Kryptomessenger: Notwendige Feststellungen im Urteil bei Encrochat & Co.

Inzwischen zeichnet sich ab, dass das eigentliche Verteidigungspotential von KRyptomessengern in deutschen Gerichtssälen derzeit weniger in der Beweisverwertung als vielmehr in der richtigen Erfassung und Darstellung des Sachverhalts liegt. Insbesondere finden sich immer wieder Kammern, die erhebliche Teile des Chatverkehrs entweder vollständig in das Urteil einbeziehen oder auf die im eingebrachten Teile verweisen wollen.

Dabei gilt aber wie sonst auch: Die pauschale Bezugnahme auf inhaltlich nicht näher beschriebene Chatnachrichten als Gegenstand eines Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 ) ersetzt nicht die zumindest in groben Zügen erforderlichen Ausführungen hierzu. Zwar ist eine detaillierte Inhaltsangabe oder gar wörtliche Wiedergabe sämtlicher Chatprotokolle regelmäßig untunlich und kann die erforderliche Darlegung der gebotenen eigenverantwortlichen tatrichterlichen Beweiswürdigung nicht ersetzen, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Einzelfall sogar den Bestand eines Urteils gefährden.

Auch insoweit hat der Tatrichter eine wertende Auswahl zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu treffen und kann – was gerade bei Serientaten im Betäubungsmittelstrafrecht nahe liegt – zur Straffung und gedanklichen Strukturierung etwa mehrerer Taten verbindende Gesichtspunkte der jeweils einzelfallbezogenen Darstellung voranstellen, namentlich An- und Verkaufspreise sowie die Qualität der gehandelten Betäubungsmittel. Hier fehlt es aber an jeglicher Darstellung des Nachrichtengehalts (zusammenfassend: BGH, 6 StR 228/22).

Gerade bei der inhaltlichen Würdigung darf sich ein Gericht der Arbeit nicht entziehen: Bei einer mittels Codewörtern verschlüsselten Kommunikation wird im Interesse der Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht erwartet, dass dargelegt wird, wie die Entschlüsselung der relevanten Passagen im Einzelnen erfolgt ist und aufgrund welcher Erwägungen es zur Bewertung des Gesprächsinhalts gekommen ist (BGH, 4 StR 421/19).

Hinweis: Zum Thema Kryptomessaging und Beweisverwertungsverbot findet sich von RA JF in der Literatur eine Darstellung bei §174 TKG Rn. 4, 35 im BeckOK-StPO (Beweisverwertungsverbot und EUGH-Rechtsprechung) sowie in jurisPR-StrafR 11/2023 Anm. 4 (LG Darmstadt)!
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Die Feststellungen müssen eine Würdigung der erhobenen Beweise enthalten, die erkennen lässt, woraus das Landgericht insbesondere den Geschehensablauf sowie Art, Menge und Qualität der gehandelten Betäubungsmittel hergeleitet hat. Keinesfalls genügt eine sich in einem Satz erschöpfende „Beweiswürdigung“ dergestalt, dass die Strafkammer „ihre Überzeugung vom Tatgeschehen auf die eingeführten und vorgetragenen Chatverläufe stützt“ (BGH, 6 StR 243/23).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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