Was ist ein Trinkgeld im steuerrechtlichen Sinn?

Nach § 3 Nr. 51 EStG sind Trinkgelder, die dem anlässlich einer Arbeitsleistung von dritter Seite freiwillig und ohne Rechtsanspruch zusätzlich zu dem für die Arbeitsleistung zu entrichtenden Entgelt gegeben werden, steuerfrei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG eine zusätzliche Vergütung, die dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährt wird und die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt (vgl. ausführlich BFH in BFH/NV 2009, 382).

Ein Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung für die dem Leistenden gegenüber erbrachte Mühewaltung in Form eines kleinen Geldgeschenks (vgl. BFH, Urteile vom 19. Juli 1963 – VI 73/62 U, BStBl III 1963, 479 und vom 3. Mai 2007 – VI R 37/05, BStBl II 2007, 712). Dem Begriff des Trinkgeldes als Zeichen einer besonderen Honorierung einer Dienstleistung über das vereinbarte Entgelt hinaus ist grundsätzlich ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldempfänger immanent. Kennzeichnend ist, dass sich Geldfluss und honorierte Leistung in einem nicht notwendig rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne korrespondierend gegenüberstehen (vgl. BFH in BStBl II 2007, 712). Das Trinkgeld und die damit „belohnte“ Leistung kommen dem Arbeitnehmer und dem Kunden unmittelbar zugute. Der Trinkgeldempfänger steht faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält dementsprechend auch eine doppelte Vergütung, nämlich das Arbeitsentgelt von seinem Arbeitgeber und das Trinkgeld vom Kunden.

Dieser Trinkgeldbegriff gilt auch nach der Neuregelung des § 3 Nr. 51 EStG durch das Gesetz zur Steuerfreiheit von Arbeitnehmertrinkgeldern. Zwar war es erklärtes Ziel der Neuregelung, eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Trinkgeld vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 14/9428, 1, 6) und zu verhindern, dass reguläre Lohnzahlungen durch „Trinkgelder“ ersetzt werden (vgl. BT-Drs. 14/9428, 1, 5). Zu diesem Zweck wurden auch in § 3 Nr. 51 EStG die Tatbestandsmerkmale „anlässlich einer Arbeitsleistung“, „freiwillig“ und „zusätzlich zu dem … für diese Arbeitsleistung zu zahlenden Betrag“ eingefügt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass mit diesen Ergänzungen der überkommene, vom allgemeinen Sprachgebrauch geprägte und bisher nur typologisch umschriebene Trinkgeldbegriff durch einen nunmehr eigenständig gesetzlich definierten ersetzt und insbesondere auf die für das Trinkgeld typische persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten verzichtet werden sollte. Weder die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerfreiheit von Arbeitnehmertrinkgeldern (BT-Drs. 14/9029) noch die des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung, BT-Drs. 14/9061) geben hierfür Anhaltspunkte.

Das Trinkgeld ist danach Ausdruck der Zufriedenheit mit der Qualität der Leistung, die ausschließlich an die Person des Leistenden anknüpft (BT-Drs. 14/9061, 3), und setzt damit auch eine persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Kunde voraus. In Übereinstimmung damit versteht auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter Trinkgeld Leistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung freiwillig als persönliche Zuwendung aus einer besonderen Motivationslage heraus von Dritten erbracht werden (vgl. BAG, Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 AZR 1001/94, BAGE 80, 230).

Ausweislich der oben zitierten Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren hatte der Gesetzgeber auf der Empfängerseite auch nach der gesetzlichen Neufassung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich im Blick, deren Einkommen in nicht unerheblichem Umfang durch Trinkgelder aufgestockt wird (so Finanzgericht Köln, 9 K 2814/20 und 9 K 2507/20).


Insgesamt lädt die Trinkgeldregelung natürlich auch zu Schindluder ein – darum kann schon die Höhe eines Trinkgeldes gegen seine entsprechende steuerrechtliche Behandlung sprechen. So hat das Finanzgericht Köln in einem Fall schon aufgrund der Höhe der Zahlung von rund 1,3 Mio. € das Vorliegen eines Trinkgeldes abgelehnt und erläutert, warum die Höhe ausschlaggebend ist:

Dabei schließt sich der Senat der Auffassung des Bundesfinanzhofs an, wonach die Neufassung des § 3 Nr. 51 EStG keine abschließende Legaldefinition des Trinkgeldbegriffes darstellt, sondern den Begriff des Trinkgeldes voraussetzt und dessen Umstände für Zwecke der näher beschreibt.

Hierfür spricht gerade auch der vom Kläger herangezogene zeitliche Zusammenhang zwischen der Änderung der Gewerbeordnung (GewO) und des Einkommensteuergesetzes. Während in § 107 Abs. 3 S. 3 GewO eine Legaldefinition des Trinkgeldbegriffs enthalten ist („Trinkgeld ist…“), setzt § 3 Nr. 51 EStG einen Trinkgeldbegriff voraus („Trinkgelder, die…“). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Begriffe trotz des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung nicht identisch auszulegen. Beide Gesetze verfolgen nämlich unterschiedliche Zwecke. Während die Gewerbeordnung in § 107 darauf abzielt, Beschäftigte möglichst umfassend davor zu schützen, dass aufgrund der Üblichkeit von Trinkgeldern die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgeltes vertraglich ausgeschlossen werden kann, stellt § 3 Nr. 51 EStG eine rechtfertigungsbedürftige und deshalb restriktiv anzuwendende Ausnahme vom Grundsatz des steuerlichen Nettoprinzips dar, da der Gesetzgeber aus Verwaltungsvereinfachungs- und sozialen Gründen von der verfassungsrechtlich gebotenen gleichmäßigen Besteuerung absieht.

Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 € abschaffte, sollte nach Überzeugung des Senats damit nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass dem Begriff des Trinkgeldes keinerlei Begrenzung zu entnehmen wäre. Eine solche ergibt sich bereits aus dem nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legenden überkommenen allgemeinen Begriffsverständnis, das durch die Neufassung des Gesetzestextes nicht von abschließend zu verstehenden Tatbestandsmerkmalen verdrängt werden sollte. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, nach welchen Maßstäben im Einzelnen sich die angemessene Höhe eines Trinkgeldes ermittelt. Unzutreffend hält der Senat jedenfalls die Auffassung des Klägers, wonach sich die prozentuale Angemessenheitsgrenze auf den von der Z Verwaltungs- aus der Anteilsveräußerung erzielten Gewinn bezieht. Typischerweise erfolgt eine Trinkgeldzahlung in Ergänzung des Betrags, den der von der Dienstleistung Begünstigte für die erbrachte Leistung selbst zu entrichten hat und der nach Überzeugung des Senats den Maßstab für die Trinkgeldzahlung bilden dürfte. Die im Streitfall erhaltene Zahlung in Höhe von rund 1,3 Mio. € jedenfalls übersteigt den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden kann, deutlich.

Auch der vom Gesetzgeber erwartete Steuerausfall von sechs Millionen € spricht angesichts der Vielzahl der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vorrangig von Trinkgeldzahlungen profitierenden Beschäftigten bzw. Branchen für im Einzelfall deutlich geringere Zahlungen.

Finanzgericht Köln, 9 K 2814/20 und 9 K 2507/20
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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