Öffentliche Zugänglichmachung (§19a UrhG) im Rahmen einer Instagram-Story

Beim Landgericht Köln, 14 O 401/21, ging es um einen außergewöhnlichen Fall des strittigen Teilens eines Bildes über einen Social Media Stream. Eine Zeugin gab an, ein urheberrechtlich geschütztes Bild in einem Beitrag eines Unternehmens gesehen zu haben, das – sehr substantiiert und unter Vorlage von Informationen aus einem Social Media Management Programm – bestritt, ein solches Bild geteilt zu haben … und fand damit Gehör. Die Entscheidung ist zugleich ein Beispiel für den Streit um die Montage von Screenshots, worauf es hier am Ende nicht ankam.

Verteilung der Beweislast

Für die Darlegungs- und gilt grundsätzlich: Der Verletzte muss die anspruchsbegründenden Tatsachen behaupten und beweisen. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört auch die Täterschaft des Beklagten, für die der Verletzte ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast trägt. Für die Verletzungshandlung trägt zunächst der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast.

Dabei dürfen die Gerichte keine „unerfüllbaren Beweisanforderungen” stellen. Insbesondere darf bei der Prüfung, ob eine Behauptung wahr und bewiesen ist, keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden. Allerdings darf sich der Zivilrichter im Hauptsacheverfahren nicht mit einer bloßen Glaubhaftmachung begnügen. Denn nach § 286 ZPO muss der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr hält oder nicht. Er darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit begnügen. Im Übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat.

Diese persönliche Gewissheit ist für die Entscheidung erforderlich, und es ist allein Sache des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen, zu entscheiden, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von der Wahrheit einer bestimmten Tatsache überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz nicht voraus. Auf diese eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere Zweifel haben oder zu einer anderen Auffassung gelangt sein mögen. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Dies wird allerdings häufig unzutreffend dahin ausgedrückt, dass sich das Gericht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit begnügen dürfe; dies ist unzutreffend, wenn damit auf die Gewinnung einer eigenen richterlichen Überzeugung von der Wahrheit verzichtet werden soll.

Der konkrete Fall

Wie heikel all dies im Einzelfall sein kann, zeigt der vorliegende Fall: Das Gericht hielt es nämlich für ausgeschlossen, dass die streitgegenständliche gesponserte E-Mail von der Beklagten veranlasst worden war.

Dabei stellte das Gericht ausdrücklich fest, dass sich der von der Beklagten und den von ihr benannten Zeugen geäußerte Verdacht, es handele sich bei dem von der Klägerin vorgelegten Screenshot um eine Fotomontage, bei einer Inaugenscheinnahme durch die Kammer und die Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht erhärten ließ. Auf das von beiden Seiten angebotene Beweismittel eines Sachverständigengutachtens kam es dann nicht an. Exemplarisch zeigt die Entscheidung, wie es halt laufen kann:

Aufgrund der Zeugenaussage der Zeugin E. Z. hält die Kammer zwar für erwiesen, dass das streitgegenständliche dieser tatsächlich in ihrem M.-Story-Feed angezeigt wurde. Die Zeugin Z. hat in sich schlüssig und nachvollziehbar bekundet, dass ihr das streitgegenständliche Lichbild in ihrem M.-Story-Feed angezeigt wurde und ihr dies auch sofort auffiel, da sie das gleiche, dort von einem ihr namentlich bekannten Mannequin getragene Kleid – in anderer Farbe – auch selbst besitzt. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass ihr unmittelbar auffiel, dass der angezeigte Werbesponsor nicht das klägerische Unternehmen war. Die Zeugin konnte auf ihrem Mobiltelefon sodann auch noch den streitgegenständlichen Screenshot aufrufen, der in der mündlichen Verhandlung eingesehen wurde. Der U. Z. hat die Aussage seiner Ehefrau bestätigt und zusätzlich plausibilisiert. Er hat schlüssig bekundet, dass ihm seine Ehefrau die streitgegenständliche, angegriffene Werbeanzeige im Rahmen der „SU.-Story“ auf ihrem Mobiltelefon gezeigt hat und er das dort abgebildete Mannequin wiedererkannt hat, da er es von großformatigen Plakaten aus dem Ladengeschäft der Klägerin in LU. kannte, wohin er seine Ehefrau bereits zu Einkäufen begleitet hatte.

