Wettbewerbsrecht: Einzelne Handlung begründet Wettbewerbsverstoß

Immer wieder wird im Wettbewerbsrecht bei einem Verstoss darauf verwiesen, dass es sich um ein „einmaliges Versehen“ handelt und man doch gar nicht nachhaltig agiert hat. So verständlich dies menschlich ist, so wenig ist es juristisch relevant: Schon der EUGH (C‑388/13) hatte festgestellt, dass die über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern so zu verstehen ist,

dass die Erteilung einer falschen Auskunft durch einen Gewerbetreibenden an einen Verbraucher wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als „irreführende Geschäftspraxis“ im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist, auch wenn diese Auskunftserteilung nur einen Verbraucher betraf.

Es geht hier also augenscheinlich darum, dass bereits eine einzelne Falschauskunft eines Unternehmens an einen Verbraucher einen Wettbewerbsverstoß darstellt, somit nicht als Bagatelle zu qualifizieren ist. Die Sorgfalts-Anforderungen an das Verhalten von Unternehmen gegenüber Verbrauchern wären damit nochmals stark angehoben.

Bewertung der Entscheidung des EUGH

Allerdings muss die Entscheidung aus meiner Sicht in den Kontext des Vorlageverfahrens gesetzt werden: Hier ging es gerade nicht um irgendeinen Verbraucher, der bei irgendeinem Unternehmen eine x-beliebige Anfrage gestellt hat; vielmehr war es im Vorlageverfahren – auf das die Entscheidung ausdrücklich Bezug nimmt – so, dass der Verbraucher Kunde des Unternehmens war und eine konkret vertragsbezogene Anfrage gestellt hat. Er fragte nach, wie lange die abgeschlossene Vertragsdauer läuft, um sich hieran bei der Aussprache der Kündigung zu orientieren. Durch die Falschauskunft versagte dann sein Kündigungsbegehren. Andererseits stellte der EUGH klar, dass es vollkommen irrelevant ist, ob der Kunde sich auf anderem Wege noch die richtige Information beschaffen kann.

Letztlich wäre auch mit dieser Sichtweise zu sehen, dass in jedem Fall hohe Anforderungen an die Sorgfalt im Umgang mit Kunden (und denen die es werden wollen) zu stellen sind. Ein „einzelner Ausrutscher“ ist mit dem EUGH gegenüber Kunden jedenfalls keine Bagatelle und steht auf Grund des singulären Elements einem Wettbewerbsverstoß nicht im Weg. Selbiges gilt, wenn man sich darauf zurückziehen möchte, dass nur versehentlich durch die eigenen Mitarbeiter (im Callcenter) eine Falschauskunft auf Grund eines Bearbeitungsfehlers erteilt wurde, hierzu ist aber auch §8 II UWG beachten.

Entscheidung des OLG München

Das Oberlandesgericht München (29 U 3285/16) hat diese Rechtsprechung aufgegriffen und bekräftigt. Dabei bestätigt zuerst das OLG, dass es gerade nicht auf eine Häufung von Verstößen ankommt:

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für einen Verstoß gegen § 5 UWG im Zusammenhang mit der Geltendmachung vertraglicher Forderungen kein systematisches Vorgehen erforderlich (a. A. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm a.a.O. §. 5 Rn. 1.15). Eine solche Einschränkung findet schon im Gesetz keine Stütze und steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. So hat der EuGH die einmalige Erteilung einer falschen Auskunft zur Länge der Vertragslaufzeit durch ein Telekommunikationsunternehmen an einen Verbraucher als irreführende Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 1, Abs. 4, Art. 6 Abs. 1 UGP-RL angesehen. Das Telekommunikationsunternehmen hatte einer Privatperson auf dessen Anfrage, auf welchen Zeitraum sich die im Jahr 2010 ausgestellte Rechnung bezog, wohl versehentlich angegeben, die Rechnung beziehe sich auf den „Zeitraum vom 11.1.2010 bis einschließlich 10.2.2011“, obwohl der Zeitraum tatsächlich am 10.01.2011 endete (vgl. EuGH GRUR 2015, 600 ff. – Nemzeti Fogyasztövedelmi Hatösäg/UPCMagyarorszägKft.).

Der EuGH hat ausdrücklich klargestellt, dass es völlig unbeachtlich sei, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf (a.a.O. Tz. 41), da die UGP-RL keinen Hinweis darauf enthalte, dass die Handlung oder die Unterlassung des Gewerbetreibenden sich wiederholen oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein müsse (a.a.O. Tz. 42). Und in Anbetracht der Sorge um den Verbraucherschutz könnten die Vorschriften auch nicht so ausgelegt werden, als stellten sie derartige Voraussetzungen auf, wenn sie diese selbst nicht ausdrücklich nennen (a.a.O. Tz. 43). Weiter hat der EuGH ausgeführt, dass es gänzlich unbeachtlich sei, ob das Verhalten mutmaßlich nicht auf Vorsatz beruhe (a.a.O. Tz. 47).

Im Ergebnis bedeutet diese Rechtsprechung, dass jedes einzelne spürbare Fehlverhalten gegenüber Kunden bereits zu einer berechtigten wettbewerbsrechtlichen führen kann. Eine andere Frage ist natürlich, ob später ein Verschulden vorliegt, dass ein Ordnungsgeld auslöst – aber der an sich steht im Raum. Eine Hilfe kann darin gesehen werden, durch ein betriebsinternes Management in Form eines die nach aussen gerichtete Fehlerrate zu senken.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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