Unrichtige Angaben der Arbeitgeberin in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

Wie ist zu verfahren, wenn ein Arbeitgeber gegen einen ehemaligen erstattet? Es gilt: Erstattet ein Arbeitgeber leichtfertig und übereilt, insbesondere ohne vorherige Anhörung, Strafanzeige gegen seinen Arbeitnehmer, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Dies gilt insbesondere für die Kosten der anwaltlichen Vertretung im Strafverfahren. Diese Konsequenz ergibt sich aus der (gegenseitigen) arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2 Sa 19/22) hat sich zu dieser Thematik geäußert und betont, dass eine Haftung wegen unrichtiger Auskünfte des Arbeitgebers in einem staatsanwaltschaftlichen grundsätzlich das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraussetzt. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien jedoch grundsätzlich alle darauf beruhenden gegenseitigen Rechte und Pflichten für die Zukunft erloschen, so dass auch eine Haftung grundsätzlich nicht mehr in Betracht komme.

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Das Gericht macht dabei deutlich, dass ein weiter Spielraum besteht, man also nicht übervorsichtig sein muss und gerade auch leichtfertige Strafanzeigen möglich sind. Insoweit fasst das Landesarbeitsgericht die Rechtsprechung zum Thema sehr adäquat zusammen:

Vorliegend ist bereits eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten innerhalb eines Schuldverhältnisses, begangen durch Frau Dr. K. als Erfüllungsgehilfin, nicht gegeben, denn es hat insoweit keine nachvertragliche Pflicht der Beklagten bestanden, welche nachdem das Arbeitsverhältnis beendet war durch eine Aussage innerhalb eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens verletzt worden sein könnte. Eine Haftung nach § 280 BGB setzt grundsätzlich das Bestehen eines Schuldverhältnisses voraus, denn es geht um eine Verantwortlichkeit infolge einer Sonderbeziehung. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben allerdings sämtliche hierdurch begründete beiderseitige Rechte und Pflichten für die Zukunft grundsätzlich ihr Ende gefunden. Eine Nachwirkung von Rechten und Pflichten aus beendeten Arbeitsverhältnissen kann nur in einem sehr begrenzten Umfang in Betracht kommen. Sie bezieht sich auf Seiten des Arbeitgebers im Wesentlichen auf die Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses und zur Auskunftserteilung auf Anforderung des Arbeitnehmers.

Auch ist anerkannt, dass ein Anspruch auf Einsicht in die bei einem beendeten Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung besteht. Ein Verstoß gegen eine nachwirkende Treuepflicht kann dann nicht vorliegen, wenn zwischen den Parteien keine anderen nachwirkenden Rechtsbeziehungen z.B. auf Gewährung von Ruhegeld mehr bestehen. Eine andere Auffassung würde dazu führen, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses auch nach Lösung aller sonstigen Beziehungen weiterhin personenrechtliche Bindungen zueinander hätten. Das ist aber unhaltbar. Es würde bedeuten, dass die früheren Partner niemals voneinander loskommen könnten, nur, weil einmal ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen bestanden hat. Auf eine Verletzung des Arbeitsvertrages, der vor Geltendmachung der Forderung zwischen den Parteien bestanden hat, kann sich ein Arbeitnehmer deshalb nur ausnahmsweise berufen.

Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Schutz- und Rücksichtnahmepflicht auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen hat. Der Arbeitgeber und seine Repräsentanten dürfen das des Arbeitnehmers nicht verletzen. Dies gilt auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, solange dem Arbeitgeber persönlichkeitsrelevante Lebensbereiche des Arbeitnehmers aufgrund der vormaligen Arbeitsbeziehungen noch in besonderer Weise eröffnet sind (BAG, Urteil vom 16.11.2010 – 9 AZR 573/09 – Rn. 36, juris). Welche persönlichkeitsrelevanten Lebensbereiche das Beklagen vorliegend nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien eröffnet waren, ist nicht nachvollziehbar.

