Selbstständiges Beweisverfahren: Bei einem selbständigen Beweisverfahren handelt es sich um keine Klage sondern um ein Antragsverfahren. Das selbstständige Beweisverfahren soll die Vorbereitung einer potentiellen Klage darstellen in der Form, dass festgestellt werden soll, ob eine bestimmte Tatsache wie etwa ein Mangel vorhanden ist und wie Hoch beispielsweise Kosten sind um einen solchen Mangel zu beseitigen; zugleich dient es der Sicherung von Beweisen in der Form, dass gerichtlich ein bestimmter Zustand dokumentiert wird, bevor sich der Zustand später verändert. Das selbständige Beweisverfahren ist also kein Rechtsstreit, es zielt auf keine Entscheidung in der Sache und dient lediglich der vorgezogenen Klärung von streitigen Tatsachen, die in einem künftigen Rechtsstreit von Bedeutung sein können.
Das selbstständige Beweisverfahren endet also nicht mit einer gerichtlichen Entscheidung sondern es endet, wenn etwa ein Gutachten eines vom Gericht bestellten Sachverständigen vorliegt. Um Rechtsfragen geht es hierbei nicht, diese werden in diesem Stadium nicht berücksichtigt. Hiernach dann wird der Rechtsstreit eigentlich erst fortgesetzt oder man findet auf Basis der Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens im Zuge eines Vergleichs zueinander.
Ablauf des selbstständigen Beweisverfahrens
Beim selbstständigen Beweisverfahren ist es so, dass der Antragsteller Beweisfragen formuliert. Hierzu kann der Antragsgegner eine Stellungnahme abgeben, wobei es ihm unbenommen ist, zusätzliche Beweisfragen zu formulieren. Es bestimmt also der Antragsteller in eigener Verantwortung durch seinen Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel. Das mit einem Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens befasste Gericht ist danach verpflichtet, dem Antrag entweder stattzugeben oder ihn zurückzuweisen, wenn der Beweisantrag unzulässig ist, oder wenn es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung für das selbständige Beweisverfahren fehlt (dazu auch BGH, VII ZB 19/99). Sodann wird das Gutachten erstellt (siehe hierzu den folgenden Abschnitt „Gutachten und Sachverständiger„. Ein selbständiges Beweisverfahren ist jedoch unzulässig, wenn es der Ausforschung dient – und Verschuldensfragen sind nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens:
Es ist in der Rechtsprechung der Obergerichte anerkannt, dass ein selbständiges Beweisverfahren dann unzulässig ist, wenn es allein der Ausforschung dient, um damit erst die Voraussetzungen für eine Klage zu schaffen. Dementsprechend müssen die Anträge gemäß 487 Abs. 2 ZPO insbesondere die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, enthalten. Unzulässig ist die reine Ausforschung, bei der nicht eine bestimmte Tatsachenbehauptung aufgestellt oder ein festzustellender Zustand bezeichnet wird, sondern durch den Antrag erst die Grundlagen für einen beweiserheblichen Tatsachenvortrag gewonnen werden sollen – LAG Berlin-Brandenburg, 10 Ta 2137/06
Das selbständige Beweisverfahren ist nach Klagerhebung allerdings unzulässig: Ein nach § 485 Abs. 2 ZPO betriebenes selbständiges Beweisverfahren setzt nämlich voraus, dass über den Sachverhalt, der Gegenstand des beantragten selbständigen Beweisverfahrens ist, noch kein Rechtsstreit anhängig ist. Wird nach Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens im Sinne § 485 Abs. 2 ZPO in derselben Sache Klage erhoben, entfällt die Zulässigkeit des Verfahrens rückwirkend. Eine Erledigung gibt es dabei nicht:
Es entspricht indes der zutreffenden Ansicht, dass auf das selbständige Beweisverfahren die Regeln über die Erledigung der Hauptsache nicht anwendbar sind. § 91 a ZPO setzt einen Rechtsstreit zwischen den Parteien voraus. Das selbständige Beweisverfahren ist kein Rechtsstreit, zielt auf keine Entscheidung in der Sache und dient lediglich der vorgezogenen Klärung von streitigen Tatsachen, die in einem künftigen Rechtsstreit von Bedeutung sein können. Deshalb ist weder eine einseitige noch eine übereinstimmende Erledigungserklärung mit einer Kostenentscheidung aus § 91 a ZPO zulässig (…) Wenn ein Antragsteller das von ihm eingeleitete selbständige Beweisverfahren selbst dadurch unzulässig macht, dass er in derselben Sache vor Abschluss des Beweisverfahrens Hauptsacheklage erhebt, entscheidet das Prozessgericht, ob es die noch unvollständige Beweisaufnahme zu Ende führt oder anderweitige Beweiserhebung anordnet. Eine Bindung nach § 493 ZPO setzt nämlich ein vollständig durchgeführtes und beendetes selbständiges Beweisverfahren voraus. Der Antragsteller läuft folglich das Risiko, dass sich die von ihm verursachten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht als notwendige Kosten der Hauptsache im Sinne von § 91 ZPO erweisen, selbst wenn er letztlich in der Hauptsache obsiegt – OLG Schleswig, 16 W 116/04
Ein selbständiges Beweisverfahren ist schliesslich beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. Haben die Parteien rechtzeitig Einwendungen gegen das im selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten erhoben, ist – sofern nicht eine weitere Beweisaufnahme stattfindet – das selbständige Beweisverfahren jedenfalls dann beendet, wenn der mit der Beweisaufnahme befasste Richter zum Ausdruck bringt, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht stattfindet und dagegen innerhalb angemessener Frist keine Einwände erhoben werden (OLG Stuttgart, 10 W 34/13).
