Keine Festsetzung von Ordnungsmitteln bei Wirtschaftsverband, der Anforderungen von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht (mehr) genügt

Betreibt ein Wirtschaftsverband (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) die Zwangsvollstreckung aus einem materiell-rechtlich auf § 8 Abs. 1 UWG gestützten Unterlassungstitel, so muss er im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO die zu diesem Zeitpunkt geltenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllen. Andernfalls fehlt ihm die Antragsbefugnis für das Ordnungsmittelverfahren, wie das OLG Hamm, 4 W 32/22, betont.

Die Vorschriften des § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine „Doppelnatur“: Sie regeln nicht nur die materiellrechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis bzw. Aktivlegitimation), sondern in prozessualer Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis zur Geltendmachung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG.

Diese Prozessführungsbefugnis muss nach Auffassung des OLG, soweit es um einen lauterkeitsrechtlichen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung im Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sein. Da § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO von einem „Antrag“ spricht, erscheint es sinnvoll, im Ordnungsmittelverfahren nicht den Begriff der „Prozessführungsbefugnis“, sondern den Begriff der „Antragsbefugnis“ zu verwenden:

Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige, im vorliegenden Verfahren vom Gläubiger vertretene Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles „Rest- und Schattendasein“ als „Verwalter“ alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020.

Auch der hat bereits im Jahre 1996 in der Entscheidung „Altunterwerfung I“ (BGH, Urteil vom 26.09.1996 – I ZR 265/95 – [Altunterwerfung I], juris, Rdnr. 31 ff.) – im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Gehalt der Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen – ausgeführt, dass es der Gesetzeszweck eines vom Gesetzgeber angeordneten Wegfalls der Sachbefugnis von Verbänden erfordert, dass diese Änderung der materiellen Rechtslage vom Titelschuldner im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Da die Bestimmungen über die Befugnis von Verbänden zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen eine Doppelnatur als sowohl materiell-rechtliche als auch prozessrechtliche Vorschriften haben, ist der Titelschuldner nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer nach § 767 ZPO beschränkt, sondern kann – wie hier die Schuldnerin – im konkreten Ordnungsmittelverfahren die fortgefallene Antragsbefugnis des Gläubigers geltend machen.

OLG Hamm, 4 W 32/22
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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