Die Behandlung ausländischer Strafurteilungen im deutschen Bundeszentralregister wirft immer wieder komplexe rechtsdogmatische Fragen auf – insbesondere dann, wenn eine betroffene Person die Löschung einer solchen Eintragung begehrt. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. Mai 2025 (Az. 5 ARs 1/25) bietet Anlass, die Anforderungen an die Begründung eines solchen Löschungsantrags im Rahmen des EGGVG-Verfahrens eingehend zu analysieren. Die Entscheidung verweist nicht nur auf verfahrensrechtliche Formalien, sondern enthält auch substanzielle Aussagen zur systematischen Behandlung ausländischer Verurteilungen nach deutschem Registerrecht.
Sachverhalt
Dem Verfahren lag ein Antrag eines Betroffenen zugrunde, eine gegen ihn ergangene polnische Verurteilung aus dem Bundeszentralregister löschen zu lassen. Der Antrag wurde zunächst vom Bundesamt für Justiz und sodann vom Bundesministerium der Justiz abgelehnt. Gegen den letztgenannten Bescheid stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. März 2024, eingegangen am 5. April 2024, beim Kammergericht einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Eine Begründung blieb er zunächst schuldig, kündigte diese aber für die Zeit nach gewährter Akteneinsicht an. Erst Anfang Juni 2024, und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG, ging eine Begründungsschrift eines nun mandatierten Rechtsanwalts beim Gericht ein. Das Kammergericht verwarf daraufhin den Antrag als unzulässig – wegen Fristversäumnis. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Antragsteller im Wege der Rechtsbeschwerde, über die der BGH nun entschied.
Juristische Analyse
I. Formelle Anforderungen an die Begründung im EGGVG-Verfahren
Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist die Auslegung des § 26 Abs. 1 EGGVG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 EGGVG. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats nach Zustellung des ablehnenden Verwaltungsbescheids nicht nur eingereicht, sondern auch begründet werden muss. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit § 24 Abs. 1 EGGVG, der die Geltendmachung einer Rechtsverletzung verlangt.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers genügt es nicht, sich lediglich eine spätere Begründung vorzubehalten oder den angefochtenen Bescheid beizufügen. Der BGH betont, dass auch das bloße Beifügen des Verwaltungsbescheids ohne jede Bezugnahme oder Erläuterung keine formgerechte Begründung im Sinne des § 24 Abs. 1 EGGVG darstellt. Die Entscheidung fügt sich ein in eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, OLG Frankfurt a.M., BayObLG), die bereits in der Vergangenheit ein formales Begründungserfordernis innerhalb der Monatsfrist gefordert hatte.
Der Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG und das Gebot effektiven Rechtsschutzes ändert daran nichts: Zwar dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, doch bleibt eine substanzlose Antragsschrift ohne erkennbare Rüge einer eigenen Rechtsverletzung unbeachtlich. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in vergleichbaren Konstellationen betont, dass der Kern der Beschwerde erkennbar werden muss.
II. Keine inhaltliche Prüfung des Löschungsbegehrens erforderlich – aber gleichwohl behandelt
Obwohl der BGH den Antrag bereits aus formellen Gründen als unzulässig erachtet, äußert er sich zur materiellen Frage der Löschungsfähigkeit ausländischer Verurteilungen im Bundeszentralregister. Nach § 54 Abs. 1 BZRG werden ausländische Urteile eingetragen, wenn sie rechtskräftig sind und gegen deutsche Staatsangehörige oder inländische Wohnsitzinhaber ergangen sind. An dieser Eintragung ändert sich – so der BGH – auch dann nichts, wenn nach dem Recht des Urteilsstaats (hier: Polen) eine „materielle Rückabwicklung“ oder vorzeitige Tilgung erfolgt.
Denn maßgeblich ist das deutsche Tilgungsrecht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BZRG. Selbst wenn im Ausland eine kürzere Tilgungsfrist gilt, wird dies im Register lediglich vermerkt; die eigentliche Tilgung richtet sich nach deutschem Recht. Insbesondere die Beendigung der Strafe allein begründet noch keine Tilgungsreife. Diese systematische Trennung verhindert eine indirekte Normdurchbrechung durch das ausländische Recht und sichert eine einheitliche Registerführung.
Bewertung und dogmatische Einordnung
Die Entscheidung des BGH ist in mehrfacher Hinsicht konsequent und systematisch überzeugend. Zum einen verdeutlicht sie die Notwendigkeit einer strukturierten Verfahrensführung im verwaltungsgerichtlichen Justizverwaltungsverfahren nach dem EGGVG. Der Verweis auf eine Monatsfrist, die sowohl Antragstellung als auch Begründung umfasst, ist dogmatisch sauber begründet und trägt zur Rechtssicherheit bei.
Zum anderen erteilt der BGH dem Versuch, über ausländisches Recht auf das deutsche Registerrecht einzuwirken, eine klare Absage. Die Verweisung auf § 56 BZRG dient dem Schutz der Integrität des Bundeszentralregisters und verhindert eine inhaltliche Aushöhlung durch divergierende ausländische Rechtsordnungen. Die Regelung stellt dabei ein Gleichgewicht zwischen dem Respekt vor ausländischen Entscheidungen und der Eigenständigkeit des deutschen Strafregisterrechts her.
Zugleich impliziert die Entscheidung, dass betroffene Personen, die sich auf eine ausländische Tilgung berufen, gleichwohl eine entsprechende Speicherung nach § 56 Abs. 3 BZRG anregen können – etwa zur Information über den ausländischen Tilgungsstand.
Schlussfolgerung
Der Bundesgerichtshof bestätigt in seinem Beschluss die strikte Bindung an formale Anforderungen bei Anträgen nach dem EGGVG und stärkt zugleich die Autonomie des deutschen Strafregisterrechts gegenüber ausländischen Rechtsakten. Das Verfahren unterstreicht die Bedeutung präziser Antragstellung und -begründung im justizverwaltungsrechtlichen Kontext und weist darauf hin, dass substanzielle Angriffe gegen ausländische Registereintragungen inhaltlich durchdacht und verfahrenskonform vorgebracht werden müssen. Die Kernaussage lautet daher: Wer eine ausländische Verurteilung aus dem Bundeszentralregister löschen lassen will, muss deutsches Verfahrens- und Registerrecht vollständig beachten – sowohl in der Form als auch in der Sache.
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