Selbstständiges Beweisverfahren: Gutachten & Sachverständiger
Durch das Gericht wird ein Sachverständiger zur Beantwortung der im Raum stehenden Beweisfragen beauftragt, damit sich dieser in einem schriftlichen Gutachten äussert. Ein vom Gericht ausgewählter Sachverständiger kann jedenfalls wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Regelmässig ist ein Ortstermin notwendig, dieser wird durch den Sachverständigen bestimmt, der die Parteien und deren Bevollmächtigte hierzu dann einlädt. Weitere Personen als Sachverständiger, Parteien und Anwälte dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Parteien teilnehmen.
Bis das schriftliche Gutachten vorliegt vergeht eine häufig gehörige Zeit. Hierzu können die Parteien dann auf Wunsch einzeln Stellung nehmen und auch ergänzende Fragen formulieren. Der Sachverständige wird dann meistens beauftragt, sich schriftlich mit den Argumenten der Parteien auseinanderzusetzen. Seltener ist es so, dass das Gericht ihn gemeinsam mit den Parteien zu einer Anhörung einlädt.
Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens
Bei einem selbständigen Beweisverfahren fällt eine einfacher Gerichtsgebühr an (im streitigen Verfahren die dreifache). Diese ist in Form eines Vorschusses zu zahlen.
Was wenn Vorschuss im selbstständigen Beweisverfahren nicht gezahlt wird?
Es ist streitig, ob die Nichtzahlung des angeforderten Kostenvorschusses zur Folge hat, dass dem Antragsteller die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt werden können. Nach wohl mehrheitlicher Auffassung sind dem Antragsteller, der den von ihm geforderten Kostenvorschuss nicht einzahlt, in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3, 4 ZPO auf Antrag des Gegners die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen (OLG Köln, 16 W 37/13). Letztlich gilt: Der Antragsteller hat in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen, wenn er den angeforderten Auslagenvorschuss, von dessen Einzahlung das Gericht die Beweiserhebung abhängig gemacht hat, trotz Erinnerung seitens des Gerichts nicht einzahlt und eine Beweiserhebung deshalb unterbleibt. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine solche Kostenentscheidung auf Antrag im selbständigen Beweisverfahren (BGH, VII ZB 29/16).
Kosten des Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren
Als weiterer Kostenfaktor bei einem selbstständigen Beweisverfahren dürfen die Kosten des Sachverständigen nicht vergessen werden. Aber Vorsicht: Die Kostenerstattung kommt regelmäßig erst in dem anschließenden Hauptsacheverfahren in Betracht, nicht m Zuge des Beweissicherungsverfahrens. Wenn aber kein weiteres streitiges Verfahren geführt wird und man keine Einigung findet kann der Antragsgegner seine Kosten durchaus von dem Antragsteller einfordern.
Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren
Grundsätzlich ergeht im selbständigen Beweisverfahren nämlich keine Kostenentscheidung, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind vielmehr Kosten des Hauptsacheverfahrens und von der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens umfasst, ohne dass dies in der Kostenentscheidung ausdrücklich ausgesprochen werden muss. Eine isolierte Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren, die Grundlage einer Kostenerstattung ist, ist nur in drei Fällen möglich, nämlich bei Zurückweisung des Antrags als unzulässig, bei Rücknahme des Antrags durch den Antragsteller und in den Fällen des § 494a ZPO (Antrag auf Fristsetzung zur Hauptsacheklage). Der BGH (VI ZR 520/16) hat hierzu klargestellt: Der Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens kann die ihm hieraus entstandenen Kosten jedenfalls solange im Wege der Leistungsklage und gestützt auf seinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend machen, wie ein Hauptsacheverfahren im Sinne des § 494a ZPO – und sei es auch nur in Gestalt einer Feststellungsklage – nicht geführt wurde oder geführt wird und auch ein Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO nicht gestellt ist.
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