Das Landgericht Saarbrücken (4 U 225/22) hat in einer Entscheidung am Rande klargestellt, dass Kartellbußen der Gesellschaft nicht gegen den Vorstand regressiert werden können. Denn ein solcher Regress aus einer Kartellbuße verstößt nach Auffassung der Kammer gegen die praktische Wirksamkeit der Art. 101, 105 AEUV.
Diese Normen weisen der Kommission die Kompetenz zu, die Kartellpolitik der Europäischen Union zu gestalten. Dabei setzt die Kommission im Rahmen der VO 1/2003 auf eine Politik der öffentlich-rechtlichen Kartellverfolgung. Die von ihr verhängten Geldbußen müssen eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalten. Kartellbußen sind dabei das wesentliche Element der Abschreckung von Unternehmen. Die Kommission hat sich hierzu Leitlinien gegeben (Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. 2006/C 210/02).
Eine Regressbarkeit von Kartellbußen würde diesen Effekt aus Sicht des Gerichts abschwächen und damit den Kern der öffentlich-rechtlichen Kartellverfolgung durch die Kommission und damit der Art. 101, 105 AEUV berühren. Auch wenn das Gesellschaftsrecht im Hinblick auf die Haftung von Organmitgliedern nationales Recht ist, darf es nicht gegen die sog. allgemeinen Regeln des Europarechts, d.h. das Diskriminierungsverbot und die Wahrung der praktischen Wirksamkeit, verstoßen (EuGH, ständige Rechtsprechung seit Urteil vom 21. September 1983, Verbundene Rechtssachen 205 bis 215/82, Slg. 1983, 02633 – Deutsche Milchkontor u.a., Leitsätze 4 und 5). Die praktische Wirksamkeit im Hinblick auf Art. 101, 105 AEUV würde durch eine Regressbarkeit von Geldbußen jedoch beeinträchtigt, da das nach der europarechtlichen Regelung zu bebußende Unternehmen Teile der Geldbuße auf Vorstandsmitglieder abwälzen könnte, die nicht als Betroffene von Art. 101 AEUV erfasst sind. Zudem bestünde die Gefahr einer weiteren Abwälzung auf die D&O-Versicherer.
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