Das Landesarbeitsgericht Köln, 11 Sa 218/20, hatte sich in einem sehr speziellen Einzelfall mit der Kündigung eines Vorgesetzten zu beschäftigen – dabei ging es um die Weiterleitung intimer Fotos einer untergebenen Mitarbeiterin in eine WhatsApp-Chatgruppe. Es liegt auf der Hand, wurde aber nochmals klargestellt, dass dies einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt.
Nun kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bekanntlich dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hierüber wollte der Arbeitnehmer nun streiten, also um die Frage, ob nicht etwa doch eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre.
Insoweit führt das LAG zur Intensität des Eingriffs aus:
Die Weiterleitung der intimen Fotos in die Chatgruppe nebst sexueller Kommentierung stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin … dar. Zugleich ist der Tatbestand des objektiv unerwünschten, sexuell bestimmten Verhaltens des § 3 Abs. 4 Satz 1 AGG erfüllt. Die Betroffene hat nicht in die Weitersendung der Fotos eingewilligt. Soweit der Kläger pauschal behauptet, die Betroffene habe diese Fotos auch an andere Betriebsgehörige gesandt, handelt es sich aufgrund mangelnder Konkretisierung nach Ansicht der Berufungskammer um eine substanzlose Schutzbehauptung.
Auch die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte schriftliche „Zeugenaussage“ der früheren Geliebten … , die die angebliche sexuelle Freizügigkeit der Mitarbeiterin … belegen soll, enthält keine substantiierte Darlegung vergleichbarer Übersendung von Fotos. Darüber hinaus kann mangels Konkretisierung der Umstände der behaupteten Verbreitung der Fotos an Dritte nicht geschlossen werden, dass die Mitarbeiterin … eine allumfassende Einwilligung in die Weiterleitung der Fotos erteilt hat.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein unerwünscht sexuell bestimmtes Verhalten im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG im Übrigen nicht erfordert, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (BAG, Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – m.w.N.), was vorliegend der Fall war.
In dem Chat befanden sich weitere Mitarbeiter, so dass schon ein innerer Bezug zum Betrieb bestanden hat (auch bei fremden Chat-Mitgliedern dürfte dies nach meinem Verständnis gleichwohl nicht anders zu sehen sein).
Letztlich war es die – auf der Hand liegende – erkennbare Schwere der Pflichtverletzung, die schon den erstmaligen Vorfall für die Arbeitgeberin unzumutbar gestaltete. Das LAG sah den Mitarbeiter zu Recht als vorsätzlich und planvoll, in besonderes grobem Maße gegen seine Pflichten und seine Vorbildfunktion als Führungskraft verstoßend, handeln, indem er intime Fotos einer unterstellten Mitarbeiterin nebst abfälliger Kommentierung zum Zwecke belustigender Bestätigung in die Chatgruppe einstellte.
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