Polizist gefilmt: keine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 RVs 28/22, hat sich nun ein weiteres OLG gegen die frühere Rechtsprechung gewendet, die partout beim Filmen von Polizisten eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes annehmen möchte. Hintergrund ist, dass beim Filmen Tonaufnahmen gemacht werden und Polizisten – in vollkommener Verkennung Ihrer Funktion – hier früher massiv Anzeigen erstattet haben.

Faktische Öffentlichkeit

Als „nichtöffentlich gesprochene(s) Wort“ im Sinne von § 201 StGB ist jede nicht an die Allgemeinheit gerichtete Äußerung aufzufassen, die nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus ohne Weiteres wahrnehmbar ist.

Das OLG arbeitet nun die faktische Öffentlichkeit (so auch schon das LG Aachen früher) heraus und zeigt, dass man hier genau die Umstände herausarbeiten muss:

Entscheidend sind die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung. Für die Frage der Nichtöffentlichkeit ist daher vor allem – aber nicht allein – der Wille des Sprechers von Bedeutung. Daneben kommt es auch auf „Zweck und Eigenart“ der Unterredung an (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 201 Rn. 3 und 4 unter Hinweis auf BGHSt 31, 304).

Vom Sprecher unbemerkte Zuhörer können zu einer „faktischen Öffentlichkeit“ führen, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss (LG Kassel, Beschluss vom 23. September 2019, 2 Qs 111/19; LG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2021, 610 Qs 37/21; zuletzt OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. Juni 2022, 1 OLG 2 Ss 62/21). Diese Auslegung, die auch die objektiven Rahmenbedingungen des Gespräches mit einbezieht, korrespondiert mit dem Schutzzweck des § 201 StGB. Der Straftatbestand dient dem Schutz des Sprechers in Situationen, in denen er keinen Anlass zu sehen braucht, wegen der Anwesenheit verschiedener Personen Zurückhaltung in Form und Inhalt seiner Äußerungen zu wahren.

Wenn der Sprecher damit rechnen muss, dass seine Worte zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangen – redet er etwa in einem vollbesetzten Gasthaus mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme – , so macht er damit seine Worte zu „öffentlichen“, und zwar selbst dann, wenn er sich – im Beispielsfall – lediglich an seine Stammtischfreunde wendet (…). Die mit der Revision vertretene Ansicht, es komme ausschließlich auf den Willen des Sprechers an, führt zu einer wesentliche Erweiterung der Strafbarkeit über den nach allgemeiner Meinung bestehenden Bereich hinaus. Sie lässt indes den dargestellten Schutzzweck der Vorschrift außer Betracht und findet in deren Wortlaut keine Stütze. Der Senat vermag sich dieser erweiternden Auslegung des Begriffs des „nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ nicht anzuschließen.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 RVs 28/22

Polizeieinsatz muss genau angesehen werden

Die Ausführungen des OLG sind ein Musterbeispiel dafür, wie am konkreten Fall gearbeitet werden muss und was insbesondere das Amtsgericht vorher zu prüfen hat:

Nach den offen zutage liegenden Umständen mussten die kontrollierenden Polizeibeamten mit einer Kenntnisnahme durch Dritte rechnen.

Die Beamten führten die Kontrolle der Angeklagten auf einer frei zugänglichen öffentlichen Fläche durch, auf der beliebige Dritte ihre Diensthandlung beobachten und akustisch wahrnehmen konnten. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der L. – ein an ein Kneipenviertel und die Innenstadt angrenzender K. – am 18. November 2020 gegen 18:40 Uhr von Versammlungsteilnehmern und Passanten frequentiert. Auf die Aufforderung der Angeklagten waren andere Personen hinzugetreten. Nicht ausschließbar hielten sich bereits während des Laufens der Tonaufnahme unbeteiligte Personen derart im Bereich der Angeklagten und der Beamten auf, dass sie das von den Beamten gesprochene Wort hören konnten.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 RVs 28/22

Polizisten schaffen Ihre eigene Realität

Es ist schon befremdlich genug, wie oft ich im Gerichtssaal miterleben muss, dass Polizisten sich gar nicht bewusst sind, dass die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, sie bei Ihrer Arbeit zu kontrollieren – und dass die Öffentlichkeit hierzu auch das Recht hat. Ich hatte letztens jemanden darauf hingewiesen, dass man insoweit den falschen Beruf ergriffen hat, wenn man zwar im öffentlichen Dienst tätig sein möchte (und die dortigen Benefits gerne mitnimmt), wohl aber die Öffentlichkeit scheut: dann ist die Berufswahl schlicht falsch gewesen. Dabei muss man sich damit abfinden, dass das Bedürfnis der Bevölkerung, Polizisten zu kontrollieren und zu hinterfragen, in den letzten Jahren auch noch angestiegen ist.

Besonders peinlich wird es dann, wenn mancher Polizist im Gerichtssaal versucht, den Anwesenden etwas über Persönlichkeitsrechte zu erklären, dabei nur zeigt, dass er das (komplexe) nicht verstanden hat und insbesondere schon daran scheitert, den Unterschied zwischen dem Anfertigen und dem Verbreiten einer Aufnahme zu verstehen.

Richtig ärgerlich ist es, wenn die Justiz sich im Gerichtssaal mit Fällen herumschlagen muss, in denen die Polizei unnötig Arbeit produziert hat: Ein lokaler Polizist etwa hatte als auf meine Befragung in diesem Jahr erklärt, dass man sich wohl bei dieser Polizei gegenseitig „schult“. Und dass er gegen eine filmende Person vorgegangen sei, „um eine Straftat zu verhindern“ (gemeint war das Filmen von ihm selbst), was am Ende zu einer vermeintlichen Widerstandshandlung führte. Dass er sich die Straftat nur „ausgedacht“ hat, diese „Schulung“ von ihm entweder nicht verstanden wurde oder schlicht schlecht gewesen ist und das Verfahren durch diesen Unsinn vergiftet wurde, dürfte er nach meinem Eindruck nicht erfasst haben.

Wie immer an dieser Stelle der von mir übliche Hinweis, bevor sich die falschen angesprochen fühlen: Auf Polizei-Bashing habe ich keine Lust, die Aufgabe der Polizei ist von herausragender Bedeutung und der Umgang mit Polizisten ist seitens mancher Klientel so mies, dass man sich nicht wundern darf, wenn es aus dem Wald herausschallt, wie man hineinruft. Gleichwohl hat die Polizei mit öffentlicher Kontrolle zu leben, das ist das Spiegelbild der besonderen Bedeutung ihrer Tätigkeit – und wer Angst hat, in Uniform gefilmt zu werden, sollte sich fragen, warum er (oder sie) diese Angst hat. Der Aufruf kann nur sein, dass die Polizeibehörden ihre Leute vernünftig schulen, ihnen beizubringen, keine Angst vor einer Kamera und ein Empfinden zu haben, was man sich wirklich nicht gefallen lassen muss.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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