Datenschutzrecht: KUG im Rahmen der DSGVO mit dem OLG Köln anwendbar

Erfreulich ist ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln (15 W 27/18, später noch 15 U 110/18), der klarstellt, dass das KUG mit seinen Privilegierungen auch im Rahmen der Datenschutzgrundverdordnung () Anwendung findet (vorliegend im Hinblick auf journalistische Zwecke). Dabei richtet sich die Veröffentlichung von Fotos nach dem KUG, die Frage ob das Fotoerstellt werden kann ist eine primär datenschutzrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Frage, hier regelt das KUG nichts.

Dazu auch: Zulässigkeit der Fotos von Veranstaltungen und Umzügen

Hinweis: So auch inzwischen ausdrücklich der Bundesgerichtshof

OLG Köln zur Anwendbarkeit des KUG im Rahmen der DSGVO

Dazu verweist das OLG Köln auf Artikel 85 DSGVO, der nationale Gesetze mit Abweichungen von der DSGVO zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken zulässt. Diese Öffnungsklausel erlaubt nicht nur neue Gesetze, sondern auch bereits bestehende Regelungen – dies mit dem klaren gesetzgeberischen Ziel einen sonst zu befürchtenden Verstoß der DSGVO gegen die Meinungs- und Medienfreiheit zu vermeiden, hier also Spielräume zu eröffnen. Damit kommt das OLG zu den Ausführungen:

Mit Blick darauf sind dann Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss zum „Fortgelten“ des KUG im journalistischen Bereich und das Berufen auf den zitierten Aufsatz Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 ff. überzeugend. Für das Äußerungsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. APR) ist auch bereits thematisiert worden, dass dieses die Abwägungs- und Ausgleichsfunktion zur Herbeiführung praktischer Konkordanz der widerstreitenden Grundrechtspositionen im hiesigen Bereich übernehmen kann (Gierschmann u.a/Schulz/Heilmann, DSGVO, Art. 85 Rn. 8); für das KUG kann im Bereich der Bildberichterstattung nichts anderes gelten. Die umfangreichen Abwägungsmöglichkeiten im Rahmen des KUG erlauben dann auch – was künftig geboten sein dürfte – eine Berücksichtigung auch der unionsrechtlichen Grundrechtspositionen. Dass sich daraus hier etwas anderes ergeben sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist dem Senat keine Abweichung zu den – ohnehin in der Abwägung bewusst offen gehaltenen (Überblick bei Ehmann/Selmayr/Schiedermair, DS-GVO 2017, Art 85 Rn. 8 – 15 m.w.N.) – Rspr. des EuGH bzw. des EGMR ersichtlich; auch Erwägungsgrund 153 der DS-GVO wünscht in diesem Bereich nur eine – national im Zuge des § 823 Abs. 1 BGB als Rahmenrecht bzw. bei §§ 22, 23 KUG ohnehin erfolgende – umfassende Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen.

Das ist inhaltlich nicht so überraschend: Die Meinungs- und sind hohe Schutzgüter und sollten von Beginn an durch das Datenschutzrecht zwar tangiert aber nicht beeinträchtigt werden. Es ist erfreulich, dass nun eine erste frühzeitige Klarstellung eines OLG in die Richtung im Raum steht, dass man sich bei seinen Fotografien (selbstverständlich) weiterhin auf die Privilegierungen des KUG berufen kann. Dies dürfte wohl auch gelten hinsichtlich der Schranken des UrhG, etwa wenn es um ein Beiwerk geht oder die Portraitierung von Erlebnissen der Zeitgeschichte, deren Anwendungsbereich unlängst erweitert wurde. Insgesamt sollten Fotografen sich nicht zu sehr in Sorge um die Erstellung von Fotografien kümmern – die alten Regeln werden weiterhin gelten.

Weitere Rechtsprechung zum Verhältnis KUG und DSGVO

Das LG Frankfurt am Main (2-03 O 283/18 und 2-03 O 320/17) steht auf dem Standpunkt, dass jedenfalls bei der Abwägung im Rahmen der DSGVO die Vorgaben des KUG zu berücksichtigen sind.

Auffassung der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen

Die Landesbeauftragte für den Niedersachsen hat eine eigene Stellungnahme abgegeben zur Frage der Anfertigung und Veröffentlichung von Personenfotografien nach dem 25. Mai 2018 die im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben wird:

„In den vergangenen Monaten haben uns zahlreiche Anfragen von verunsicherten Vereinsvorständen, Berufs- und Hobbyfotografen, Bloggern und Webseitenbetreibern zur Veröffentlichung von Personenfotografien vor dem Hintergrund der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) erreicht. Getragen waren sie überwiegend von der Sorge, nun ohne schriftliche Einwilligung der Abgebildeten keine Fotos mehr veröffentlichen zu dürfen, weil sonst ein hohes Bußgeld drohen könnte. Diesen Ängsten und Sorgen möchten wir entgegentreten.

Richtig ist: Das Kunsturhebergesetz (KUG), das in der Vergangenheit auf die Veröffentlichung von Personenfotografien angewandt wurde, kann nach Ansicht der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen seit der Geltung der DS-GVO (also seit dem 25. Mai 2018) nicht mehr bei jeder Veröffentlichung von Personenfotografien (Bildnissen) herangezogen werden. Ein Rückgriff auf das KUG ist zukünftig nur noch zu journalistischen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder literarischen Zwecken möglich. Dennoch ändert sich für diejenigen, die Personenfotografien zu anderen Zwecken verarbeiten möchten, gar nicht so viel.