Die erforderlichen Voraussetzungen einer aus dem Arbeitsverhältnis der Parteien resultierenden Pflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin, die durch eine Aussage im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren verletzt worden sein könnte, sind danach nicht dargetan. Sicherlich besteht für die Beklagte die allgemeine Verpflichtung gegenüber der Klägerin und den staatlichen Ermittlungsbehörden, im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wahrheitsgemäße Angaben über die Klägerin zu tätigen. Eine Verletzung dieser Pflicht vermag jedoch keine vertragliche Haftung zu begründen.

Zudem kommt auch einer „sonstigen Person“, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Angaben zur Aufklärung tätigt, das „Zeugenprivileg“ zu. Die Aussage einer „sonstigen“ Person im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ist im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Aufklärung von Straftaten. Der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten.

Es ist mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht vereinbar, wenn redliche Äußerungen in einem Zivilprozess oder die redliche Wahrnehmung staatsbehördlicher Rechte und Pflichten im Strafermittlungsverfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu rechtlichen Nachteilen führen, nur weil die Behauptung sich später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder auch nur als unaufklärbar erweist (BGH, Urteil vom 28.02.2012 – VI ZR 79/11 – Rn. 9, juris). Insoweit kommen die für eine Strafanzeige Erstattende oder für Zeugen geltenden Grundsätze für eine innerhalb eines Ermittlungsverfahrens Angaben tätige Person ebenso zum Tragen.

Die nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige Strafanzeige eines Bürgers liegt im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten. Dieser hat der einfache Gesetzgeber durch das Erfordernis der Wissentlichkeit in § 164 StGB () und durch die Kostenregelung in § 469 StPO Rechnung getragen. Diese Vorschriften gewähren zugleich den Beschuldigten Schutz vor vorsätzlich falschen Verdächtigungen und solchen Anzeigen, die leichtfertig, d.h. ohne erkennbaren Grund erstattet werden. Im Übrigen unterliegen die erhobenen Vorwürfe der Überprüfung in einem mit rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien ausgestatteten Ermittlungsverfahren, dem sich jeder betroffene Staatsbürger bei Vorliegen des Verdachts einer strafbaren Handlung stellen muss (, Urteil vom 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85 – Rn. 10, juris). Ein Anzeigender muss alles vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen für erforderlich halten darf, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, wenn ihm der Wahrheitsbeweis nicht gelingt. Für zivilrechtliche Ansprüche ist wegen der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege kein Platz, das gilt auch für Schadensersatz- bzw. Ehrenschutzklagen (BVerfG, Urteil vom 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85 – Rn. 12, juris). Vor vorsätzlich falscher Verdächtigung schützt § 164 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, vor zumindest leichtfertiger Anzeige die Kostentragungspflicht des § 469 StPO.

Im Übrigen werden die Rechte des Betroffenen durch die Garantie des Ermittlungsverfahrens gewahrt. Gleiches gilt für Aussagen von Zeugen im Rahmen von derartigen Ermittlungsverfahren und Strafprozessen. Hier schützen die §§ 153 ff StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB den Betroffenen. So kann gegenüber dem Vorbringen einer Partei oder ihres Rechtsanwalts, das der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Zivilprozess dient, der hierdurch in seiner Ehre Betroffene nicht Widerruf oder Unterlassung fordern. Das Gleiche gilt, wenn es sich um angeblich unrichtige Strafanzeigen oder Beschwerden an eine Rechtsanwaltskammer handelt (BGH, Urteil vom 14.11.1961 – VI ZR 89/59 – juris). Selbst wenn jemand nicht auf Anforderung der Staatsanwaltschaft, sondern „freiwillig“ zur Staatsanwaltschaft geht und dort Aussagen tätigt, handelt es sich um die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren und kann – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen, dass daraus zivilrechtliche Ansprüche gegen den Aussagenden erwachsen (BVerfG, Urteil vom 02.07.2001 – 1 BvR 2049/00 – Rn. 20, juris).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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