Beim LG Nürnberg-Fürth (12 Qs 17/23) ging es um den Klassiker: Die Staatsanwaltschaft hatte die Akteneinsicht in einen vollzogenen Vermögensarrest verweigert; die Verweigerung der Akteneinsicht wurde unter Berufung auf § 147 Abs. 2 StPO damit begründet, dass die Gewährung der Einsicht den Untersuchungszweck gefährden würde.
Der Hintergrund: Zu dieser Ablehnung war die Staatsanwaltschaft befugt, sie entscheidet über die Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren (§ 147 Abs. 5 Satz 1 StPO). Das Gericht sei in diesem Verfahrensstadium für die Entscheidung über die Akteneinsicht nicht zuständig, auch wenn ihm die Akten auf Beschwerde hin vorgelegt würden (das LG verweist auf BGH, StB 46/09 sowie OLG Köln, III-2 Ws 189/12). Die ablehnende Entscheidung über die Akteneinsicht kann in diesem Fall – da keine der drei Fallgruppen des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO einschlägig ist – nicht gerichtlich angefochten werden.
Aber: Es gibt an anderer Stelle Diskussionsbedarf – wenn keine Akteneinsicht gewährt wird, ist der Arrest wieder aufzuheben! Das Gericht führt aus:
Eine analoge Heranziehung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO (hierzu vgl. Börner, NStZ 2007, 680, 682 f.; SSW-StPO/Beulke, 5. Aufl., § 147 Rn. 51, je m.w.N.) kam nicht in Betracht, weil der Rechtschutz in gegebener Konfliktlage in eine andere Richtung vorgeprägt ist. So muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Zwangsmaßnahme so lange zurückgestellt werden, bis Akteneinsicht gewährt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 9. September 2013 – 2 BvR 533/13, juris Rn. 21 ff.). Die Judikatur nimmt also hin, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrer Gestaltung des Ermittlungsverfahrens und der Festlegung seines Abschlusses (§ 169a StPO, § 147 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 StPO) letztlich über den Zeitpunkt und damit über die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes disponiert. Diese Abwägung gewährt dem rechtlichen Gehör in der zweiten Instanz – in der ersten greift regelmäßig § 33 Abs. 4 StPO – also Vorrang vor der raschen Sachentscheidung.
Das gilt jedenfalls für abgeschlossene Ermittlungsmaßnahmen (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 147 Rn. 40a). Zum Fall eines andauernden Vermögensarrests hat das Bundesverfassungsgericht allerdings im Beschluss vom 19. Januar 2006 (2 BvR 1075/05, juris Rn. 27) ausgesprochen:
„Die Ermittlungsbehörden müssen die Unabdingbarkeit dieser rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien [erg.: des rechtlichen Gehörs] mit ihrem etwaigen Interesse, die Ermittlungen zunächst im Verborgenen zu führen, abwägen. Solange sie es für erforderlich halten, die Ermittlungen dem Beschuldigten nicht zur Kenntnis gelangen zu lassen, müssen sie auf solche Eingriffsmaßnahmen verzichten, die, wie die Untersuchungshaft oder der Arrest, nicht vor dem Betroffenen verborgen werden können, schwerwiegend in Grundrechte eingreifen und daher in gerichtlichen Verfahren angeordnet und überprüft werden müssen.“
Für die Beurteilung eines aktuell vollzogenen Vermögensarrestes durch das Beschwerdegericht folgt daraus, dass das öffentliche Interesse, weiter im Verborgenen zu ermitteln, gegenüber dem mit dem Vollzug des Arrestes verbundenen erhöhten Grundrechtseingriff vollständig zurücktreten muss. Verweigert die Staatsanwaltschaft daher weiterhin die Einsicht in die die Eingriffsmaßnahme tragenden Aktenteile (vgl. § 147 Abs. 2 Satz 2 StPO), hat das Beschwerdegericht den Arrest aufzuheben (BGH, Beschluss vom 3. April 2019 – StB 5/19, juris Rn. 35 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 2 BvR 1075/05, juris Rn. 33).
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