Das „Stealthing“ ist eine Begrifflichkeit aus dem Sexualstrafrecht und beschreibt, dass ein Partner ein verwendetes Konsum heimlich und ohne Einwilligung des anderen Partners entfernt und anschließend den Geschlechtsverkehr auslöst. Wie das Kammergericht (4 Ss 58/20, 161 Ss 48/20) entschieden hat, erfüllt „Stealthing“ jedenfalls dann den Tatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert.
Update: Das Schleswig-Holsteinische OLG (2 OLG 4 Ss 13/21) hat sich dem angeeschlossen!
Insoweit ist daran zu erinnern, dass spätestens seit der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 der Geschlechtsverkehr streng konsensual ist, was bedeutet, dass Handlungen, die nicht vom Willen eines Partners getragen sind, strafrechtlich relevant sein werden:
Nach dem Schutzzweck der Norm kann der Rechtsgutsinhaber somit nicht nur darüber entscheiden, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 177 StGB in der Fassung des 50. Strafrechtsänderungsgesetzes und der damit verbundenen Wandlung des § 177 Abs. 1 StGB von einem nötigenden Übergriff in ein non-konsensuales Sexualverhalten ist jede (erhebliche) Missachtung der in freier Selbstbestimmung getroffenen Entscheidung des Rechtsgutsinhabers strafbewehrt. Die Norm schützt das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung bei allen Personen strafrechtlich umfassend gegen jede sexuelle Handlung, die gegen den Willen einer Person erfolgt. Hält sich der Sexualpartner bewusst nicht an vom Rechtsgutsinhaber gesetzte Grenzen in Bezug auf Zeitpunkt, Art und Form der sexuellen Handlung, unterfällt dies grundsätzlich § 177 Abs.1 StGB.
Kammergericht
Das Gericht hat allerdings in dieser Entscheidung ganz bewusst offen gelassen, ob schon die nach heimlicher Entfernung des Kondoms vorgenommene ungeschützte Penetration an sich als „sexuelle Handlung“ im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB dem Tatbestand unterfällt, sofern sie dem erkennbaren Willen des penetrierten Sexualpartners widerspricht. Hintergrund ist, dass eine erfolgte Ejakulation für die Strafbarkeit in jedem Fall ausreichend ist:
Denn die Tatbestandsmäßigkeit liegt jedenfalls in einem Fall vor, in dem der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert. Jedenfalls dann, wenn der gegen den Opferwillen ungeschützt vorgenommene Geschlechtsverkehr – wie hier – bis zum Samenerguss in der Vagina der Geschädigten vollzogen wird, weist das Verhalten des Täters im Vergleich zum konsentierten Verkehr mit Kondom eine andere (sexualstraf-) rechtliche Qualität von strafbarkeitsbegründender Erheblichkeit auf, sodass dieser Geschlechtsverkehr als tatbestandsmäßige sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB anzusehen ist.
Kammergericht
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