Jede Erstellung und Veröffentlichung braucht eine Rechtsgrundlage

Das KUG hat den Grundsatz, dass für die Veröffentlichung von Personenfotografien eine Einwilligung der abgebildeten Person(en) erforderlich ist. Auf eine Einwilligung kann nur in den in § 23 KUG geregelten Ausnahmefällen verzichtet werden. Seit dem 25. Mai 2018 muss jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die nicht unter den Anwendungsbereich des KUG fällt, auf eine Rechtsgrundlage aus Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gestützt werden. Hier kommen u.a. in Betracht:

Interessenabwägung

Gibt es keinen Vertrag mit den abgebildeten Personen, kann vor dem Einholen einer Einwilligungserklärung gem. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO zunächst geprüft werden, ob die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten (z. B. des Fotografen oder Veranstalters) erforderlich ist. Zugleich dürfen nicht die Interessen oder Grundrechte und -freiheiten des Abgebildeten, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Bei dieser Abwägung sind besonders die „vernünftigen Erwartungen“ der betroffenen Personen zu berücksichtigen (Erwägungsgrund 47 DS-GVO). Können die betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten (also hier bei Anfertigung der Fotografie) und angesichts deren Umständen vernünftigerweise absehen, dass eine Verarbeitung zu bestimmten Zwecken erfolgen wird, z.B. zur Berichterstattung über eine Veranstaltung in einem Vereinsblatt, dürften den berechtigten Interessen des Verantwortlichen in der Regel der Vorrang einzuräumen sein.

Kinder sind besonders schutzbedürftig

Wenn Aufnahmen allerdings heimlich oder verdeckt gemacht werden oder das die Privat- oder Intimsphäre des Betroffenen erfasst, wird ein Vorrang der Interessen des Verantwortlichen nicht anzunehmen sein. Gleiches gilt, wenn das Foto jemanden in einer Situation darstellt, die diskreditierend sein kann oder die Gefahr einer birgt.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f a. E. DS-GVO ist zudem insbesondere dann von einer überwiegenden Schutzbedürftigkeit der Betroffeneninteressen auszugehen, wenn Aufnahmen von Kindern gemacht werden. Auch bei einer Veröffentlichung im Internet ist in der Regel von einem Überwiegen der Betroffeneninteressen auszugehen, da eine Veröffentlichung im Internet sich erfahrungsgemäß nicht vollständig rückgängig machen lässt. Fälle, in denen die Interessen des Betroffenen überwiegen, sind auch Fotos von Situationen, die Rückschlüsse auf besondere Kategorien von Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ermöglichen, u. a. auf Religion, Gesundheit, Sexualleben oder sexuelle Orientierung.

Im Zweifelsfall eine Einwilligung einholen

Bei der Veröffentlichung von Personenfotografien können auch im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO die Ausnahmeregelungen nach § 23 KUG berücksichtigt werden (z. B. Bilder der Zeitgeschichte, Personen nur als „Beiwerk“, Bilder von Versammlungen etc.). Generell lässt sich sagen: Die Umstände, die im Rahmen der Anwendung des KUG dazu führen würden, das eine Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung möglich wäre, führen in der Regel auch im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO zu dem Ergebnis, dass eine Veröffentlichung zulässig ist und damit keiner gesonderten Einwilligung bedarf.

Beispiel: Die Veröffentlichung eines Fotos, welches unter den Begriff der Zeitgeschichte (im Sinne des KUG) fällt, kann im Bereich der Presse wie bisher auf § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KUG gestützt werden, soweit dem keine besonderen schützenswerten Interessen des Betroffenen gem. § 23 Abs. 2 KUG entgegenstehen. Für andere Stellen, wie z.B. einen Verein, wäre bei gleichem Sachverhalt in der Regel eine Veröffentlichung gem. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO möglich. In Zweifelsfällen ist es jedoch ratsam, auf eine Einwilligung zurückzugreifen.

Was vorher rechtswidrig war, bleibt es auch jetzt

Nicht unerwähnt lassen möchten wir, dass es nach unserer Wahrnehmung in der Vergangenheit zu Veröffentlichungen ohne das Einholen von Einwilligungen gekommen ist, die nicht von den Ausnahmen des § 23 KUG gedeckt waren und damit einer Einwilligung bedurft hätten. Solche Veröffentlichungen bleiben selbstverständlich auch bei Anwendung der DS-GVO ohne Einwilligung (oder sonstige Rechtsgrundlage, wie z.B. ein Vertrag) rechtswidrig. Jeder Verantwortliche ist somit gut beraten, kritisch zu hinterfragen, inwieweit sein Vorgehen in Bezug auf die Veröffentlichung von Personenfotografien in der Vergangenheit mit dem KUG konform war. Wofür es in der Vergangenheit einer Einwilligung bedurft hätte, bedarf es auch unter der DS-GVO einer solchen.

Es besteht somit kein Grund zur Panik – Personenfotografien dürfen nicht nur im Anwendungsbereich des KUG sondern auch auf Grundlage der DS-GVO verarbeitet werden und es bedarf nicht in jedem Fall einer Einwilligung. Wird die Anfertigung und/oder Veröffentlichung von Personenfotografien jedoch auf eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO gestützt, empfehlen wir, diese in jedem Einzelfall sehr sorgfältig vorzunehmen und nicht leichtfertig über die Interessen der Betroffenen hinwegzugehen.“ (Quelle: Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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