Keine unkontrollierte lebenslange Speicherung von Daten durch Strafbehörden

Der EuGH (C-118/22) hat klargestellt, dass europäisches Recht nicht mit nationalen Vorschriften vereinbar ist, die vorsehen, dass Polizeibehörden , insbesondere biometrische und genetische Daten, von Personen, die wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind, zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Feststellung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung bis zum Tod der betroffenen Person und auch im Falle ihrer Rehabilitierung speichern.

Die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen sind verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob diese Speicherung noch erforderlich ist, ohne dass der betroffenen Person das Recht eingeräumt wird, die Löschung dieser Daten zu verlangen, sobald ihre Speicherung für die Zwecke, für die sie verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich ist, oder gegebenenfalls das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung dieser Daten. So wird ausgeführt:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederum entschieden, dass die allgemeine und unterschiedslose Befugnis zur Speicherung von Fingerabdrücken, biologischen Proben und DNA-Profilen der Personen, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben, aber nicht verurteilt wurden – wie in der nationalen Regelung vorgesehen, um die es in der Rechtssache vor dem Gerichtshof für Menschenrechte ging –, keinen gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen zum Ausdruck bringt und dass die Speicherung dieser Daten daher als unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Privatlebens anzusehen ist und nicht als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden kann, weshalb ein solcher Eingriff einen Verstoß gegen Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt (EGMR, 4. Dezember 2008, S und Marper/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2008:1204JUD003056204, §§ 125 und 126).

Zwar kann die Speicherung der biometrischen und genetischen Daten von bereits rechtskräftig verurteilten Personen einschließlich bis zum Tod dieser Personen unbedingt erforderlich im Sinne von Art. 10 der 2016/680 sein, insbesondere um ihre etwaige Verwicklung in andere Straftaten prüfen und somit die Täter, die diese Straftaten begangen haben, verfolgen und verurteilen zu können. Es ist nämlich zu berücksichtigen, welche Bedeutung diesen Daten für strafrechtliche Ermittlungen zukommt, und zwar auch viele Jahre nach der Tat, insbesondere wenn es sich bei diesen Straftaten um schwere Straftaten handelt (vgl. in diesem Sinne EGMR, 13. Februar 2020, Gaughran/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2020:0213JUD004524515, § 93).

Davon, dass die Speicherung biometrischer und genetischer Daten der Anforderung genügt, wonach sie im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2016/680 nur dann zu erlauben ist, „wenn sie unbedingt erforderlich“ ist, kann jedoch lediglich dann ausgegangen werden, wenn sie Art und Schwere der Straftat, die zur rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung geführt hat, oder andere Umstände wie etwa den besonderen Kontext, in dem diese Straftat begangen wurde, ihren etwaigen Zusammenhang mit anderen laufenden Verfahren oder aber den früheren Lebenswandel oder das Profil der verurteilten Person berücksichtigt. Falls nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorsehen, dass die im Polizeiregister eingetragenen biometrischen und genetischen Daten der betreffenden Personen im Fall ihrer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung bis zum Zeitpunkt des Todes dieser Personen gespeichert werden, greift daher der Anwendungsbereich dieser Speicherung, wie oben in den Rn. 59 und 60 festgestellt, im Hinblick auf die Zwecke, für die diese Daten verarbeitet werden, übermäßig weit.

Die Entscheidung verdeutlicht einen Trend, der der – auch in Deutschland anzutreffenden – Praxis ständiger Datenspeicherung entgegentritt. In den vergangenen 15 Jahren sind insoweit zwar erhebliche Fortschritte zu verzeichnen, wenn man bedenkt, wie früher massenhaft und unkontrolliert Daten von Betroffenen in polizeilichen Systemen gespeichert wurden. Doch auch heute sind Richter viel zu schnell mit DNA-Anordnungen dabei und der effektive Rechtsschutz gegen polizeiliche Speicherungen hat noch viel Luft nach oben.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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