Das Landgericht Darmstadt (18 KLs 1200 Js 83736/21) hat sich im Rahmen einer Entscheidung über einen Haftbefehl zur Verwertbarkeit von ANOM-Chats geäußert. Dabei ging das Gericht von einer Verwertbarkeit aus.
Hinweis: Zum Thema Kryptomessaging und Beweisverwertungsverbot findet sich von RA JF in der Literatur eine Darstellung bei §174 TKG Rn. 4, 35 im BeckOK-StPO (Beweisverwertungsverbot und EUGH-Rechtsprechung) sowie in jurisPR-StrafR 11/2023 Anm. 4 (LG Darmstadt)!
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Zum einen wurden keine Umstände gesehen, die einer Verwertbarkeit entgegenstehen. Zum anderen hält es aber die gebotene Prüfung, ob die Erlangung der Anom-Kommunikation durch die Ermittler in den USA rechtsstaatlichen Mindeststandards genügte, für möglich und weiter aufklärungsbedürftig.
Hinweis: Zum Thema Kryptomessaging und Beweisverwertungsverbot findet sich von RA JF in der Literatur eine Darstellung bei §174 TKG Rn. 4, 35 im BeckOK-StPO (Beweisverwertungsverbot und EUGH-Rechtsprechung) sowie in jurisPR-StrafR 11/2023 Anm. 4 (LG Darmstadt)!
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Die abschließende Beantwortung der Rechtsfrage, ob solche Beweismittel in einem deutschen Strafverfahren verwertbar sind, wurde vor diesem Hintergrund offen gelassen; dabei führte man dann kurz zu einer grundsätzlichen Verwertbarkeit aus:
Grundsätzlich kommt eine Verwertung von im Ausland von ausländischen Ermittlungsbehörden erhobenen Daten (hier: Chat-Kommunikation) in diesem Strafverfahren gemäß § 479 Abs. 2 StPO in Betracht. Die Auswertung der Kommunikationsinhalte ergibt dringenden Tatverdacht hinsichtlich des Vorliegens von Katalogtaten im Sinne von § 100a Abs. 2 StPO, so dass nach deutschem Recht die Überwachung der laufenden Kommunikation zulässig gewesen wäre. Die Verwendbarkeit der Daten wäre auch bei Qualifizierung der Maßnahmen als Onlinedurchsuchung gem. § 100b StPO gegeben, nämlich nach § 100e Abs. 6 StPO, dessen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind.
Nach derzeitigem Sachstand sind auch keine Verstöße bei der Erlangung der Daten positiv bekannt, die ein Beweisverwertungsverbot begründen könnten und damit einer prozessualen Verwertung der Chat-Kommunikation entgegenstünden.
Interessant wird es im Weiteren, da die Kammer ausführt und begründet, warum man andererseits nicht auf Zuruf solche Beweismittel zu nutzen hat – sondern weiter aufklären muss:
Die Kammer sieht gleichwohl Nachermittlungsbedarf. Mit dem Problem „gerichtlicher Beschlüsse vom Hörensagen“ sah sich die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch nicht konfrontiert. Die mit dieser neuen Rechtsfigur verbundenen Probleme liegen auf der Hand: Was nicht bekannt ist, lässt sich nicht prüfen.
Eine belastbare Prüfung der vorliegend relevanten Frage, ob im Rahmen der Beweismittelerlangung rechtsstaatliche Mindeststandards eingehalten wurden, lässt sich ohne Betrachtung der ihr zugrundeliegenden richterlichen Entscheidungen nicht beantworten. Diese sind daher zu ermitteln (…) Die Kammer gibt – auch gemäß § 117 Abs. 3 StPO – der Staatsanwaltschaft den Nachermittlungsauftrag, das in einem Staat der Europäischen Union geführte Ermittlungsverfahren betreffend den dort betriebenen Anom-Server und die dort ergangenen richterlichen Entscheidungen zu ermitteln.
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