Im Fall des LG Nürnberg-Fürth (12 Qs 75/22) ging es um einen Arrestbefehl, der erst Jahre nach einem Vermögensarrest angeordnet und vollstreckt wurde. Auch hier gibt es natürlich Rechtsmittel: Nach § 111k Abs. 3 StPO kann gegen Maßnahmen, die in Vollziehung des Arrestes oder der Beschlagnahme getroffen werden, die gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
Das LG stellt klar, dass die Überschreitung der noch angemessenen Vollstreckungsfrist – unabhängig von ihrer konkreten Länge – zur Unzulässigkeit der Vollstreckung aus dem Arrestbefehl führt, wenn sie nicht vorher eingeleitet wurde: Vollstreckungsmaßnahmen nach Fristablauf sind unwirksam.
Ablauf der konkret zulässigen Vollstreckungsfrist
Die Unwirksamkeit der angefochtenen Beschlagnahme ergibt sich aus dem Ablauf der konkret zulässigen Vollstreckungsfrist. § 111f StPO nennt allerdings keine Frist für die Vollstreckung der Beschlagnahme. § 111f Abs. 1 Satz 2 StPO verweist auch nicht auf § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO und die dort vorgesehene Monatsfrist.
Gleichwohl besteht grundsätzlich Einigkeit, dass ein einmal erlassener Arrestbefehl nicht zeitlich unbegrenzt vollzogen werden darf. So wird vorgeschlagen, die Vollziehungsfrist bei strafprozessualen Arresten entsprechend § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf einen Monat zu begrenzen. Nach anderer Auffassung soll in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vollstreckung von Durchsuchungsbeschlüssen die Vollstreckung nach sechs Monaten unzulässig sein. Demgegenüber vermeidet die Rechtsprechung starre Festlegungen, sondern nimmt eine einzelfallbezogene Abwägung vor. Je länger eine Arrestanordnung nicht vollstreckt wird, desto weniger ist die Annahme einer Gefährdung des gesicherten Anspruchs und damit des Arrestgrundes gerechtfertigt.
Mit zunehmender Dauer der Maßnahme, die den Eingriff in das Eigentum intensiviert, steigen auch die Anforderungen an die Rechtfertigung der Sicherung des Anspruchs. Auch wenn die Rechtsprechung damit teilweise nicht die Vollstreckungsfrist zum Ausgangspunkt ihrer Erwägungen macht, müssen sich die weichen Argumentationstopoi des Sicherungsbedürfnisses oder der Verhältnismäßigkeit bei der Beurteilung des Einzelfalls konkret in Fristenbewertungen umformulieren lassen: Die Pfändung könnte nach Ablauf von x Monaten/Jahren noch oder nicht mehr vollstreckt werden.
Keine unendlichen Pfändungen!
Mit dem Charakter des Vermögensarrests als vorläufiges Sicherungsinstrument wäre es aus Sicht des Gerichts ausdrücklich nicht vereinbar, wenn die Staatsanwaltschaft aufgrund desselben Arrestbefehls auch nach erheblichem Zeitablauf immer wieder in immer neue Vermögenswerte vollstrecken könnte, nur weil die StA ursprünglich rechtzeitig eine gegenständlich begrenzte Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt hat.
Denn der Richter übernimmt mit seinem Arrestbefehl die Verantwortung für die rechtliche Würdigung eines im Zeitpunkt seiner Entscheidung so und so beschaffenen aktuellen Sachverhalts, der sich im Laufe der Zeit aber regelmäßig ändern kann. Und so führt das Landgericht aus:
Das Amtsgericht Nürnberg erließ den Arrestbeschluss am 17.05.2018. Die Staatsanwältin beauftragte am 22.05.2018 den Rechtspfleger mit dessen Vollziehung. Dieser erteilte am 28.05.2018 den Pfändungsauftrag, der am 03.07.2018 vom Zollfahndungsamt M. vollzogen wurde. Der Pfändungsauftrag war auf die Pfändung des beim Zollfahndungsamt verwahrten Bargeldes im (fälschlich angenommenen) Umfang von „circa 250.000 €“ gerichtet.
Diese zweifelsfrei wirksame Pfändung des Bargeldes hatte allerdings nicht zur Folge, dass damit die weitere Vollstreckungsmaßnahme – die Pfändung des Schadenersatzanspruchs des Bf. gegen den Freistaat Bayern am 07.09.2022 – auch rechtzeitig eingeleitet worden wäre. In der zivil- und finanzrechtlichen Judikatur ist geklärt, dass auch wenn die Vollziehungsfrist eines Arrestbeschlusses durch den Antrag auf Vornahme einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gewahrt ist, dieser Arrestbeschluss keine neue, erst nach Ablauf der Vollziehungsfrist beantragte Vollstreckungsmaßnahme trägt (BGH, Urteil vom 25.10.1990 – IX ZR 211/89, juris Rn. 9; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.1982 – 16 U 119/82, MDR 1983, 239; BFH, Urteil vom 27.11.1973 – VII R 100/71, juris Rn. 14 und LS). Der Schuldner kann deshalb nach § 766 ZPO die Aufhebung der nach Ablauf der Vollziehungsfrist vorgenommenen Vollstreckungsakte verlangen (BGH, Urteil vom 09.02.1989 – IX ZR 17/88, juris Rn. 11; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 929 Rn. 24).
Das ist nach Auffassung der Kammer auf den strafprozessualen Arrest übertragbar. Wegen der Anschlussfähigkeit an diese allgemeinen zwangsvollstreckungsrechtlichen Erkenntnisse ist auch die Formulierung der Problemstellung als eine Frage der Fristen erforderlich. Andernfalls geriete man in Aporien, weil mit dem Angriff gegen die Vollstreckungsmaßnahme – und diese allein ist Gegenstand des § 111k Abs. 3 StPO –, die materiell-rechtliche Wirksamkeit des zugrundeliegenden Titels, also auch seine fortbestehende Verhältnismäßigkeit, grundsätzlich nicht zur Prüfung gestellt werden kann (BGH, Urteil vom 14.05.1992 – VII ZR 204/90, juris Rn. 15, zutreffend auch AG Nürnberg im angegriffenen Beschluss; anders MüKoStPO/Bittmann, 2. Aufl., § 111k Rn. 37, der im Rahmen des § 111k Abs. 3 StPO die ursprüngliche und fortbestehende Wirksamkeit des Arrestes inzident prüfen will).
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024