Konfrontation zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz im digitalen Raum

In einem Fall des LG Ellwangen (Aktenzeichen 1 O 73/22, Entscheidungsdatum 24.01.2024) ging es um die Persönlichkeitsrechtsverletzung einer Person, die der Querdenken-Bewegung zuzurechnen ist, durch Äußerungen auf der Plattform X (ehemals Twitter).

Sachverhalt

Kern des Verfahrens waren diverse Tweets des Beklagten, die sich gegen den Kläger, einen Rechtsanwalt und Blogger, richteten. Der Beklagte hatte den Kläger unter anderem als „Frauenschläger“, „Volksverhetzer“ und „Antisemit“ bezeichnet. Der Kläger argumentierte, es handle sich um Schmähkritik und verlangte eine Unterlassung.

Rechtliche Analyse

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Darlegungs- und für die tatsächlichen Umstände einer ehrenrührigen Kritik beim Äußernden liegt. Interessant war hierbei die Entscheidung des Gerichts, dass die Bezeichnungen „Frauenschläger“ und „Antisemit“ unzulässig waren, da sie nicht durch sachliche Kritik gedeckt waren und sich als sachbezugslose Formalbeleidigungen darstellten.

Hervorzuheben ist die Abwägung zwischen und dem des Betroffenen. Das Gericht betonte, dass selbst drastische Herabsetzungen in der Ehre nicht als Schmähung zu sehen sind, wenn sie einen Bezug zu sachlichen Auseinandersetzungen haben. Hervorzuheben sind dabei diese Aspekte:

  1. Darlegungs- und Beweislast für ehrenrührige Kritik:
    Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, auf die sich eine ehrenrührige Kritik stützt, liegt beim Äußernden. Dies bedeutet, dass derjenige, der eine ehrverletzende Aussage tätigt, die Fakten liefern muss, die seine Behauptungen stützen. Auf der anderen Seite muss derjenige, der sich durch die Kritik beeinträchtigt fühlt, darlegen und beweisen, dass und wie er von dieser Kritik betroffen ist.
  2. Formalbeleidigungen und die Rolle von Hashtags:
    Das Gericht stellt klar, dass die Verwendung von Hashtags, die als Beleidigungen gelten können, auf der Plattform X (ehemals Twitter) die Ehrverletzung nicht ausschließt. Es existiert kein Grundsatz, dass nur selbst erdachte Beleidigungen die Ehre eines anderen verletzen können. Somit spielt es für die Annahme einer Formalbeleidigung keine Rolle, dass die beleidigende Äußerung gleichzeitig als Hashtag verwendet wird.
  3. Umgang mit dem Begriff „Verschwörungsidiot“:
    Eine Person, die kritiklos an einer Gesprächsrunde mit Verschwörungstheoretikern teilnimmt und verschwörungstheoretische Inhalte diskutiert, muss sich im Kontext dieser Aktivitäten den Vorwurf, ein „Verschwörungsrechtsverdreher“ zu sein, gefallen lassen. Ebenso muss jemand, der unbegründete Behauptungen aufstellt, wie die angebliche Inszenierung gewalttätiger Ausschreitungen durch staatliche Akteure, die Bezeichnung „Verschwörungsidiot“ im anlassbezogenen Kontext akzeptieren.
  4. Umgang mit dem Begriff „Hassprediger“:
    Personen, die antisemitische Codes, Metaphern und Narrative verbreiten, mit der Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen Teile der Bevölkerung radikalisieren, und sich dabei mit Rechtsextremisten in freundschaftlicher Atmosphäre zeigen, müssen sich den Vorwurf eines „Hasspredigers“ gefallen lassen. Dies gilt insbesondere, wenn sie in diesem Kontext agieren und eine entsprechende öffentliche Wahrnehmung erzeugen.

Fazit

Auch dieses Urteil unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht, besonders in der digitalen Öffentlichkeit. Es zeigt auf, dass selbst scharfe Kritik im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig sein kann, solange sie einen Sachbezug aufweist und nicht zur unbegründeten Diffamierung einer Person führt. Der Fall betont die Bedeutung der Verantwortung von Personen, die in sozialen Medien öffentlich kommunizieren.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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