Ist die Befugnis eines Verbandes zur Geltendmachung gesetzlicher Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG mangels Eintragung in die Liste der qualifizierten Verbände nach § 8b UWG entfallen, steht dem Schuldner einer zuvor vertraglich übernommenen Unterlassungs- und Zahlungsverpflichtung ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, das allerdings nur ex nunc wirkt – so das OLG Hamm, 4 U 78/22.
Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen kann es dabei sein, wenn in großer Zahl Abmahnungen ausgesprochen werden, ohne dass mangels Unterwerfung eine gerichtliche Klärung herbeigeführt wird. Denn dies kann den Verdacht begründen, dass die Abmahntätigkeit in erster Linie dazu dient, Aufwendungsersatzansprüche und ggf. Vertragsstrafenansprüche entstehen zu lassen.
Im vorliegenden Fall ging das OLG davon aus, dass der Unterlassungsvertrag seinerzeit aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung zustande gekommen sei, weshalb der Geltendmachung der Vertragsstrafe unter diesem Gesichtspunkt der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegenstehe:
Von einem Missbrauch i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG a. F. bzw. § 8c Abs. 1 UWG n. F. ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände, wobei der nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu gewährleistende effektive Rechtsschutz zu berücksichtigen ist.
Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Anspruchsberechtigten die Belastung der gegnerischen Partei mit möglichst hohen Prozesskosten bezwecken oder systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt werden (vgl. nunmehr § 8c Abs. 2 Nrn. 1 und 4 UWG). Ein Missbrauch kann auch dann vorliegen, wenn die Anspruchsberechtigten kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben können. Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen stellt es ferner dar, wenn bei wettbewerbsrechtlich zweifelhafter Beurteilung in großer Zahl Abmahnungen ausgesprochen werden, ohne dass bei Ausbleiben einer Unterwerfung eine gerichtliche Klärung herbeigeführt wird. Dadurch kann sich der Verdacht aufdrängen, die Abmahntätigkeit werde in erster Linie dazu eingesetzt, Ansprüche auf Aufwendungsersatz und ggf. Vertragsstrafenansprüche entstehen zu lassen (st. Respr., vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2019 – I ZR 149/18, GRUR 2019, 966, Rn. 33 f. – Umwelthilfe, sowie zuletzt Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, GRUR 2023, 585, Rn. 40 – Mitgliederstruktur, jew. mwN. und zit. nach juris).
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