Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (5 Ws 19/24), beschäftigt sich mit der Interpretation der „nicht geringen Menge“ von Cannabis im Rahmen des neu eingeführten Konsumcannabisgesetzes (KCanG). Die Entscheidung überrascht, denn man wendet die alten Regelungen aus dem BtMG vollständig auf das KCanG an. Beachten Sie dazu auch meinen Aufsatz im JurisPR-Strafrecht!
Sachverhalt
Der betroffene Fall dreht sich um den Vorwurf des Handels mit Cannabis in nicht geringer Menge, der nach altem wie neuem Recht strafbar ist. Der Beschuldigte wurde ursprünglich nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) angeklagt, und das Verfahren wurde nach Einführung des KCanG fortgeführt.
Juristische Problemstellung
Kern der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Bestimmung dessen, was als „nicht geringe Menge“ unter dem KCanG zu verstehen ist. Diese Definition hat direkten Einfluss auf die Schwere der Straftat und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Hamburg stellte fest, dass der Grenzwert der „nicht geringen Menge“ bei Cannabisprodukten bei einem Wirkstoffanteil von mindestens 7,5 g THC liegt. Diese Definition orientiert sich an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum BtMG, die auch unter dem neuen Gesetz als maßgeblich angesehen wird:
Der Senat sieht keinen Anlass, durch die Neuregelung in § 34 KCanG Veränderungen an dieser Grenzziehung
vorzunehmen. Die Regelung in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG knüpft hinsichtlich des Wortlauts ohne jegliche Änderungen an
die Regelung in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an. Auch das Ziel der Regelung entspricht derjenigen des §29a Abs. 1 Nr. 2
BtMG.Die Intention des Gesetzes besteht ausweislich der Regierungsbegründung darin, eine kontrollierte und
kontrollierbare Qualität der Cannabisprodukte zum Schutz von Konsumenten und so insgesamt einen verbesserten
Gesundheitsschutz zu erreichen. Hierzu sollen der illegale Markt eingedämmt sowie die cannabisbezogene Aufklärung
und Prävention gleichsam mit dem Kinder- und Jugendschutz gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 1). Das Ziel der
strafschärfenden Berücksichtigung des Handels mit einer nicht geringen Menge Cannabis liege darin, dass hierdurch
„insbesondere gefördert wird, dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm
bleibt“. Es geht mithin – wie im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – um die Verhinderung eines erhöhten
Gefahrenpotentials, das sich aus der Ansammlung einer erhöhten (und unkontrollierten) Drogenmenge ergibt (vgl.
Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, Rn. 35 zu § 29a BtMG m.w.N.).
Interessant ist hierbei, dass das Gericht betont, dass der Gesetzgeber des KCanG keine spezifische Veränderung dieses Grenzwertes vorgesehen hat. Vielmehr wurde die Festlegung dieser Grenze explizit der Rechtsprechung überlassen, womit eine gewisse Kontinuität zum vorherigen Rechtsregime unter dem BtMG geschaffen wird.
Fazit und Auswirkungen
Die Entscheidung des OLG Hamburg unterstreicht die Bedeutung der Rechtsprechung in der Auslegung und Anwendung neuer gesetzlicher Vorgaben. Durch die Beibehaltung des Grenzwertes von 7,5 g THC für die „nicht geringe Menge“ wird eine direkte Verbindung zu den historischen und wissenschaftlichen Bewertungen dieser Menge als maßgeblich für die Risikobewertung und Gefährdung durch Cannabis gehalten.
Die Entscheidung kann und wird man sehr kritisch sehen, der Gesetzgeber hat ausdrücklich in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, von einem anders zu definierenden und ausdrücklich höher anzusetzenden Grenzwert auszugehen. Darauf geht das OLG auch ein, setzt sich aber hierüber hinweg:
Soweit die Gesetzesbegründung die Erwartung an die Rechtsprechung formuliert, dass der konkrete Wert einer nicht
geringen Menge „aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln“ sein werde, und dass man „im Lichte der
legalisierten Mengen an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten“ könne, der Grenzwert
also im Ergebnis „deutlich höher liegen [müsse] als in der Vergangenheit“ (BT-Drs. 20/8704, S. 132), folgt der Senat
dem nicht.
Dabei übersieht das OLG, dass der Gesetzgeber kein andere Gericht ist, das man schlicht ignoriert, sondern dessen Willen in der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen ist.
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