Zwar wird vermutet, dass der Arbeitnehmer auch dann keine Konkurrenztätigkeit ausüben darf, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Bezirk oder Kundenkreis nicht erreichen wird. Mit dieser Annahme ist jedoch kein Verzicht auf örtliche Gesichtspunkte bei der Bestimmung des „Handelszweiges“ im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB bzw. des für das Wettbewerbsverhältnis zweier Unternehmen maßgeblichen Marktgebietes verbunden, wie das Landesarbeitsgericht Hamm, 18 SaGa 16/22, betont.
Verbot der Konkurrenztätigkeit
Das Verbot der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Bezirk oder Kundenkreis erreicht, beruht auf einer teleologischen Auslegung des § 60 Abs. 1 HGB: Die Vorschrift soll verhindern, dass der Arbeitnehmer durch die Ausübung der Nebentätigkeit in einen Interessenkonflikt zwischen den geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers und seinen eigenen geschäftlichen Interessen oder den geschäftlichen Interessen eines anderen Unternehmens gerät.
Für die Interessenkollision kommt es nicht darauf an, ob ein konkretes Geschäft, das der Arbeitnehmer mit einem Kunden abschließt, zu Lasten des Arbeitgebers geht. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers, die mit denen des Arbeitnehmers kollidieren können, bestehen außerhalb des räumlichen Marktbereichs allerdings nicht.
Dies ergibt sich mit dem LAG aus § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB, wonach auch ein ausdrücklich für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbartes Wettbewerbsverbot unwirksam ist, soweit es das Fortkommen des Arbeitnehmers in räumlicher Hinsicht unbillig erschwert. Wollte man auf eine räumliche Komponente des Geschäftszweigs im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB verzichten, ließen sich die Grenzen des Marktbereichs und der schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht mehr rechtssicher bestimmen; es bestünde die Gefahr einer unangemessen weitgehenden Beschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers.
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Nachfragewettbewerb
§ 60 Abs. 1 HGB verbietet das Tätigwerden im Handelszweig des Arbeitgebers und nicht das Tätigwerden für ein Unternehmen, das dieselben Arbeitnehmergruppen beschäftigt. Zwar kommt ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 UWG auch bei einem Nachfragewettbewerb um Arbeitskräfte in Betracht (Ernst, in: Seichter, jurisPK-UWG, Stand: 12.04.2022, § 2 UWG Rdnr. 39 m.w.N.). Ein solcher Nachfragewettbewerb um Arbeitnehmer begründet jedoch kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 60 Abs. 1 HGB. Andernfalls würde der Anwendungsbereich der Vorschrift zu Lasten der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers überdehnt.
Denn sobald der Arbeitnehmer die Möglichkeit hätte, außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses für ein anderes Unternehmen tätig zu werden, könnte ihm dies mit der Begründung untersagt werden, es handele sich um eine verbotene Konkurrenztätigkeit nach § 60 Abs. 1 HGB, weil ein „Nachfrage-Konkurrenzverhältnis“ vorliege, was sich schon daraus ergebe, dass das andere Unternehmen an der Beschäftigung des Arbeitnehmers interessiert sei. Dies käme faktisch einem Nebentätigkeitsverbot gleich und wäre insbesondere für Teilzeitbeschäftigte ein unzumutbarer Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.
Eine Beschränkung dieser unangemessenen Rechtsfolge auf „hochqualifizierte“ Beschäftigte wäre, so das Landesarbeitsgericht, nicht praktikabel; es fehlt an normativen Vorgaben, welche Qualifikationsanforderungen insoweit zu stellen sind und inwieweit arbeitsmarktspezifische Besonderheiten einzelner Branchen zu berücksichtigen sind.
Vertragliche Rücksichtnahmepflicht
Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer gegen seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht verstößt. Ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer unzulässigerweise eine Nebentätigkeit ausübt. Der Arbeitnehmer hat jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die mit der übernommenen Arbeitspflicht zeitlich kollidiert und dadurch zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung führt.
Die in § 241 Abs. 2 BGB normierte Pflicht des Arbeitnehmers, jede anderweitige Erwerbstätigkeit zu unterlassen, die die geschuldete Arbeitsleistung vereiteln oder gefährden könnte, ist jedoch keine selbständig durchsetzbare Pflicht. Der Unterlassungsanspruch ist lediglich die Kehrseite des Erfüllungsanspruchs auf Erbringung der Arbeitsleistung. Dieser Anspruch kann gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckt werden. § 888 Abs. 3 ZPO darf nicht dadurch umgangen werden, dass der Arbeitgeber auf Unterlassung anderer Arbeitstätigkeiten klagt. Ein Unterlassungsanspruch besteht daher nur, wenn weitergehende Ziele als die Verhinderung eines Arbeitsvertragsbruchs verfolgt werden, z.B. die Unterlassung unzulässigen Wettbewerbs. Im Übrigen bleibt dem Arbeitgeber nur die Leistungsklage, die zwar nach § 888 Abs. 3 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ausschließt, aber möglich ist. Mit der Leistungsklage kann ein Antrag auf Schadensersatz nach § 61 Abs. 2 ArbGG verbunden werden.
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