Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17) hat sich zum Erlass einstweiliger Verfügungen im Bereich des Presserechts geäußert und klargestellt, dass sich aus dem Grundsatz der Waffengleichheit ergibt, dass ein Gericht auch im Presse- und Äußerungsrecht der Gegenseite vor einer stattgebenden Entscheidung über den Antrag einer Partei im Zivilrechtsstreit das Recht auf Gehör gewähren muss. Es gibt insoweit auch keine regelmäßige „Erforderlichkeit einer Überraschung oder Überrumpelung des Gegners“ bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Presse- und Äußerungsrecht.
Auch wenn das BVerfG anerkennt, dass insoweit häufig eine Eilbedürftigkeit anzuerkennen sein wird, folgt gleichwohl hieraus kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als solche dem Gegner verborgen bleibt. Dabei stellt das BVerfG heraus, dass jedenfalls in den Fällen, in denen es um eine bereits veröffentlichte Äußerung geht, regelmäßig kein Grund vorhanden sein wird, von einer Anhörung und Äußerungsmöglichkeit eines Antragsgegners vor dem Erlass einer einstweiligen Verfügung abzusehen. Zugleich aber hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass über eine einstweilige Verfügung gegen Veröffentlichungen der Presse gleichwohl angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden muss:
Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt demgegenüber aber nicht ohne weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag generell aus dem Verfahren herauszuhalten. Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern.
Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1783/17
Wozu dies kostentechnisch führen kann, wenn man eventuell auch bewusst vorher von einer Abmahnung absieht, macht das LG Frankfurt am Main (2-03 O 414/18) deutlich:
Die Kosten des Eilverfahrens fallen gemäß § 93 ZPO dem Antragsteller zur Last. Grundsätzlich sind gemäß § 93 ZPO, der auch auf das einstweilige Verfügungsverfahren Anwendung findet (BeckOK-ZPO/Jaspersen, 31. Ed. 2018, § 93 Rn. 8 m.w.N.), die Kosten einer einstweiligen Verfügung dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn der Antragsgegner zur Beantragung der einstweiligen Verfügung keinen Anlass gegeben hat, wenn also bei vernünftiger Würdigung des Verhaltens des Antragsgegners der Antragsteller zu dem Schluss berechtigt ist, er werde ohne Einleiten eines gerichtlichen Verfahrens nicht zu seinem Recht gelangen, § 93 ZPO (BGH NJW-RR 2005, 1005. 1006; Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 93 Rn. 2). Hiervon ist in der Regel – auch in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten – aber nicht auszugehen, wenn der Antragsgegner zuvor nicht abgemahnt wurde (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.03.2014 – 16 W 15/14; OLG München NJW-RR 2001, 42; vgl. auch (für Wettbewerbssachen) OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 14.02.2018 – 6 W 6/18, BeckRS 2018, 9083 m.w.N.). Von dem Erfordernis, den Schuldner vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abzumahnen, kann unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden. Entscheidend ist das vorprozessuale Verhalten des Beklagten. Dem nachfolgenden Gebaren kann allerdings indizielle Bedeutung zukommen (Musielak/Voit-Flockenhaus, a.a.O., § 93 Rn. 2 m.w.N.).
LG Frankfurt am Main (2-03 O 414/18)
Am Ende wurden nach einem Anerkenntnis dann die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt.
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