereits darauf verwiesen hat, dass er „entsprechende Unternehmen“ kontaktiert hätte und diese ein „sehr hohes Interesse“ an dem Fall hätten. Dabei stellte der Sachverständige in Aussicht, dass die Kosten ggfs. (zu einem grossen Teil) von den Unternehmen selbst getragen werden.

Die Sache ging nun bis zum BVerfG – das die Entscheidung des OLG Celle aufgehoben und die Angelegenheit zurück verwiesen hat: Das OLG hat nach Auffassung des BVerfG nicht alles getan, was nötig ist, um die Angelegenheit zu klären. Insbesondere muss erforscht werden, welcher Kostenaufwand nun im Detail entstehen könnte. In diesem Zusammenhang äußert sich das BVerfG auch zur Unmöglichkeit der Feststellung:

Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass es Fälle geben mag, in denen die Abstammung eines Kindes unaufklärbar bleibt, auch weil sie nur unter einem deutlich unangemessenen finanziellen Aufwand mit nur geringer Aussicht auf weiteren Erkenntnisgewinn ermittelbar wäre. In einem solchen Fall könnte davon ausgegangen werden, dass es keine erlangbaren Informationen gibt, die den Grundrechtsträgern vorenthalten werden.

Die Logik wäre also: Wo nichts gefunden werden kann, da wird auch am Ende nichts vorenthalten. Aber: Bis dahin muss man alles nur mögliche versuchen, um das zu finden, was aufzudecken ist. Der vorliegende Fall zeigt, dass das auch in Extremfällen nicht „einfach mal so“ festgestellt werden kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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