Die Entscheidung des Landgerichts Leipzig (11 KLs 390 Js 191/11) in Sachen „kino.to“ hat bisher seltsamerweise inhaltlich kaum Besprechungen gefunden – dabei lohnt sich ein Blick. Insbesondere weil die Annahme täterschaftlichen Handelns durchaus kritisch gesehen werden kann. Die ausgeurteile Strafe dürfte insofern der Höhe nach – 4 Jahre und 6 Monate – durchaus fragwürdig sein.
Das Landgericht erkannte in dem Schalten von Hyperlinks auf urheberrechtlich geschützte Werke einen strafrechtlich Eingriff. Die Entscheidung überrascht, wenn man bedenkt, dass der BGH (I ZR 259/00, „Paperboy“) doch genau das Gegenteil gesagt hat:
Wer einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, begeht damit keine urheberrechtliche Nutzungshandlung, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert […] Das Setzen eines Hyperlinks ist keine Wiedergabe in diesem Sinn; es bewirkt weder das (weitere) Bereithalten des Werkes noch eine Abrufübertragung des Werkes an den Nutzer.
Nun ging es in der Paperboy-Entscheidung um Hyperlinks auf Inhalte, die vom Rechteinhaber selbst ins Internet gestellt wurden – während Portalseiten wie kino.to auf Werke verweisen, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers woanders, etwa auf Sharehosting-Seiten, hinterlegt wurden. Allerdings hat der BGH kürzlich in seinem Vorlagebeschluss an den EUGH in Sachen Framing (BGH, I ZR 46/12) angedeutet, von seiner Sichtweise auch bei den Inhalten nicht abzuweichen, die ohne Zustimmung des Rechteinhabers irgendwo gespeichert und dann verlinkt wurden.
Das Landgericht Leipzig versuchte nun diese klaren Gedanken des BGH mit zwei Überlegungen zu durchbrechen.
Link zwingend notwendig für den Zugriff
Hierzu meint das Landgericht:
Nach den Sachverhaltsfeststellungen waren die bei den Filehostern abgespeicherten Filme ohne den zugehörigen Link nicht auffindbar und folglich auch nicht abrufbar.
Der Gedanke dahinter: Durch den Link auf der Plattform wurde ein Zugang eröffnet, der sonst gar nicht erst bestehen würde – ein Ansatz um die bisherige Rechtsprechung des BGH zu durchbrechen? Vielleicht magman darüber nachdenken, hier aber kann dies offen bleiben: Das Gericht hatte selber festgestellt, dass es so genannte „Uploader“ gab, die die Werke hochluden bei Filehostern und dann den Link auf kino.to mitteilten. Damit ist aber gerade nicht gesagt, dass der Link exklusiv nur bei kino.to zu sehen war – vielmehr gab es bereits mit dem Uploader eine weitere Person die über den Link Kenntnis hatte, und dies auch noch zeitlich vor der Plattform. Täter ist und bleibt hier am Ende der Uploader, der über Datei und Link verfügt. Durch die Hintertüre eine Täterschaft des Portalbetreibers zu konstruieren ist insofern abwegig.
Anwendung der Rechtsprechung zum Verbreiten kinderpornographischer Schriften
Meines Erachtens unvertretbar ist dann aber der nächste Schritt des Gerichts: Es wird auf die Rechtsprechung des BGH zu §184b StGB („Verbreiten kinderpornographischer Schriften“) zurückgegriffen und erklärt, dass ein Zugänglichmachen im Sinne des §184b StGB und im Sinne des Urheberrechtsgesetzes das Gleiche seien. Ein Kardinalfehler.
Während bei §184b StGB bewusst eine sehr weite Ausdehnung des Tatbestandsmerkmals „öffentlich zugänglich machen“ vorgenommen wird, ist dies im Urheberrecht nicht möglich – die öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des Urheberrechts ist richtlinienkonform auszulegen und somit von vollkommen anderer Bedeutung als die wörtlich gleichlautende Sprachwahl im Rahmen des §184b StGB. Dies bemerkt man schon daran, dass die öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des UrhG im §19a UrhG definiert ist, wobei als einschränkendes Merkmal vorgesehen ist
dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist
Ein Hyperlink entscheidet aber nicht darüber, ob ein Werk verfügbar ist (siehe auch BGH i.S. Paperboy oben). Derjenige, der die „Herrschaft“ über das Werk hat, entscheidet über dessen Verfügbarkeit – nicht der Linkgeber.
Fazit
Im Fazit ist die Entscheidung wenig überzeugend und inhaltlich m.E. mitunter sogar fehlerhaft: Die Strafbarkeit in Fällen wie kino.to, wenn die Betreiber nicht selber hochladen, wird sich vielmehr an der Frage orientieren müssen, ob eine Beihilfe nach §27 StGB vorliegt, wodurch die erkannte Strafe entsprechend §49 I StGB zu mildern gewesen wäre. Oder das Gericht erkennt ein Modell, in dem eine Anstiftung der „Uploader“ vorliegt – dann wäre gleich einem Täter zu bestrafen. Zu beidem (Beihilfe und Anstiftung) liest man in dem langen Urteil nichts.
Gleichwohl überrascht diese Entscheidung nicht wirklich, ich muss im Urheberstrafrecht leider feststellen, dass man hier viel Arbeit leisten muss, um bei Gericht solche Fehler zu vermeiden. Zu schnell werden Fehler bei technischer und rechtlicher Bewertung begangen, die sich nur mit mühevoller Kleinarbeit und noch mehr Überzeugungsarbeit – wenn überhaupt – ausbügeln lassen. Entscheidungen wie die des Landgerichts Frankfurt (dazu hier bei uns), die inhaltlich differenziert sind und überzeugen, sind eher Ausnahme als Regelfall.
Hinweis: Rechtsanwalt Jens Ferner ist als Strafverteidiger und IT-Rechtler im Bereich des Urheberstrafrechts aktiv, dabei auch im Bereich der gewerbsmäßigen Verletzung von Urheberrechten auch im Rahmen von durch die GVU angestrengten Strafverfahren speziell bei Sharehosting-Anbeitern und Portalbetreibern.
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