Der Bundesgerichtshof (5 StR 229/19) konnte nunmehr, Ende 2020, klarstellen, dass entsprechend § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO der Zugriff auf beim Provider zwischen- oder endgespeicherte („ruhende“) E-Mails gestattet ist. Der Bundesgerichtshof ergänzt damit seine bestehende Rechtsprechung zur Beschlagnahme von Mails um den wesentlichen und bisher offenen Aspekt der heimlichen Beschlagnahme von Mails die beim Provider liegen.
Insoweit stellt der BGH nun auch klar, dass es sich bei E-Mails, die nach Kenntnisnahme beim Provider zwischen- oder endgespeichert werden, um Telekommunikation im Sinne von § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO handelt. Der 3. Senat hat sich dem angeschlossen!
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Diese Rechtsprechung dürfte im Bereich Cybercrime für einige Rechtssicherheit sorgen – zugleich aber massiv steigende Zugriffszahlen der Behörden auf Emails provozieren. So stellt der Bundesgerichtshof nunmehr klar:
- Die Telekommunikationsüberwachung nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO erfasst auch beim Provider zwischen- oder endgespeicherte („ruhende“) E-Mails.
- Bei einem verdeckten Zugriff auf beim Provider gespeicherte E-Mails handelt es sich um Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation im Sinne des § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO.
- Dem Zugriff nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO steht nicht entgegen, dass beim Provider gespeicherte E-Mails mit der offenen Maßnahme des § 94 StPO beschlagnahmt werden können.
- Der Eingriff nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO ist nicht auf E-Mails beschränkt, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme versandt oder empfangen wurden.
Das bedeutet, es kann mit richterlicher Genehmigung – vorausgesetzt es geht um eine der Katalogtaten des §100a Abs.2 StPO, wo aber inzwischen selbst gewerbsmässig begangene Betrugstaten gelistet sind – eine heimliche Überwachung des laufenden Mailverkehrs erfolgen dergestalt, dass Mails beim Provider mitgelesen werden. Denn die Telekommunikationsüberwachung nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO stellt für den BGH im Ergebnis eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Zugriff auf beim Provider gespeicherte E-Mails dar – wie er sich das vorstellt erklärt er auch gleich:
Soweit hiergegen eingewandt wird, § 100a StPO „passe“ nicht, weil es der auf eine Kooperation mit den Providern ausgerichteten Befugnisnorm an den für den Zugriff auf bei diesen „ruhenden“ E-Mails typischen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeelementen mangele (…) stellt dies die Anwendung des § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht in Frage. Zum einen wird der Zugriff auf gespeicherte E-Mails durch die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig (…) im Wege einer durch den Provider ermöglichten Ausleitung der Nachrichten und damit in Kooperation mit diesem vollzogen werden (vgl. § 100a Abs. 4 Satz 1 StPO). Zum anderen bedarf es für den Zugriff auf gespeicherte E-Mails im Rahmen der Überwachung eines bestimmten E-MailAccounts gerade keiner Durchsuchung beim Provider.
Damit dürfte nun abschliessend im Raum stehen, dass über §100a StPO der laufende Zugriff auf Mails beim Provider zu erfolgen hat – aber eben auch möglich ist. Anders als die Beschlagnahme der Mails beim Provider, die mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH durchaus kritisch zu sehen ist.
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