Videoaufnahmen mit Mobiltelefonen bei Polizeieinsätzen zulässig

Im Rahmen von Polizeieinsätzen kommt es mitunter zu heftigeren Auseinandersetzungen. Dürfen solche Auseinandersetzungen durch eine Handyaufnahme in Bild und Ton festgehalten werden? Und ist die Polizei berechtigt, in einem solchen Fall das Handy zu beschlagnahmen, mit dem derartige Aufnahmen gemacht worden sind? Mit diesen Fragen hatte sich die 10. Große Strafkammer des Landgerichts in einer Beschwerdeentscheidung zu befassen (Beschl. v. 24.09.2021, Az. 10 Qs 49/21).

Hinweis: Nach einer kurzen Welle abwegiger Rechtsprechung pendelt sich inzwischen ein, dass die Gerichte mit Videoaufnahmen von Polizisten bei Einsätzen kein Problem haben; Polizisten nehmen bisher auf die frühere Rechtsprechung Bezug, um die spätere Kontrolle ihres Verhaltens bei Einsätzen zu erschweren – das wird mit der aktuellen Rechtsprechung aber nicht mehr zu vereinbaren sein. Insbesondere liegen mir weitere Entscheidungen, auch das LG Aachen, vor, die sich hier sehr kritisch zeigen und offen kommunizieren, kein Verständnis zu haben, warum man Angst vor der Aufnahme (auch des Tons) bei Einsätzen haben will.

Am 13.06.2021 kam es in der Osnabrücker Innenstadt zu einem einer Funkstreifenbesatzung, bei der es u.a. zur Fixierung einer sich widersetzenden Person auf dem Boden kam. Während dieser Maßnahmen wurden die Einsatzkräfte wiederholt durch umstehende Personen – u.a. auch durch den Beschwerdeführer – gestört. Die Beamten versuchten, die Situation zu beruhigen und sprachen hierzu Platzverweise aus. Der Beschwerdeführer fertigte währenddessen mit seinem Handy Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an. Die Polizeibeamten forderten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen, weil derartige Tonaufnahmen strafbar seien. Im weiteren Verlauf wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen dessen Willen sichergestellt.

Aus der Entscheidung des LG Osnabrück

Nichtöffentlich sind Gespräche oder Diskussionen, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist, d.h. nicht einem beliebigen Zutritt offensteht. Daher kommt es nicht auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an. Bestehen bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten für andere unbeteiligte Personen, können sie ihren ansonsten privaten Charakter aufgrund ihrer faktischen Öffentlichkeit einbüßen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 15 und 18 m.w.N.). Unter der Prämisse, dass trotz der systematischen Stellung des § 201 StGB im 15. Abschnitt des StGB, der die Strafbarkeit der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs regelt, auch dem persönlichen Lebensbereich des agierenden Beamten entrückte dienstliche Äußerungen dem Schutzbereich des § 201 unterfallen, ist auch die Aufzeichnung des gesprochenen Worts etwa bei polizeilichen Kontrollen strafbar, es sei denn, es besteht auch hier bereits eine faktische Öffentlichkeit, weil etwa weitere Personen z.B. in einem frequentierten Bahnhofsgebäude mithören können (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 17, 17a m.w.N.).

Für die Frage des Vorliegens einer faktischen Öffentlichkeit ist nicht maßgeblich, ob lediglich eine Person (was nach Ansicht des LG München I, Urteil vom 11. Februar 2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17 –, Rn. 15, juris, für eine faktische Öffentlichkeit nicht ausreichen soll) oder mehrere Personen die polizeiliche Maßnahme tatsächlich beobachtet oder ihr beigewohnt haben, sondern allein die Frage, ob beliebige andere Personen von frei zugänglichen öffentlichen Flächen oder allgemein zugänglichen Gebäuden und Räumen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 18) – mithin eine beliebige Öffentlichkeit – die Diensthandlungen hätten beobachten und akustisch wie optisch wahrnehmen können. Um einem unter diesen Bedingungen gesprochenen Wort ein öffentliches Gepräge zu geben, ist nicht entscheidend, ob andere Personen das gesprochene Wort tatsächlich wahrgenommen haben. Denn insoweit ist anerkannt, dass etwa eine Äußerung dadurch den nichtöffentlichen Charakter verliert, wenn sie als Lautsprecherdurchsage (vgl. MükoStGB/Graf a.a.O.) durch einen unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden konnte, ohne dass es (noch) darauf ankommt, ob sie auch tatsächlich von einzelnen Personen wahrgenommen worden ist.

2. Gemessen an diesen Kriterien ist das im Zuge einer im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommenen Diensthandlung geäußerte Wort in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, wenn dieser Ort – wie hier – frei zugänglich war. Die Besonderheit, dass hier u.a. gegen den Beschuldigten ein Platzverweis ausgesprochen wurde, ändert an dieser Bewertung nichts, weil zum einen der Aktenlage nicht eindeutig zu entnehmen ist, dass die Aufnahme unter Verletzung des Platzverweises erfolgte, und zum anderen der Platzverweis hier nicht zur Herstellung der Vertraulichkeit – etwa zur Ermöglichung einer Lagebesprechung – diente, was dazu hätte führen können, dass das dort gesprochene Wort zu einem nicht öffentlichen geworden wäre, sondern der Platzverweis ausschließlich die Durchführung der aufgenommenen Diensthandlung ermöglichen sollte.

Eine weniger enge, d.h. den Bereich der Strafbarkeit erweiternde Auslegung ist nicht angezeigt. Denn die Vorschrift dient der verfassungsrechtlich garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Gewährleistung der Unbefangenheit der mündlichen Äußerung (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 2 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Eines Schutzes der Unbefangenheit bedarf ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches der rechtlichen Überprüfung unterliegt, indes nicht.

Die hier vorgenommene enge Auslegung vermeidet zudem Friktionen insbesondere zu § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn es ist vor dem Hintergrund dieser nachträglich geschaffenen Regelung und der ihr zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertung kein Grund ersichtlich, warum die Strafbarkeit der akustischen Perpetuierung durch Aufnahme des Wortes (so viel) weitergehen soll als die visuelle Perpetuierung durch Bildaufnahmen im öffentlichen Raum, die abgesehen von den in § 201a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB genannten Fällen straffrei ist.

Das Amtsgericht Osnabrück bestätigte mit Beschluss vom 14.07.2021 die . Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer.

Das Landgericht hob die amtsgerichtliche Entscheidung auf und gab dem Beschwerdeführer recht. Es liege kein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vor, so dass das Handy nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen.

Die von den Polizeibeamten vorgenommenen Diensthandlungen seien im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommen worden. Die insoweit gesprochenen Worte seien in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, weil der Ort frei zugänglich gewesen sei. Die Strafvorschrift des § 201 StGB, die die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stelle, erfasse solche Äußerungen nicht. Die Vorschrift schütze die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung. Diese Unbefangenheit sei bei dienstlichem Handeln, das rechtlich gebunden sei und der rechtlichen Überprüfung unterliege, nicht tangiert. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass gem. § 201 a StGB das Anfertigen von Bildaufnahmen im öffentlichen Raum – von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen – straffrei sei. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Aufnehmen von Tonaufnahmen im öffentlichen Raum strenger geahndet werden sollte als die Fertigung von Bildaufnahmen in demselben Umfeld. (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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