Nicht erwiesen ist allerdings, dass der streitgegenständliche Werbepost und damit das streitgegenständliche Lichtbild tatsächlich auch über den Account von „N. B.“ und damit von der Beklagten geschaltet und abrufbar gehalten wurde. Die Zeugin Z. hat eingeräumt, dass sie nicht auf den Account von „N. XT.“ gegangen sei, um dort weiter zu schauen. Die Zeugin W.-IH. hat nachvollziehbar bekundet, dass von Seiten des klägerischen Unternehmens selbst lediglich eigene Beiträge auf M. eingestellt wurden, nicht aber dortige „sponsored post“ wie der streitgegenständliche; dies sei vielmehr durch die beauftragte Agentur QY. & HN. erfolgt, für welche die Zeugen X., O. und ZN. tätig waren. Die X., O. und ZN. haben wiederum übereinstimmend ausgesagt, dass das streitgegenständliche Lichtbild von ihnen nicht zur Gestaltung einer Werbeanzeige verwendet worden sei. Der Zeuge X. hat nachvollziehbar dargestellt, dass jede Buchung oder Änderung von Werbeanzeigen anhand des Businessmanagers von BN. einschließlich sogenannter Dynamic Ads nachvollziehbar ist, aber der streitgegenständliche Post im Rahmen von Nachforschungen nicht auffindbar war, weder eine entsprechende Beauftragung, noch die Erstellung.

Der Zeuge O. hat bestätigt, dass er trotz intensiver Recherche keinen Hinweis auf die Freischaltung des streitgegenständlichen Posts über das Profil der Klägerin finden konnte, obwohl er sämtliche Werbeanzeigen aus dem Werbekonto der Beklagten angeschaut habe und diese sowie den Business-Manager durchgegangen sei. Auch seien auf Nachfrage bei der zuständigen Kollegin seinerzeit Dynamic Ads – und um eine solche handele es sich wohl bei der streitgegenständlichen Anzeige – für die Klägerin gar nicht geschaltet und auch nicht abgerechnet worden. Die Zeugin ZN. als zuständige Projektleiterin hat gleichfalls ausgesagt, dass die streitgegenständliche Werbeanzeige nicht von ihrer Agentur geschaltet worden sei und weder in dem entsprechenden Tool gefunden noch abgerechnet worden sei.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Aussagen der Zeugen W.-IH., X., O. und ZN. zu Vorgängen erfolgen, an denen diese selbst ein kommerzielles Interesse haben. Es ergeben sich aber keine Hinweise auf eine einseitige Tendenz der Zeugen, etwa eigenes Fehlverhalten oder Versäumnisse kaschieren zu wollen. Ihre Aussagen erscheinen vielmehr professionell routiniert, schildern die Vorgänge und den Ablauf bei der Gestaltung der Werbung der Klägerin auf M. in gut nachvollziehbarer, anschaulicher Weise und vermitteln den ernsthaften Eindruck, dass sie sich selbst die Schaltung des streitgegenständlichen Werbeposts nicht erklären können.

Der Umstand, dass auch eine — nicht als Zeugin benannte – Frau UF. als Freelancerin seinerzeit zu dem Team gehörte, dass für die Gestaltung des M.-Accounts der Beklagten beauftragt und zuständig war, liefert keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass gerade Frau UF. den streitgegenständlichen gesponserten Post veranlasst hätte. Die Zeugin ZN. hat insoweit glaubhaft bekundet, dass Frau UF. nur Inhalte bearbeitet und eingestellt hat, die sie zuvor von ihr erhalten hatte. Frau UF. habe zwar „letztlich den Knopf gedrückt“, um die Werbung zu schalten. Dies sei aber für jeden Inhalt immer in Abstimmung mit den Zeugen O. und ZN. erfolgt, insbesondere habe man zuvor auch im Businessmanager sehen können, wie die Werbung habe aussehen sollen. Dass Frau UF. eigenmächtig gegen diesen Ablauf verstoßen haben sollte, bleibt daher reine Spekulation.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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