Einen sehr wichtigen Beschluss hat das BayOLG in München (203 VAs 1846/19) gefasst: Es ging um die Frage, ob nach einer Einstellung entsprechend §170 II StPO, also ohne hinreichenden Tatverdacht, eine Datenlöschung zu erfolgen hat. Das Gericht hat dies verneint und ausdrücklich klargestellt, dass weder ein Anspruch auf Berichtigung, noch auf Löschung der durch die Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten im Raum steht, solange die Tat nicht verjährt ist. Die Entscheidung dürfte einen sehr grundsätzlichen Charakter haben.
Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Staatsanwaltschaft
Zu Berücksichtigen ist das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679″, das am 26.11.2019 in Kraft getreten ist. Dazu findet man die Gesetzgebungsmaterialien hier sowie die Verkündung im Bundesgesetzblatt hier. Dabei handelt es sich um ein so genanntes „Artikelgesetz“, mit dem alleine bereits vorhandene Gesetze geändert wurden, etwa in Artikel 62 das Strafgesetzbuch.
Die zentrale Verweisungsnorm ist § 500 Abs. 1 StPO erklärt hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes für entsprechend anwendbar:
Soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich dieses Gesetzes personenbezogene Daten verarbeiten, ist Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechend anzuwenden.
§500 Abs.1 StPO
Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Normierung, dies ohne Verweis auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die somit genau so wenig anzuwenden ist, wie die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze. Damit ergibt sich durchaus ein rechtlicher Anspruch auf:
- Berichtigung: Wenn gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind (§ 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 1 BDSG)
- Löschung: Wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist (§ 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG, § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 489 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 3 StPO)
Erledigung nur bei Verjährung der Straftat
Ein Ermittlungsverfahren ist mit dem BayOLG bei einer Einstellung nur erledigt, wenn die die Wiederaufnahme ausgeschlossen ist, was mit Eintritt der Verjährung anzunehmen ist. Dabei ist diese Frage nicht nur akademischer Natur, Staatsanwaltschaften halten „Verfahrenslisten“ vor, in denen zu dem Betreffenden gespeichert wird, welche Verfahren es in der Vergangenheit gegeben hat und wieder diese endeten – auch Einstellungen sind hier berücksichtigt. Und bei späteren Ermittlungsverfahren lässt sich eine Staatsanwaltschaft auch durchaus von dem Gedanken leiten, ob es früher schon (ähnliche) Verfahren gab, wenn man entscheidet, ob man Einstellt oder Anklagt.
Das BayOLG sieht nun ein Interesse der Staatsanwaltschaft – selbst (oder auch erst recht) bei einem gravierenden Vorwurf wie dem des Totschlags nach einer Einstellung gemäß §170 Abs.2 StPO:
Es besteht auch kein Löschungsanspruch: Wie oben ausgeführt, ist eine Löschung erst dann vorzunehmen, wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist, d.h. bei einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO mit Eintritt der Verjährung. Totschlag verjährt nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 StGB in dreißig Jahren. Während des Laufs der Verjährungsfrist ist die Datenspeicherung zur Aufgabenerfüllung der Staatsanwaltschaft erforderlich, weil während dieses Zeitraums neue Beweismittel auftauchen könnten, die Anlass zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geben. Eine Einstellung nach § 170 Abs, 2 StPO steht einer solchen Wiederaufnahme der Ermittlungen nicht entgegen.
BayOLG, 203 VAs 1846/19
Löschungsfristen bei der Staatsanwaltschaft
Die Entscheidung ist prägend und dürfte Anklang finden – zugleich bedeutet sie eine Klarstellung hinsichtlich der Löschungsfristen bei der Staatsanwaltschaft, die sich nicht mehr alleine an den Faktoren der Ermittlungsverfahrens sondern eben auch an der Verjährung der einzelnen Tat orientieren müssen.
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