BVerfG bekräftigt den Status quo: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob in Steuerermittlungsverfahren – insbesondere bei sogenannten Umsatzsteuerkarussellen – erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Durchsuchungsbeschlüssen zu stellen sind.
In seinem Beschluss vom 11. November 2024 (Az. 1 BvR 1085/24) hat das Gericht klargestellt: Nein, eine Sonderbehandlung für Steuerdelikte hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Durchsuchungsanordnungen existiert nicht. Die Entscheidung fügt sich ein in eine Linie restriktiver Annahmepraxis und ist zugleich ein Signal an die Praxis der Steuerfahndung.
Sachverhalt
Hintergrund der Verfassungsbeschwerde war eine Reihe von Durchsuchungsbeschlüssen, die im Zuge von Ermittlungen wegen mutmaßlichen Umsatzsteuerbetrugs – typischerweise im Kontext sogenannter Karussellgeschäfte – ergangen waren. Die Beschwerdeführer sahen durch die Beschlüsse ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) verletzt und argumentierten unter anderem mit einer unzureichenden richterlichen Begründungstiefe, die ihrer Meinung nach angesichts der wirtschaftsstrafrechtlichen Komplexität nicht genügte. Die betroffenen Maßnahmen stützten sich im Wesentlichen auf Verdachtsmomente im Zusammenhang mit fehlenden Leistungsnachweisen und angeblichen Scheinrechnungen.
Nachdem das Landgericht Lübeck sowie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Beschwerden gegen die Durchsuchungen nicht stattgegeben hatten, riefen die Betroffenen das Bundesverfassungsgericht an.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des BVerfG erfolgte in Form eines sogenannten Nichtannahmebeschlusses – einer Form, die regelmäßig genutzt wird, wenn das Gericht einer Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung beimisst oder sie offensichtlich unbegründet ist.
Zentral ist die Feststellung des Gerichts, dass es keine verfassungsrechtliche Pflicht gibt, bei Steuerstraftaten strengere Anforderungen an die Begründung von Durchsuchungsbeschlüssen zu stellen als bei anderen strafrechtlichen Delikten. Vielmehr gilt der allgemeine Maßstab: Eine Durchsuchung bedarf eines hinreichenden Tatverdachts und einer nachvollziehbaren richterlichen Abwägung zwischen dem Eingriff in die Grundrechte und dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse.
Zudem verwarf das Gericht die Rüge einer Verletzung des Art. 13 Abs. 2 GG. Der Schutz der Wohnung sei zwar intensiv, rechtfertige aber keinen Sonderstatus für bestimmte Deliktskategorien. Insbesondere verwies das BVerfG darauf, dass die Anforderungen an die Konkretisierung der Verdachtsmomente und die Darlegung des mutmaßlichen Tatgeschehens bereits durch die bestehende Rechtsprechung hinreichend bestimmt seien. Ein darüber hinausgehender Maßstab würde letztlich die Ermittlungsbehörden unangemessen einschränken.
Für die Praxis bedeutet das: Die Gerichte bleiben bei der richterlichen Anordnung von Durchsuchungen an den bewährten Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Tatverdachtsbegründung orientiert – auch in steuerlichen Ermittlungsverfahren. Eine Sonderbehandlung wird es nicht geben. Das ist aus Sicht einer funktionierenden Strafverfolgung ebenso konsequent wie verfassungsrechtlich durchaus unbedenklich – bedeutet aber auch, dass es bei den weiterhin verbreiteten viel zu niedrigschwelligen Durchsuchungsbeschlüssen verbleibt.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt deutlich, dass auch in komplexen wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren – wie etwa bei der Verfolgung von Umsatzsteuerkarussellen – keine gesonderten verfassungsrechtlichen Maßstäbe für Durchsuchungsanordnungen gelten. Die Richter*innen in Karlsruhe halten an der Linie fest, wonach die verfassungsrechtliche Prüfung sich an allgemeinen, klar definierten Standards orientiert – unabhängig von der jeweiligen Deliktskategorie. Diese Konklusion stärkt die Rechtssicherheit im Bereich der Ermittlungsmaßnahmen und weist gleichzeitig die Forderung nach einem erhöhten Schutzstandard für wirtschaftsstrafrechtlich Beschuldigte zurück.
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