Das OLG Dresden (4 W 243/21) hat hervorgehoben, dass im Zuge einstweiligen Rechtsschutzes erfolgreich verlangt werden kann, (zukünftige) Videoaufnahmen zu unterlassen. Hierzu ist klarzustellen, dass sich ein solcher Unterlassungsanspruch nicht auf die §§ 22 ff KUG berufen kann, da diese Vorschriften lediglich die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses, nicht aber die Herstellung von Fotografien oder Filmaufnahmen einer Person betreffen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 22 ff KUG auf den Fall der im Vorfeld einer Verbreitung erfolgten Herstellung von Aufnahmen scheidet aus.
Ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aber aus einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend §§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB analog, in dessen Schutzbereich bereits die Anfertigung eines Bildnisses fällt – zusätzlich kommt ein Anspruch aus §§ 1004 BGB i.V.m. Art. 6 DSGVO in Betracht: Das Bildnis einer Person beinhaltet personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO, wenn durch Fotografieren aus der Nähe physische Merkmale identifizierbar sind.
Was aber nicht funktioniert ist die pauschale Anordnung der Löschung von Aufnahmen im einstweiligen Verfügungverfahren:
Bedenken bestehen insoweit allerdings an der Auffassung des Landgerichts, das stillschweigend einen Verfügungsanspruch auch insoweit bejaht hat, als der Antrag Nr. 2a) auch auf „Vernichtung“ der Videos im Verfügungsverfahren gerichtet war. Der Sache nach wird hier eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache gefordert, die nicht von dem zugrunde liegenden Unterlassungsanspruch abgedeckt ist, sondern als ergänzende Leistungsverfügung anzusehen ist.
Einstweilige Verfügungen, die – wie hier – zur uneingeschränkten Befriedigung des Hauptsacheanspruchs führen, sind aber nur zulässig, wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen ist, wenn darüber hinaus die geschuldete Handlung, soll sie ihren Sinn nicht verlieren, so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, und wenn der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden ganz außer Verhältnis steht zu dem Schaden, der dem Antragsgegner aus der sofortigen – vorläufigen – Erfüllung droht. Unabhängig davon, ob die Leistungsverfügung zudem eine existenzielle Gefährdung des Antragstellers voraussetzt (so Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 08.03.2012, 4 W 101/12 – juris), muss jedenfalls ein erheblicher bzw. unverhältnismäßiger Vermögens- oder sonstiger Nachteil drohen, wenn der Leistungsanspruch nicht sofort erfüllt wird (OLG Köln, Urteil vom 17. Mai 2013 – 19 U 38/13 –, Rn. 5, juris).
OLG Dresden, 4 W 243/21
- Bedingter Tötungsvorsatz im Kontext von Straßenverkehrsdelikten - 26. April 2024
- Der BGH zur finalen Verknüpfung beim Raubdelikt - 26. April 2024
- Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen und deren Folgen für Unterlassungsvereinbarungen - 26. April 2024